Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1928 Nr. 20

Spalte:

477-478

Autor/Hrsg.:

Mensching, Gustav

Titel/Untertitel:

Das Christentum im Kreise der Weltreligionen 1928

Rezensent:

Haas, Hans

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

477

Theologische Literaturzeitung 1928 Nr. 20.

478

legen (katholischer Gottesdienst trägt die Zuge der „Universalität"
des Katholizismus, hat darum primitive, gesetzlich-juristische, myste-
rienhafte, aber ebenso biblisch-christliche Elemente; evangelischer
Gottesdienst trägt die Züge der durch die Reformation vollzogenen
„Reduktion", ist damit Gemeinde-Gottesdienst, persönlicher G., ethischer
G„ Wort-G., Gebets-G.; der Gegensatz beider Typen liegt in
der völlig anderen Auffassung von Gottes Gegenwart, die dort als
symbolgebunden, hier als symbollos erfaßt wird); in der 2. Auflage
wird dieser erreichte Zweck als Mittel zu dem neuen Zweck benutzt
, im übrigen für die Weiterführung der Arbeit der 1. Auflage
besonders für den Katholizismus auf H.s Buch „Der Katholizismus"
verwiesen.

H.s Methode ist kompliziert; sie setzt sich zusammen
aus a) der „historischen" Liturgik, b) der Einstellung
des Religionsgeschichtlers auf phänomenologische
Arbeit, c) dem Eklektizismus des kritisch aufgeschlossenen
Frommen. Bei a) übernimmt er, mit selbständigem
Urteil allerdings, die Resultate der Exegeten,
Dogmen- und Kirchenhistoriker; in b) und c) leistet er
eigene Arbeit. Das Ergebnis dieser eigenen Arbeit ist
eine eindrucksvolle Neubeleuchtung der Tatsache, daß
wie die Konfessionen so ihre Gemeindegottesdienste
Zweige sind an einem Baume, der aus dem Urchristentum
erwuchs. Aber gerade das, worum es H. hier und in
seiner ganzen Arbeit der gegenwärtigen Phase zu tun
ist, nämlich daß aus der Tatsache eine Theorie gemacht
werden müsse, daß nicht das konfessionelle aut—aut,
sondern das Heilersche et—et zum Urchristentum führe
— gerade das ist nicht bewiesen, bleibt bei H.s Methode
unbeweisbar, denn es ist ja Voraussetzung in b) und c)!
S. 60 wird H. darob selbst bedenklich, bringt aber die
Bedenken durch praktisch-fromme Erlebnisse eigener Erfahrung
zum Schweigen. Das bedeutet aber, daß H.s
„Evangelischer Katholizismus" letzten Endes nicht vom
Urchristentum, sondern von der Heilerschen Subjektivität
her dirigiert wird. D. h. wissenschaftlich vermag
auch H. nicht das aut—aut der Konfessionen umzuwerfen
; so ist in allem Ernste damit zu rechnen, daß
das Urchristentum nur von der Aktivität in einer der
historisch gewordenen Konfessionen aus, sonderlich von
der gottesdienstlichen Aktivität aus, zu erreichen sei.
Und da Urchristentum und Neues Testament zusammengehören
, so wird diejenige Konfession mehr Eignung
für den genannten Zweck haben, welche sich grundsätzlich
auf das Neue Testament stellt, mag der religiöse
Zustand in ihr zu Zeiten erfreulich oder unerfreulich
sein. M. a. W.: die liturgischen Probleme wie das liturgische
Problem verwischen sich in einer Methode, bei
der Religionsgeschichte und Religionspsychologie den
Primat haben, vielmehr muß die historische Liturgik
(wie sie etwa bei Lietzmann oder den Laacher Benediktinern
zu rinden ist) dominieren und die religionsgeschichtlichen
und religionspsychologischen Resultate für
ihre Arbeit benützen; diese historische Liturgik ist nur
auf dem konfessionellen Standpunkt des aut—aut möglich
, weil der Gemeindegottesdienst den Gemeindeglauben
' lebt, der Gemeindeglaube aber ist in der Praxis
entweder' reformatorisch oder katholisch.

Trotzdem ich also grundsätzlich gegen H.s et—et
und entschieden für das aut—aut bin, und trotzdem H.
gerade um des Grundsätzlichen willen, nämlich für sein
et—et, schreibt, halte ich die vorliegende 2. Auflage
der H.schen Schrift für eine ausgezeichnete Einführung
in die liturgischen Probleme und in das liturgische Leben
, besonders deshalb, weil H. weder der „wilden
Liturgistik" noch der „systematischen" (d. h. dogmatischen
und religionsphilosophischen) Liturgik Raum
gibt, sondern geradewegs die historische Liturgik in
seine Arbeit einbaut. Das bedeutet mutatis mutandis die
Herrschaft des sensus literalis, nicht des allegoricus.
Berlin. I.eonliardt Fendt.

Menschlng, Gustav: Das Christentum im Kreise der Weltreligionen
. Grundsätzliches über das Verhältnis der Fremdreligionen
zum Christentum. Gießen: A. Töpehnann 1928. (23 S.)
8». RM -75.

