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Ausgabe:

1928 Nr. 19

Spalte:

449-450

Autor/Hrsg.:

White, Hugh G. Evelyn

Titel/Untertitel:

The Monasteries of the Wadi’n Natrûn. Part I 1928

Rezensent:

Leipoldt, Johannes

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449

Theologische Literaturzeitung 1928 Nr. 19.

450

beflissene werden es hoffentlich nicht sein, da in diesem Falle die
Stellen doch wohl im Urtexte geboten würden. Sicher ist, daß wer
nicht vorher schon über die Entwicklung der altchristlichen Bußzucht
Bescheid weiß, ihn aus dieser Stellenauswahl nebst Einführung,
Überleitungen, Erklärungen und Literaturangaben nicht gewinnen
kann. Oesammelt sind die Stellen unter die Gruppen: Die Einsetzung
durch Christus, die apostolische Zeit, die nachapostolische
Zeit bis zum 3. Jahrhundert, die abendländische Bußdisziplin des
3. Jahrhunderts (dazu Origenes), Besonderheiten des Morgenlandes,
Vom 4. Jahrhundert bis zum Ausgang des Altertums. Als „Hauptstelle
" für die Einsetzung durch Christus wird natürlich Joh. 20,22 f.
angegeben. Daß sie ursprünglich auf die Taufe bezogen wurde, erfährt
der Leser nicht. S. 10 werden allerdings Hebr.6,4 ff. u.
I. Joh. 5,16 angeführt als „apostolische Stellen, an die eine spätere
rigoristische Richtung hinsichtlich der Buße angeknüpft hat", aber
von Irenäus werden fünf Stellen angeführt (S.24L), nur nicht die
an sie anknüpfenden, von ihm beifällig aufgenommenen Stellen der
„Presbyter". Was sollen die Bußmahnungen in I. Clem. beweisen?
Und was hat die Mahnung, sich den Presbytern unterzuordnen
<57, lf.), mit der Bußzucht zu tun? Hermas soll eine Verschärfung
der Buße bedeuten: deshalb atmet er wohl auf (Mand. IV, 3,7) und
sollen die Brüder froher werden (Vis. III, 3, 1)? Bei Cyprian fehlt
der Satz aus Test. III, 28. Daß die Novatianer nicht bloß die
Kapitalsünden von der kirchlichen Vergebung ausschlössen, sondern
„teilweise noch weitergingen" (S. 25), ist männiglich unbekannt. Bei
Tert. de paen. 7 ist das „quia proxime frusta" nach Kellner-Esser
übersetzt mit „weil das nächste Mal schon vergebens" (S. 27). Tert.
gebraucht aber ein zeitliches proximus und proxime stets von der
Vergangenheit, nicht von der Zukunft, und in paen. 7 steht das
„proxime frustra" dem „amplius numquam" gegenüber. Der Sinn ist:
ein weiteresmal ist keine Buße möglich, weil sie das letztemal (bei
der erstmaligen Buße nach der Taufe) „vergebens", d.h. ohne Nachhalt
, war.

München. Hugo Koch.

The Monasteries of the Wadi'n Natrün. Part I: New Coptic
texts from the Monastery of Saint Macarius. Ed. with an Intro-
ductiou on the Library at the Monastery of Saint Macarius by Hugh
O. Evelyn White. With an Appendix on a Copto-Arabic ms. by
O. P. O. Sobhy. New York: The Metropolitan Museum of Art
1926. (X, VIII u. 299 S. m. zahlr. Taf.) 2°.

The Monastery of Epiphanius at Thebes. Part I: The archaeo-
logical material by H. E. W inlock. The Literary material by
W. E. Crum. Part II: Coptic Ostraca and Papyri, ed. with trans-
lations and commentaries by W. E. Crum. Oreek Ostraca and
Papyri, ed. with translations and commentaries by H. O. Evelyn
White. Ebd. 1926. (XXVI, 276 u. XVI, 386 S. m. zahlr. Abb.
u. Taf.) 2°. = Egyptian Expedition Publication, Vol. II -IV.

Das Metropolitan Museum of Art in New York legt
in drei umfangreichen Bänden zwei Veröffentlichungen
vor, die in jeder Beziehung als musterhaft gelten können
. Sie haben nicht nur äußerlich einen monumentalen
Charakter, sondern bringen in ihrem Inhalte alles, was
der Forscher sich nur wünschen kann: Beschreibung der
einzelnen Stücke, Bearbeitung, Register, Tafeln. So erfahren
von hier aus die verschiedensten Arbeitsgebiete
reiche Förderung: Kirchen-, Kultur-, Kunstgeschichte;
die koptische Lexikographie und die noch so im Argen
liegende koptische Paläographie, usw.

