Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1928 Nr. 18

Spalte:

426-427

Autor/Hrsg.:

Karutz, Richard

Titel/Untertitel:

Maria im fernen Osten. Das Problem der Kuan Yin 1928

Rezensent:

Haas, Hans

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

425

Theologische Literaturzeitung 1928 Nr. 18.

426

97—107) spricht Vezzani von den Wegen zur sittlichen Charakterbildung
, der „Psychagogie" und ihren verschiedenen Stufen und
Zielen, der Kunst der „Selbstbesserung". — S. 108—129 handelt
Niccoli über „Manichäismus, Kaiserreich und Christentum": in vielfach
überraschenden, manchmal, wie er selber fühlt, gewagten, immer
aber geistreichen und scharfsinnigen Ausführungen legt er dar, wie
der Manichäismus seit dem 4. Jahrhundert bei aller äußeren Niederlage
gegenüber der kaiserlichen Gesetzgebung sich mehr und mehr in das
siegreiche Christentum einschob und dort dieselben Bewegungen und
dieselben Fragen weckte und zur Lösung brachte, die seinerzeit durch
die religiöse Erfahrung Manis ihn selbst ins Leben gerufen hatten:
den Asketismus (im Mönchtum), die Überhriickung des Abstandes
zwischen Gott und Welt unter Wahrung der absoluten Einheit des
göttlichen Urgnmdes (Christologie und Trinität), den anthropologischen
Dualismus (die Onadenlehre Augustins). Im ersten und im dritten
Punkt treten die Ähnlichkeiten deutlicher zu Tage als im zweiten.
Aber auch hier sind sie in der Beleuchtung durch U. zu erkennen. —
S. 145—154 untersucht Ja sink unter dem Titel „Das menschliche
Ich" die Art der Beziehungen zwischen dem Ich und dem
Nicht-Ich, die allen Betrachtungen über das Leben, auch über ein
Leben in Gott oder ein ewiges Leben zu Grunde liegen. — S. 154 bis
158 spricht Castiglione vom Entwicklungsgange des 1821 in
Genf geborenen und 1881 ebenda gestorbenen Philosophen Amiel
und dem Einfluß seines Aufenthalts in Berlin. — S. 193—197 beantwortet
O. Ewald (Wien) die Frage „Was ist Religion?"
dahin: sie ist ihrem Wesen nach Leben, und er unterscheidet sie damit
von aller Theologie, Theosophie und Moral. — A. Donini wendet
sich in seinem Aufsatz „Heidentum und Christentum" (S. 198
bis 204) gegen die Anschauung Brebbers, daß in den ersten Jahrhunderten
die Entwicklung des philosophischen Gedankens durch das
Auftreten des Christentums nicht sehr beeinflußt gewesen sei und es
eine christliche Philosophie gar nicht gegeben habe. Ich habe aber
den Eindruck, daß D. etwas an Br. vorbei redet, da dieser ja wohl
nur sagen will, daß das Christentum, als es über seinen geistigen
Besitz nachzudenken anfing, Fragestellung und Methode von der
griechischen Philosophie herübernahm. Der eschatologischc Gedanke
airer (S. 203) schloß eine Ablehnung der augenblicklichen Gesellschaftsordnung
in globo in sich und gestattete eben deshalb, sich mit
ihr im einzelnen abzufinden; auch entsprang er nicht sozialphilosophischen
Erwägungen, sondern einer religiösen ElWartung. Ebenso
hatte die Verweigerung des Kaiserkultes lediglich einen religiösen
Grund. — S. 205—209 spricht Ferrari vom „Fröhlichen
Christentum" im Hinblick auf Franz von Assisi und einem jüngst
ersebienenen Drama von Guido Manacorda, „Paolo di Tarso", einem
Gegenstück und Gegensatz zu Werfcls „Paulus unter den Juden".
— S. 241—253 handelt Puglisi vom „Heiligen" in der Auffassung
der Religionen und Rcligionsphilosophen mit besonderer Bezugnahme
auf das Buch Rudolf Ottos. — Jasink gibt S. 253—263
einen Begriff vom „Gebet im ältesten Buddhismus" in seinem
Zusammenhang mit den buddhistischen Grundgedanken und seinem
Wesensmerkmalen. — Außer den von uns herausgehobenen Aufsätzen
finden sich in der Zeitschrift noch viele kleinere Bemerkungen, Berichte
über Versammlungen, Besprechungen über einschlägige Neuerscheinungen
aus den verschiedensten Ländern. Auch das deutsche
Schrifttum ist sorgfältig beachtet und gewürdigt.

