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Ausgabe:

1928 Nr. 23

Spalte:

535-536

Autor/Hrsg.:

Frobenius, Leo

Titel/Untertitel:

Volkserzählungen und Volksdichtungen aus dem Zentral-Sudan 1928

Rezensent:

Bertholet, Alfred

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1928 Nr. 23.

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Reformationskunst findet sich neuerlich auch bei H.
Preuß S. 187." In Wirklichkeit ist die Entlehnung gerade
an dieser Stelle und von der zitierten Seite keineswegs
so stark wie an unzähligen anderen Stellen und überschreitet
hier, aber auch nur hier das Maß des Erlaubten
nicht. Zu dem „neuerlich": Das Werk von Preuß ist
1926 erschienen, das von Buchholz ist im Vorwort datiert
: „Dessau, an St. Jacobi 1928".

Es ist nicht meine Sache, ein Urteil über den
psychologischen Hergang beim Zustandekommen dieses
Buches zu fällen. Daß es bei dem geschilderten Tatbestand
weder im Einzelnen noch in der Zusammenfassung
die wissenschaftliche Erkenntnis irgendwie fördert,
nimmt nicht Wunder.
Greifswald. Hermann Wolfgang Beyer.

Frobenius, Leo: Volkserzählungen und Volksdichtungen
aus dem Zentral-Sudan. Jena: E. Diederichs 1924. (IV, 427 S.
in. 2 Kartenbeilagen.) 8°. = Atlantis, Bd. 9. RM 7.50; geb. 9.50.
Der vorliegende Band vermittelt uns ein lebendiges
Bild zentralsudanischer Hochkultur. Zu Worte kommen
darin um den Quorra d. h. den Unterlauf des Niger
wohnende Völker, vor allem die mehr äthiopischen Nupe
und die mehr hamitischen Haussa. In Geschichte und Leben
der ersteren führt eine eingehende Einleitung des
Herausgebers ein. Hier gestatten nämlich die alten
Überlieferungen, einen Zeitraum von über 5 Jahrhunderten
zu überblicken, ein für afrikanische Verhältnisse gewaltiges
Stück; und nach Frobenius' Urteil hat er in
Afrika kein Reich kennen gelernt, das soviel an Kultur
eingebüßt hat wie Nupe und doch noch so überraschende
Reste birgt (S. 17). Das Volk selber schildert
er als unendlich fleißiges Ackerbauvolk, aber bei äußerer
Ängstlichkeit als phänomenal roh. „Entweder verprügelt
bei uns", so sagt der Nupemann selber einmal, „in
der Hochzeitsnacht die Frau den Mann, und dann wird
es für beide gut, oder der Mann verhaut die Frau, und
dann ist es für alle beide sehr schlecht" (S. 22). In
Beziehung auf die religiösen Verhältnisse gilt, daß sich
hier der Islam noch weniger als in andern Negerländern,
wo seine Sache doch lau genug getrieben werde, innerlich
eingenistet habe.

Was den Inhalt der mitgeteilten Texte anbelangt,
so folgen einander in bewußter Anordnung „die Gestaltungen
der schlichten Volksseele in der Form der Tierfabel
, dann die Einfügung der Ansichten über Sitte und
Sittlichkeit, der Humor und endlich die eigentliche Märchenwelt
. Hier schon werden Meisterstücke der Erzählungskunst
gewonnen, und doch sind es gewissermaßen
nur die Ausgangspunkte einer Steigerung bis zu einer
Höhe die die alternde Kraft der brachenlos aufgesprossenen
Kernkultur der Nupe selbst nicht mehr erreichte
, die vielmehr der zierlicheren, aus der Ruhe erwachsenen
Haussakunst zu entwickeln vorbestimmt war"
(S. 6). Eine Ergänzung bilden von Albrecht Martius,
Frobenius' Schüler und Assistenten, aufgenommene
Volkserzählungen sudanischer Völker.

Eine große Zahl der mitgeteilten Stücke ist ätiologischer
Natur. Man erfährt, wie die Kinder und das
Sterben in die Welt kamen (Nr. 59), wie die Geschlechtlichkeit
entstand (53. 81), wie das Guineakorn wurde
(55). woher die Elefanten stammen (79), wie der Unterschied
von Kamel und Pferd entstand (63), woher die
Schweine ihre kurzen Schnauzen haben (100), Leopard
und Hyäne ihr geflecktes Fell (17. 66), die Schild?
krötenschale ihre Zeichnung (1), ein Fisch seine rote
Schwanzflosse (25), warum ein anderer nur auf einer
Seite schwimmt (57), wie Frosch- und Vogelruf entstanden
(6. 14 f. 58), woher die Tiere ihre verschiedenen
Wohnstätten haben (11), warum Schakal und Hund
nicht mehr zusammenhausen (94) usw. Man kennt gewisse
Tiere als Ausbund der Schlauheit, so die Hyäne
(12), die Spinne (92), die Schildkröte, das enfant terrible
der Tierwelt (3. 8). Auch das Motiv der dankbaren