L Über den Hauptinhalt des einen Bandes sagt
White im Eingange seiner Vorrede: The nucleus of the
texts here published or described comprises a selection
of the more important of the leaves and fragments
founü by me at the Monastery of Saint Macarius in the
Wadi'n Natrün in the course of archaeological investi-
gations carried out in 1920—1921 on behalf of the
Egyptian Expedition of The Metropolitan Museum of
Art. Schon die Einleitung ist für den Forscher lehrreich.
So viel ich sehe, wird hier das erste Mal auf Grund der
Quellen über das älteste mönchische Bibliothekswesen
gehandelt: man erkennt, daß die Bildungsbestrebungen
dieser Kreise jedenfalls in der ältesten Zeit nicht gar zu
groß waren. Dasselbe ist übrigens aus der Literatur
selbst zu erschließen, die sich im Makarioskloster erhielt
. Die koptischen Texte unseres Bandes bringen
Apokryphes aus der Umgebung des Alten und Neuen
Testaments, darunter auch Texte zu Ehren der Jungfrau
Maria, die sich natürlich in Ägypten besonders begeisterter
Verehrer erfreute; ferner Martyrien und
Mönchsschriften im engeren Sinne des Wortes, vor
allem über den hl. Makarios (aber auch Besas Lebensbeschreibung
des Apa Schemde ist vertreten); dann
Übersetzungen aus griechischen Kirchenvätern wie Johannes
Chrysostomos, Gregor von Nyssa, Severian von
Gabala; selbstverständlich auch liturgische und biblische
Stücke (für das koptische Alte Testament, das eines
Tages herausgegeben werden muß, werden wieder einige
Bausteine herzugetragen). Der Sprachforscher
nimmt wohl den stärksten Anteil an einem arabischen
Texte in koptischer Schrift, der für Aussprachefragen
wichtig ist. Um ein Beispiel zu geben, was Theologen
lernen können, mache ich auf eine Einzelheit aufmerksam
. Ein bohairischer Text setzt voraus, daß bei der
Verkündigung der heilige Geist durch den Mund in
Maria eintrat. Der Herausgeber bemerkt dazu: in a
Sahidic-fragment (Robinson, Copt. Apocr. Gospels, pp.
18 f.) it is stated that the Virgin conceived „by the
hearing of her ears". Es könnte auch an das bekannte
Würzburger Relief von der Verkündigung (aus der Endzeit
des Mittelalters) erinnert werden: eine Art Schlauch
führt vom Munde Gott-Vaters zum Ohre der Maria.
Nach dem koptischen Befunde scheint es völlig unnötig,
die spätchinesische Darstellung vom Traume der Maya
zur Erklärung des Reliefs heranzuziehen (hier reitet
das Buddhakind auf einem kleinen Elephanten in einer
Art Schlauch in den Kopf der Maya ein).

II. Die zweite Veröffentlichung des Museums behandelt
, in zwei starken Bänden, das Epiphanioskloster
bei Theben. Hier herrscht besondere Vielseitigkeit. Auf
Grund der Ausgrabungen und der Texte wird ein Bild
frühmittelalterlicher ägyptischer Kultur geboten, wie es
reicher und bunter nicht möglich ist. Wieder gewinnen
wir den Eindruck außerordentlicher Einfachheit: sie mag
nicht nur mit den asketischen Idealen des Mönchtums,
sondern auch mit den Schwierigkeiten des Grenzlandes
zusammenhängen. Auch in diesem Falle wird der Theologe
vor allem an den Texten Anteil nehmen. Sie erinnern
in vielem an das Material, das die sketische
Wüste lieferte: nur spielt Unliterarisches bei den oberägyptischen
Funden, koptischen wie griechischen, eine
große Rolle. Auch hier begegnen uns biblische, liturgische
, patristische Texte; z. B. ein saidisches Stück
Athanasios, zu dem die griechische Urschrift fehlt (das
betr. Kalksteinostrakon ist leider recht verletzt); mehrfach
ist auch Apa Schenute auf den Ostraka vertreten
(ein Schenuteostrakon besitzt übrigens auch das Berliner
Ägyptische Museum). Daneben nehmen aber un-
litcrarische Briefe u. dgl. einen breiten Raum ein. Auch
hier sei, beispielshalber, auf eine lehrreiche Einzelheit aufmerksam
gemacht. Einige Stücke werden von den Herausgebern
mit Recht als school pieces bezeichnet: es sind
Schularbeiten oder irgendwelche schülerhafte Aufzeichnungen
: sie gestatten also, mit gebührender Vorsicht, einen
Rückschluß auf den Klosterunterricht. Auf einem
Kalksteinostrakon lesen wir z. B.: i.ii]viv aeide Ozor 7tr-
Irjiad ecü. Homer ist also noch in dieser, verhältnismäßig
späten Klosterschule bekannt gewesen und gelesen
worden, am Rande der griechischen Welt, mitten
unter einer barbarischen Bevölkerung. Noch lehrreicher
ist es, wieder auf Kalkstein, eine Sammlung von Menan-
drosversen allgemeinen Inhalts zu finden, ebenfalls im
griechischen Urtexte, wenngleich nicht in bester Rechtschreibung
. Die Sammlung scheint sogar einige bisher
unbekannte Menandrostexte zu enthalten. Der Theologe
erinnert sich sofort an 1. Kor. 15, 33 und wird nun
doppelt zurückhaltend sein, wenn es gilt, von hier aus einen
Schluß auf Paulus' griechische Bildung zu machen.

Möge die Riesenarbeit, die die Herausgeber leisteten
, von recht vielen dankbaren Benutzern weitergeführt
werden!

Leipzig. Johannes Lei pol dt.