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Ausgabe:

1928 Nr. 19

Spalte:

445-446

Autor/Hrsg.:

Greydanus, S.

Titel/Untertitel:

De Openbaring des Heeren aan Johannes 1928

Rezensent:

Windisch, Hans

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445

Theologische Literaturzeitung 1928 Nr. 19.

446

ständnis der Hauptprimatstelle in der Weise verwertet
werden dürfen, wie G. es tut, ist eine Frage für sich.
Der Aufbau des Buches schon zeigt ja, daß die Zustimmung
zu dieser Verwertung und zu dem Gesamtergebnis
abhängig ist auch von der Zustimmung zu der vorangehenden
Erörterung über die Unvereinbarkeit der Hauptprimatstelle
mit der ältesten Tradition. Und mir scheint,
daß G. in diesen Abschnitten, in denen er vorwiegend
ältere Argumentationen abwägt, weniger überzeugend
wirkt. Die Stärke des Buches liegt m. E. mehr im Positiven
als im Negativen.

Ooetz sieht die Einheitlichkeit und die gleichzeitige Entstehung
des ganzen Komplexes Mt. 16, 17—19 als ziemlich selbstverständlich
an. Ob mit Recht? Es könnte doch sein, daß diese Stelle einer
Situation wie der in Teil I § 5 genannten nur Umgestaltung oder
Erweiterung verdankt, daß sie damals die kanonisch gewordene Form
erhielt, ohne daß ihr Grundstock gerade erst damals entstanden wäre.
Sobald man einzelne Teile, namentlich den Schluß, hypothetisch wegläßt
und mit einem ursprünglichen kürzeren Logion rechnet, verschwindet
ja die organisatorische Zuspitzung und damit verliert G.s
Hauptargument gegen K. L. Schmidt (s. o.) seine Kraft. Das Logion
steht dann innerhalb der Kirchenaussagen des N.T. eben nicht mehr
so isoliert. — Der Anlaß, aus dem die alte Petrus-Ostergeschichte in
das Leben Jesu zurückdatiert und zu einer Verklärungsgeschichte gemacht
wurde, ist für G. vor allem ihre Beglaubigung durch nur
eine einzige Person statt durch zweier oder dreier Zeugen Mund. Aber
weshalb hätte man diesem Mangel nicht einfach durch die Einfügung
der beiden Zebedaiden gleich in die Ostergeschichte abhelfen sollen?
Diese Einfügung war doch bei der Ostergeschichte nicht schwerer, als
bei der Verklärungsgeschichte, bei der sie ja nach G. selbst schließlich
doch vorgenommen worden ist! Ohne Rätsel bleibt also der
Vorrang des Petrus auch bei Goetz nicht. Es fragt sich, welches
Rätsel man lieber in den Kauf nehmen will, dieses, das Goetz übrig
läßt, oder das eines alten, den Petrus auszeichnenden Herrenwortes,
das K. L. Schmidt hinzunehmen bereit ist. — Sollte nicht ein solches
Herrenwort, ein solcher Grundstock der Primatstelle von Anfang an
in den Rahmen der Perikope vom Petrusbekenntnis hineingehört
haben? Wenn diese Perikope als Einzelgeschichte in der christlichen
Gemeinde erzählt wurde, dann muß sie irgendwie in einen vollen
Akkord des christlichen Messiasglaubens ausgeklungen sein. Diese
Behauptung läßt sich zwar nicht exakt beweisen, aber sie ist doch
auch keine „psychologisierende petitio prineipii" (K. L. Schmidt), sie
ist ein aus unseren Vorstellungen von der urchristlichen erbaulichen
Geschichtserzählung erwachsendes Postulat. Der einzige alte Bericht,
der diesem Postulat entspricht, ist der des Matthäusevangeliums. Darum
sollte ich denken, daß Bultmann mit vollem Recht hier nach dem
ursprünglichen Schluß der Geschichte sucht, daß jedenfalls die alte
These von einer evidenten Priorität des Mk. hier nicht ins Treffen
geführt werden darf.

Daß die frühere Einmütigkeit der kritischen Theologie
im Urteil über Mt. 16, 18 f. so bald wiederkehren
wird, glaube ich nicht, aber eine beträchtliche
Klärung und Förderung der Debatte ist durch das vorliegende
Buch auf jeden Fall erreicht worden.

Greifswald. Otto Bauernfeind.

Oreydanus, S.: De Openbaring des Heeren aan Johannes.

Amsterdam: H. A. v. Bonenburg 1925. (XXIV, 448 S.) gr. 8». =
Kommentaar op het N.T. XIV. 9 Fl. 75 c.

Dieser Kommentar geht von der Überzeugung aus,
daß das Selbstzeugnis des Johannes in der Apok.
„Wahrheit" ist, d. h. daß das Buch nach Inhalt und
Wortlaut göttliche Offenbarung enthält. Der Verf. kennt
nur die Alternative: Wahrheit oder Lüge (!), Offenbarung
oder menschliche Phantasie. Diese Voraussetzung
bestimmt die ganze Beurteilung des Buches
selbst und seiner Probleme, ebenso die Auslegung, d. h.
es gibt schließlich überhaupt keine Probleme. Der Verf.
weiß manche moderne Hypothese treffend zu widerlegen
(er beschäftigt sich namentlich mit Charles); im
Ganzen ist seine Ablehnung der modernen Kritik eben
von jener Voraussetzung aus gegeben.