, Tiere kehrt wieder (19). Mit großer Naturwahrheit
werden menschliche Typen geschildert: der Pechvogel
(38), der Schlauberger (21. 39), der unverbesserliche
Tunichtgut (62), der abgefeimte Dieb (76), die geldgierige
Dirne (85), der geprellte Ehemann (44). Aus
einzelnen Erzählungen spricht ein derber Humor (37.
87). Man darf in der Lektüre gewisser Stücke nicht
| prüde sein. Aber es gibt auch eine Moral der Geschichten
: den Sieg trägt Gerechtigkeit davon (33); dem
Hilfsbedürftigen zu helfen, bringt Segen (31). Wenn
man Gott bittet, soll man ihn um etwas Vernünftiges
bitten (72). Man heirate nicht Mädchen aus der Fremde,
unbekannter Familie (101); wiederum sollen Mädchen
| den zum Mann nehmen, den ihnen ihr Vater bestimmt
i (24; doch auch Emanzipation gegen elterliche Bevor-
I mundung: 34). Erschütternd wirkt der Fluch, nicht
schweigen zu können (29). Erst das Bewußtsein macht
j die Sünde zur Sünde (36).

Religionsgeschichtlich läßt sich den Geschichten
allerhand magisches wie dämonistisches Material entnehmen
. Da erscheinen auch leblose Dinge als sprach-
j begabt, so die Mörserkeule (S. 346), der Stock (367)
u. a. Es gibt wunderbare Speise, wie Schlangenkost,
' die das Leben verlängert (231). Eine große Rolle
j spielt zauberische Medizin, mit der das Gesicht bespritzt
| oder gewaschen wird (124. 257). Sie macht klug (366)
oder unsichtbar (302), hilft in jeder Schwierigkeit (229),
bewirkt Krankenheilung (64) und verschafft Kindersegen
(165), sie verwandelt Menschen in Fliegen (245).
i Und der Verwandlungen ist kein Ende (Nr. 78. 101).
Eine Frau, die sogenannte Goja, besitzt die Fähigkeit,
sich in einen wilden Büffel zu verwandeln, um als solcher
Menschen anzufallen und zu vernichten (65). Andere
Hexen, die Subachen, töten sie nicht nur, sondern
verzehren sie auch (68 f.). Wiederum schlägt der Geist
eines Baumes den, der sich unter den Baum legt (S.
366). Überhaupt blickt man gelegentlich in eine Welt
voll Wunderwesen (Nr. 70). Auf menschlicher Seite
lernt man in den „Boschi" Wahrsager kennen (45. 61),
und die Haussa wissen von einem Drachentöter (74f.);
gelegentlich begegnet man auch dem Gedanken der
Himmelsreise (40 f.). Biblischer Einfluß meldet sich
in der Legende von Joseph in Ägypten (73). Ob auch in
der Parallele zu Aarons grünendem Stab (S. 179) und
der Anschauung, daß die Menschen ursprünglich nur
von Korn lebten (S. 299; vgl. Gen. 1, 30)?
Berlin. Alfred Bertholet.

Wreszinski, Walter: Atlas zur altägyptischen Kulturgeschichte
. II. Tl., Lfg. 11 u. 12. Leipzig: |.C. Hinrichs 1928.
29 X43 cm. je RM 33-.

Auch diese beiden neuen Lieferungen bringen in
! der Hauptsache Einzelheiten aus der Schlacht bei Qa-
desch, in der Ramses II. bekanntlich durch das Eingreifen
seiner Wagenkämpfer den Sieg über die Hetiter
gewann, er. 1288 v. Chr. Hervorzuheben ist neben
Taf. 100 besonders Taf. 175, der entscheidende Wagenkampf
und 176 a der Bericht über die Schlacht. Auf
Taf. 109 erinnert die Szene, wie der Wagenkämpfer, auf
einem seiner Gespannpferde reitend, sich in Sicherheit
zu bringen sucht, an Reg. « 20, 20. Außerdem sind ver-
! schiedene Darstellungen der Belagerung einer syrischen
Stadt, vgl. Taf. 107. 154. 183 und vor allem die
reiche dramatische Wiedergabe des Sturmangriffs auf
Debir, er. 1290 v. Chr., zu erwähnen. Auf Taf. 128
I findet sich zum ersten Mal der Ausmarsch der ägyptischen
Truppen ins Feld unter Ramses III. behandelt.
Aus einer früheren Zeit ist uns eine Darstellung dieses
Vorwurfs nicht bekannt. Die Sieghaftigkeit der beiden
Pharaonen, Ramses II. und III., ist endlich noch das
Thema der Taf. 167. 181 und 130. Sie zeigen die Südvölker
und die Libyer besiegt bezw. Tribut bringend.

Königsberg. Max Lohr.