München. _<_Hugo Koch.

Studl e Material! di Storia delle religioni pubblicati da
C Form ich! R. Pettazzon i, G. Tucci. Anno 1—3. Roma:
Anonima Romana Editoriale 1925-27. (304, 306 u. 283 S.) 120 L.

Der verdiente Professor der Religionsgeschichte
an der Universität Rom, R. Pettazzoni, dessen letzte
selbständige Arbeit: I misteri hier im Jg. 1924 Sp. 409 ff.
angezeigt wurde, gibt seit 1925 mit zwei andern italienischen
Gelehrten auch eine internationale religionsgeschichtliche
Zeitschrift heraus, von der bisher 3 Bände
vorliegen. Da sie hier noch nicht besprochen worden
sind, sei im Folgenden wenigstens auf die wichtigsten
in ihnen veröffentlichten Arbeiten kurz hingewiesen.

Dem Titel der Zeitschrift entsprechend enthält sie außer Berichten
, Besprechungen und Bemerkungen, die alle meist Pettazzoni
beigesteuert hat, auf die ich aber hier nicht eingehen kann, einmal
Übersetzungen von Texten — so eine solche des mahayanistischen
Catacastra von Tucci (1, 66ff. 161 ff ) und eine solche des mono-
physitischen Handbuchs des Jakob von Edessa (262ff.), sowie der
Schrift des Nestorianers Johannes bar Zobi über den Unterschied
zwischen Natur und Hypostase und zwischen Person und Wesen
von Furlani (2, 230 ff.). Von den „Studien" bezieht sich die (deutsch
geschriebene Abhandlung von van der Leeuw über einige neuere
Ergebnisse der psychologischen Forschung und ihre Anwendung auf
die Geschichte, insonderheit die Religionsgeschichte (2, 1 ff.) auf die
Bedeutung der subjektivistischen Psychologie, die keine Erscheinungen
sich gegenüber sieht, sondern sie in sich erlebt, für die letzteren

Wissenschaften. Diese Bedeutung besteht nach v. d. L. darin, daß
sich der Historiker einfühlt, dadurch verständliche Zusammenhänge
herstellt und sie zu einem Idealtypus zusammenfaßt, der der Wirklichkeit
als Norm gegenübersteht. „Wir können die Aufgabe von
Psychologie und Geschichtswissenschaft am besten charakterisieren
I als einen Versuch, durch idealtypische Normerlebnisse dem ursprünglichen
, jetzt auf ewig toten, von der messenden und zählenden
Wissenschaft mit Notwendigkeit ermordeten Urerlebnis näher zu
kommen." Auch die Vorteile und Nachteile oder richtiger Gefahren
dieser Methode werden behandelt und sie selbst schließlich an einigen
j Beispielen aus der Religionsgeschichte veranschaulicht. Von den geschichtlichen
Abhandlungen sind dann am zahlreichsten diejenigen,
die die primitive Religion betreffen. Pettazzoni selbst hat das Sün-
| denbekenntnis bei den Eingeborenen Afrikas und Amerikas (2, 44 ff.

