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Ausgabe:

1928 Nr. 19

Spalte:

442-443

Autor/Hrsg.:

Albeck, Chanoch

Titel/Untertitel:

Untersuchungen über die halakischen Midraschim 1928

Rezensent:

Sander, Reinhold

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Theologische Literaturzeitung 1928 Nr. 19.

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Schriften und Erzählungen, wie vor allem die vollständig
erhaltene von den beiden Brüdern und die vom verwunschenen
Prinzen, deren Schluß verloren gegangen
ist. Im Anschluß an Ebers schreibt der Verf. letzterer
ein günstiges Ende zu, da „Geschichten dieser Art unter
allen Umständen gut ausgehen". Hier hat jedoch unter
ausführlicher Wiedergabe der Ebers'schen Ergänzung
bereits Maspero (Contes populaires S. 207) auf Grund
einer längeren, leicht zu vermehrenden Reihe von Belegen
gezeigt, daß nach orientalischer Anschauung das
Geschick sich nicht beugen läßt. Höchstens durch übermächtigen
Zauber, der hier nicht in Frage kommt, ist
dies möglich. Aus der Spätzeit werden die mit den sog.
Sprüchen Salomonis verwandten Lehren des Amen-em-
apt, mehrere demotische Erzählungen und der Mythus
vom Sonnenauge besprochen.

Als Ganzes steht die Beurteilung der ägyptischen
literarischen Leistungen und ihres Wertes durch Pieper
im Gegensatze zu der in den letzten Jahrzehnten beliebten
, wenn auch tatsächlich wenig berechtigten Tiefstellung
des ägyptischen Volkes. Dabei geht er freilich
in seinem günstigen Urteile gelegentlich sehr weit.
So werden ihm beispielsweise kaum viele folgen, wenn
er meint, der Verfasser des Lebensmüden sei genial, eine
mächtige Persönlichkeit, ein außerordentlicher Geist gewesen
; oder, man glaube in der sog. Hirtengeschichte
„etwas zu atmen von der schwülen Mittagsluft, die über
den ägyptischen Papyrus ebenso lastete, wie über den
Kanälen des Spreewaldes".

Störend werden für manche Leser die nicht seltenen
Druckfehler in Eigennamen sein (z. B. S. 31. Sint,
34. Huchleapolis, 82. Hetheren, 92. Kroll, 97. Apoptis-
schlange, 98. Westen für Westcar). Im satyrischen Papyrus
zu Turin sitzt das Nilpferd nicht in einem Speicher
(S. 84), sondern steht in den Zweigen eines Baumes
. Die 29 Textillustrationen und die 4 Tafeln geben
plastische Kunstwerke, Reliefs, Zeichnungen, Schriftproben
in technisch sehr guter Weise wieder, zu den Ausführungen
im Buche selbst stehn sie teilweise in sehr
lockerem Zusammenhang.
Bonn. A. Wiedeniann.

Thomsen, Peter: Die Palästina-Literatur. Eine internat.
Biographie in systemat. Ordnung mit Autoren- u. Sachreg. Unter
Mitwirkg. von J. de Qroot, A. Gustavs, Sam. Klein,
Chr. O. Thomsen u. Will. Zeitlin bearb. u. mit Unter-
stützg. d. Notgemeinsch. der Deutschen Wissensch, u. d. Deutschen
Vereins z. Erforschung Palästinas hrsg. 4. Bd.: Die Literatur d.
Jahre 1915—1924. Leipzig: J. C. Hinrichs 1927. (XX, 755 S.)
er. 8°. RM 3°—1 geb- 42~•

Von der unentbehrlichen Bibliographie Palästinas
endlich der sehnlichst erwartete neue Band, zehn Jahre
umfassend, bis zum Jahre 1924 reichend. Allgemeines,
Geschichte, Archäologie, Historische Geographie und
Topographie, Geographie und das heutige Palästina
in der Vielseitigkeit seiner Erscheinungen sind darin
behandelt mit wahrhaft erstaunlicher Beherrschung
des vielsprachigen Materials, dessen weite Ausdehnung
außer den biblischen Theologen dem Kirchenhistoriker
, dem Profanhistoriker, dem Archäologen,
dem Arabisten, dem Rabbinisten, dem Geographen und
Volkswirtschaftler willkommene Belehrung bietet. Der
Verfasser hat eine Teilung in allzu kleine Gruppen wohl
nicht für durchführbar gehalten. Im geschichtlichen Teil
erscheint unter „Alte Zeit, Allgemeines" auch Ethnologisches
, unter „Jüdische Geschichte, Darstellungen"
u. A. talmudisches Recht. Der Benutzer wird also gut
tun, über die Art der Stoffverteilung völlig klar zu werden
. Daß Springer's Handbuch der Kunstgeschichte,
Dubnow's Neueste Geschichte des jüd. Volks, Gold-
ziher's Mohammed und Islam, Bergsträßer's Hebräische
Grammatik und manches Andere aufgenommen wurden,
kann überflüssig erscheinen, mag aber doch den, der
sich mit Palästina beschäftigt, an die großen Zusammenhänge
erinnern, in denen das Palästinische steht. Immerhin
wird überlegt werden müssen, ob eine so weite Ausdehnung
des Bereiches, welche Aufnahme der ganzen
exegetischen, geschichtlichen und archäologischen Literatur
für die Bibel fordern würde, dem Zweck entspricht,
und ob sie nicht diese Bibliographie zu kostspielig macht.
Dankbar wird der Benutzer auch sein für die vom
Herausgeber eingeschalteten kurzen Bemerkungen, welche
über den Inhalt der zitierten Arbeit orientieren. Ein
Anhang über Handschriftliches, Nachträge zu diesem
Band und zu Band III sowie das unentbehrliche Register
und das Verzeichnis der Bibliotheken und Handschriften
, die erwähnt wurden, bilden den Schluß der
ebenso sorgsamen wie selbstlosen Arbeit des Verfassers.
Greifswald. Qustaf Dalman.