Witte, Prof. d. Dr. Johannes: Die evangelische Weltmission.
Ihre Ziele, Wege und Erfolge. Ebd. 1928. (51 S.) 8°. RM 1.50.
= Aus der Welt der Religion, H. 3 u. 4.

In dem Heft von Gustav Mensching, einer
am 3. Okt. 1927 an der Universität Riga gehaltenen
Antrittsvorlesung, habe ich beim Lesen mein erstes
I Fragezeichen gleich zu dem ersten Absatz, der Einleitung
setzen müssen. Der Standpunkt naiver Gläubigkeit in
jeder Religion der der Intoleranz, welche Wahrheit
und Offenbarung ausschließlich auf der eigenen Seite
: finde, Lüge und Wahn aber auf der anderen Seite!?
| Das trifft für die jüdische und trifft für die christliche
Religion zu („die falschen Götzen macht zu Spott!
! der Herr ist Gott, der Herr ist Gott.") und meinet-
! halben für alle höher entwickelten: religiösen Exklusivismus
als charakteristischen Zug auch schon der primitiveren
Kulte anzusehen, ist ganz gewiß unangängig.
Ich verweise den Autor dafür etwa auf Jean R e -
| v i 11 e , Les phases successives de l'histoire des reli-
gions oder auf H. Pinard de la Boullaye, L'etu-
de comparee des religions. Meinem ersten Fragezeichen
folgt noch auf der ersten Heftseite ein von mir ge-
I setztes Randausrufezeichen. Mir soll es bedeuten, daß
sich dem Verf. wohl zu einigem Dank verpflichtet hätte,
j wer ihn aufmerksam gemacht hätte auf Voßberg's
Buch „Luthers Kritik aller Religion". Darüber, was
j M. in seine Betrachtung einbezieht oder nicht einbezieht
, mit ihm zu rechten, ist man nicht befugt. Seine
j Aufgabe setzt sich ein Autor selbst. M. beachtet von
den Menschheitsreligionen außer dem Christentum nur
i den Buddhismus (in seiner Hinayana- und in seiner
Mahayana-Ausprägung), den Hinduismus und die Religion
Chinas. Wenn er es hinsichtlich ihrer darauf ab-
! sieht, nur ihren Sondergeist herauszustellen, so tut er
j da ein Wichtiges, und zugestehen will ich ihm, daß er
I es richtiger tut als Albert Schweitzer in seiner ähnlich
betitelten Schrift „Das Christentum und die Weltreli-
j ginnen". Über diese an Schweitzer geübte Kritik hinaus
j bietet M.'s Vorlesung nichts Eigenes. Zustimmen muß
i man ihm, wenn er will, der Religionsforscher brauche
I Liebe als Bedingung seiner Objektivität seinem Objekt
gegenüber. Solche Liebe zeigt er selbst, um dann doch
I zu finden, was ich ihm nicht bestreite: alle in den ver-
j schiedenen Religionen zerstreut vorkommenden Vollkommenheitselemente
sind im Christentum summiert
vorhanden. Nur daß er weiter auf der Seite des Christentums
ein Wesensmoment betont, das aufsehen der
außerchristlichen Religion keine Entsprechung habe:
I den „kollektiven Charakter" der Heilsidee. Und da-
j gegen ließe sich wieder etliches einwenden. („So sind
wohl manche Sachen, die wir getrost belachen, weil
unsre Augen sie nicht seh'n.")

Den guten Willen, den außerchristlichen Religiositäten
alle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, bekundet
auch Heft 4 der Religionsgeschichtlichen Reihe
j der Sammlung „Aus der Welt der Religion", das zum
Verfasser D. Dr. Johannes Witte, den Direktor
I der Ostasien-Mission, hat. Fest steht ihm natürlich
trotzdem: das Christentum hat Besseres und hat mehr,
! und: das Bessere ist des Guten Feind. Ein Feind freilich
, der darauf ausgeht, wohlzutun und mitzuteilen
und so Unvollkommenes zu „erfüllen", weil er eben
| darin ein ihm innewohnendes gebietendes, zwingerisches
j Soll sieht. Das Heft spricht von den Erfolgen der
| christlichen, in Sonderheit der evangelischen Missionsbemühungen
, zeigt deren Notwendigkeit und die rechten
; Wege zum angestrebten Ziel. Diese Methoden, von der
Ostasien-Mission (Allg. ev.-prot. Missionsverein) zuerst
I eingeschlagen, von der übrigen missionierenden Christenheit
in Deutschland ihr Jahrzehntelang verdacht,
sind heute auch von der letzteren als die sachlich gebotenen
erkannt und vertreten. Ihre Vorkämpferin aber,
die Ostasien - Mission, von der man sie gelernt wird,
weiter diffamiert. Was dazu wohl die „Heiden" denken
? Was sie in Japan dazu sagen, weiß ich. Klar aber
wissen wohl auch anderwärts „Heiden" zu sehen. Das
ist bedauerlich, weil es sie an ihren „christlichen" Bekehrern
irre machen muß.

Leipzig._ H. Haas.