163ff.), sowie auch im alten Indien, in Japan und China (3, 55ff.
! 157 ff. 179 ff.), Unvala, um das ebenfalls gleich hier hinzuzu-
| fügen, im Parsismus (2, 85 ff.) untersucht, Dangel (in deutscher
Sprache) den Schöpferglauben der Nordcentralcalifornier (3, 31 ff.)
! und Trombetti, wie schon an andern Stellen, Ursprung und Verbreitung
des Namens Puluga, wie der Schöpfer auf den Anda-
i manen heißt (3, 137 ff.). Seine Theorie ist freilich wohl ziemlich
j problematisch, um so einleuchtender ist der Nachweis von Dangel,
i daß die Nordcentralcalifornier, so können wir es am einfachsten ausdrücken
, nur einen Urheber, kein eigentliches höchstes Wesen an-
I nehmen. Übrigens ist sein Artikel nur ein Auszug aus dem Vortrag
über die Schöpfcrgestalt Nordccntralcaliforniens, den er auf dem 22.
Amerikanistenkongreß in Rom gehalten hat und der in dessen Akten
! erschienen ist, während Pcttazzonis Arbeiten über das Sündenbekenntnis
durch den Vortrag: Recherches historico-religieuses Sur la confession
j des peches ergänzt wird, den er auf dem vorjährigen Kongreß für
I Geschichte des Christentums in Paris gehalten hat und der ebenfalls
in dessen Akten erscheinen soll. Weitere Artikel beziehen sich auf
das Nachwirken primitiver Gebräuche bei Kulturvölkern, so ein Artikel
wieder von Pcttazoni über die grave mora, d. h. den schweren
j Haufen, der nach Dante, Purg. 3, 127 ff. i. J. 1266 auf die Leiche
I des Königs Manfred geworfen wurde (1,1 ff.), ein weiterer von
j Battaglia über das Fortleben des Rhombus oder Schwirrholzes, wie
es Pettazzoni (Lares 1912, 63ff.) auch sonst in Italien schon nach-
i gewiesen hatte, in den venetischen Provinzen (190ff.), und ein solcher
j von Leicht über Spuren des Heidentums (genauer der Baum- und
j Quellenverehrung) bei den Slaven am Isonzo im 14. Jahrhundert
(1, 247ff.); auch in dem Artikel von Margherita Guarducci über
abergläubische Begräbnisgebräuche in einer Inschrift aus Keos und
' dem 5. Jahrhundert v. Chr. (2, 89ff.) handelt es sich um ältere
Gebräuche. Mit den außerbiblischen Religionen selbst haben es
j weiterhin zu tun die Arbeit von Furlani über tägliche Opfer in
Uruk (3, 198ff.), von K. P. Jain über Bezugnahmen auf den Jai-
nismus in der buddhistischen Literatur (lff.), von Pizzagalli über
j eine noch nicht herausgegebene jainistische Novellensammlung (2,
243 ff.), von Guarducci über den Mythus von Pandora (3, 14 ff.),
von Ferri über das Isis-Telesterion in Kyrene (233ff.) und die englisch
geschriebenen Aufsätze von Unvala über die religiöse Entwicklung
unter den Parsen namentlich im 19. Jahrhundert (1,251 ff.)
sowie das Moharramfest in Persien (3, 82ff.). Endlich auf die
biblischen Religionen beziehen sich der französisch geschriebene Artikel
von Edv. Lehmann über das Denken des Jahvisten (144ff.), das
als pietistisch bezeichnet wird, und derjenige von Cassuto über die
Vetus latina und die jüdischen Bibelübersetzungen im Mittelalter
(2, 145ff.), der wieder auf das Buch von Blondheim, Les parlers
| uded-romans et la Vetus Latina 1925 Bezug nimmt.

So enthalten die Studi e Materiali so wertvolle Arbeiten
, daß sie außerhalb Italiens stärker, als das wohl
bisher geschehen ist, beachtet werden sollten. Sie können
sich neben der Revue de l'histoire des religions und
! dem Archiv für Religionswissenschaft durchaus mit
Ehren sehen lassen.

Bonn. Carl Clemen.

Karutz, Prof. Dr. Richard: Maria im fernen Osten. Das Problem
der Kuan Yin. München: O. W. Barth 1925. (99 S. m. Abb.)

gr. 8°. = Schriften z. Völkerkunde. RM 5 —j geb. 6.50.

Die Nr. 1 einer neuen Schriftenreihe, die ihr Herausgeber, der
, Lübecker Ethnologe Richard Karutz, mit einer eigenen Arbeit eröffnet
. Sie trägt eine Widmung: Dem Gedächtnis Rudolf Steiner's.
| Er sollte das Zeichen sein, in dem der Autor siegen wollte, wo ein
, „relativistisches Gelehrtentum" erliegen muß. Aber: aus „geistes-
i wissenschaftlichem" d. h. anthroposophischem Erkennen heraus löst
! man selbstverständlich Probleme nicht wie das hier angegriffene, ja
j ohne Zweifel nicht wenig interessante, mit dem ich selbst mich schon
von länger her befasse. Die Ikonographie des Ostens wird nach wie
vor besser als bei Steiner-Jüngern doch wohl bei Archäologen, Historikern
und orientalischen Philologen aufgehoben sein. Wen denn der
| hier behandelte Gegenstand interessiert, der wird besser tun, zu