Alb eck, Chanoch: Untersuchungen über die halakischen
Midraschim. Berlin : Akademie-Verlag 1927. (X, 163 S.) gr. 8°. =
Veröffentlichungen d. Akad. f. d. Wissensch, d. Judentums. Talmudische
Sektion, Bd. 3. RM 5 -; geb. 6 — .
Seit D. Hoffmann (Zur Einleit. in die halakischen
Midraschim 1887) pflegt die Forschung (vgl. Horovitz's
Einleitung zu Sifre Num. und Strack: Einleitung 5.
Aufl.) Mekilta und Sifre Num. ihrem Grundstock nach
— das Vorliegen von Stoffen anderer Herkunft wird
zugegeben — der Schule Ismaels, Sifra und Sifre

i Dt. der des Akiba zuzuschreiben. Zur Begründung wird

J gesagt, daß die terminologische Verschiedenheit dieser

; Midraschimgruppen nur herrühren könne von einer verschiedenartigen
, ausgeprägten Terminologie beider Schulen
und daß durch den pT belegte grundsätzliche Unterschiede
' ihrer Auslegungsmethode in unseren Midraschim
wiederkehren. Noch in tannaitischer Zeit hat man sich
so die wesentlichen Teile der Midraschim als literarische
Gebilde gestaltet zu denken, wenngleich sie — abgesehen
von Sifra — in ihre heutige Form erst im 4.—5.
Jahrh. gebracht wurden, wie das Vorkommen amorä-
ischer Autoren zeigt.

Dieses Bild von der Entstehung und Eigenart der
Midraschim erfährt nun durch Albecks Buch eine erhebliche
Korrektur, zugleich aber auch eine wirkliche Bereicherung
und Verschärfung. Denn durch gründliche
Einzeluntersuchungen über die Beziehungen der Midraschim
zueinander und zu entsprechenden Talmudpartien
gelingt es, genauer als bisher verschiedene ineinanderge-
arbeitete Schichten und Quellen zu sondern, gemeinsame
Partien, aber auch gemeinsame Urformen halaki-

1 scher Exegese, spätere Differenzierungen, ja, die Gesetze

: der Weiterbildung des vorhandenen Gutes und zugleich
den starken Anteil der Redaktion an der heutigen Gestalt
aufzuzeigen.

Näher ausgeführt: In den zu jeder gleichlautenden
Bibelstelle typisch wiederkehrenden Erklärungen
oder einfachen Deutungen eines Wortes sind dann, wenn
sie überall und formal - sachlich (oder auch nur
sachlich) gleich sind, noch die Urzellen der hala-

j kischen Exegese, jedoch dann, wenn sie nur für bestimmte
Midraschimgruppen (Mek., Sifre Num. — Sifra,

, Sifre Dt.) sachlich (und formal) gleich sind, erste
Differenzierungen bezw. verschiedene Quellen zu erkennen
. Für gemeinsame Quellen sprechen auch die

| vielen parallelen Baraitot selbst verschiedenartiger Midraschim
; jedoch führt ihre oft abweichende Form auf

I mannigfache Wanderung und Umgestaltung der Stoffe.
Wie stark und durchgehend dieser Umgestaltungsprozeß

; zu denken ist, zeigt die — für die Entwicklung der

i Exegese und das Anwachsen des Gutes — kennzeichnende
Beobachtung, daß in demselben Midrasch Worterklärungen
, einfache Deutungen sowie Baraitot auf
gleich- und v e r sc h i ed e n lautende (aber sachlich
ähnliche) Stellen übertragen und ihrem neuen Zusam-

; menhang angepaßt werden. Dieses von der Bibelerklärung
ausgehende Verfahren ist natürlich dem talmudischen
, das mit jedem Schriftwort eine besondere Ha-

; laka stützen möchte, ganz entgegengesetzt.

Die schon festgestellte, auch aus der Ähnlichkeit ihrer gemeinsamen
Baraitot zu erschließende Zusammengehörigkeit gewisser