In der Auslegung werden drei Teile unterschieden:
des Herren Erscheinung an Johannes 1,1—20; die 7
Briefe 2, 1—3,22 und Gottes Ratschluß über die Geschichte
von Welt und Kirche 4,1—22,5. Der Verf. verwirft
die (durch den Text m. E. unbedingt gebotene)
Ansicht, daß die Reihenfolge der Beschreibung der verschiedenen
Ereignisse chronologisch zu denken sei. In

[ jedem Abschnitt wird die Geschichte von Welt und Kirche
im ganzen Umfang geschildert, nur nach verschiedenen
! Gesichtspunkten; man soll die Geschichte weder auf die
, nächste Zukunft des Sehers, noch auf die letzte Periode
der Weltgeschichte beschränken; man soll aber auch
[ keine Berechnungen anstellen, welch Stück der Offen-
I barung schon voll verwirklicht ist und was davon noch
i auf Realisierung wartet. Man fragt sich bei solcher
| Auffassung natürlich sofort, welchen Sinn dann eigentlich
die ganze „Offenbarung" hat.

Das Prinzip erweist sich vor allem darin, daß jede
ausschließliche Beziehung auf das römische Weltreich
oder gar auf römische Kaiser abgelehnt wird. Das
Weltreich umfaßt alle irdischen Weltreiche, einschließlich
Papstherrschaft und germanisches Kaisertum. Das
Tier ist zuletzt der Antichrist, eine rein künftige und
für uns noch verhüllte Größe, daher von seiner Zahl
666 zur Zeit nur zu sagen ist, daß sie die Vollheit der
ganzen Welt darstellt (3 mal 6; 3 = Vollheit, 6 =
i Schöpfung, Sechstagewerk). Das zweite Tier ist die
falsche Prophetie und die fälschlich sogenannte Wissenschaft
! Die Hurenstadt (17 f.) ist Babel, Rom und die
Hauptstadt des künftigen Weltreichs des Antichrist, ob-
schon die 7 Hügel 18,9 auf Rom zu beziehen sind.
Die 7 Könige sind 7 Weltreiche (das 6. das römische,
das 7. das des Antichrist).

Die Einzelexegese ist in grammatischer Hinsicht solide. Auf die
Sache gesehen, ist sie durch den Kanon und durch den Gedanken der
Inspiration bestimmt. Von religionsgeschichtlicher Erklärung will der
Vf. nichts wissen.

So ist der Krystallsee im Himmel 4, 6 eine Anspielung auf das
„waschvat" im Tempel 1. Kön. 7,23, und er bedeutet die Reinigung
durch das Blut des Herrn: haben wir diese Erklärung, dann
brauchen wir natürlich für den Ursprung des Bildes nicht zu jüdischen
Pseudcpigraphen zu gehen. Als ob es sich hier bloß um die
Benutzung von „Pseudepigraphen" handelte und nicht vielmehr um die
Uranographie des Apokalyptikers, die zu erklären ist. Die Widerlegung
der mythologischen Auslegung macht sich der Verf. bisweilen
etwas leicht, so z. B. Kap. 12, 1 ff., wo er nur erklärt, daß die Verarbeitung
eines Sonnenmythus keinerlei Stützen habe.

Für den Verf. ist alles Symbol; selbst die vier Tiere
Kap. 4 sind symbolische Gestalten. Ich weiß nicht, ob das alte reformierte
Tradition ist. Sonst steht zu befürchten, daß Prof. Oreydanus,
der an der Theologischen Schule zu Kämpen das N.T. doziert, noch
einmal wegen Leugnung der realistischen Art der Offb. von einem
Bruder Marinus vor das strenge Gericht der Assener Synode zitiert
wird. Denn was für Gen. 3 recht ist, ist m. E. auch für Ez. 1 und
Offb. 4 billig; wenn lobsingende Tiere in der Offb. nur Symbol
sind, warum soll dann Dr. Geelkerken nicht auch in der „sprechenden
Schlange" Gen. 3 Symbol sehen dürfen.

Die symbolistische Auslegung wird dann vor allem auch auf
die realistischen Profetien in K. 11 ff. angewandt. Nicht nur der
Tempel 11, 2 f. ist die Kirche, auch die zwei Zeugen repräsentieren
alle wahren Amtsträger und Diener der Kirche und ihr Schicksal, und
die Frist von 3t/2, die in diesen Kap. eine Rolle spielt, bezeichnet den
ganzen Umfang unserer christlichen Jahrzählung bis zum jüngsten Tag.
Eigentliche Gründe für diese den Sinn der Schrift vergewaltigende
Exegese werden nicht gegeben. Ganz gegen den Wortlaut wird weiter
die Entrückung des Christus k i n d e s 12,5 auf Heilstod (1), Paradiesfahrt
(Luc. 23, 43!) und Himmelfahrt bezogen. Gegen den Wortlaut
, aber alter Exegese folgend, nimmt der Verf. auch die 1000
Jahre währende Bindung des Satan nicht streng: der Satan kann
noch einwirken, und die 1000 Jahre sind nur Symbol, d. h. das 1000-
jährige Reich kann etwa mit Konstantin eingesetzt haben.

Die Auffassung von Gr. berührt sich in manchem
mit der von Th. Zahn; merkwürdig, daß er dessen
Kommentar, soweit ich gesehen habe, nirgends nennt.
Von Gesinnungsgenossen zitiert er häufiger nur Kliefoth.
Sonst setzt er sich vor allem mit Charles auseinander.

Der Kommentar repräsentiert, alles in allem genom-
| men, die Apokalypsenexegese der heutigen reformierten
Theologie. Hierin vor allem liegt sein Wert.

Der Druck ist sehr korrekt, auch in den griechischen
Worten. Seite XXI M. lies: Allo.

Leiden. h. Windisch.

Pallis, Alex: Notes on St. John and the Apocalypse. Oxford-

University Press. (IV, 56 S.) gr. 8°. 3 sh_'

Dieses Buch enthält außer einigen wenigen kommentierenden
Bemerkungen lauter Konjekturen, verfolgt