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Ausgabe:

1928 Nr. 18

Spalte:

421-422

Autor/Hrsg.:

Vuilleumier, Henri

Titel/Untertitel:

Histoire de l‘Eglise réformée du Pays de Vaud sous le régime Bernois. Tome I 1928

Rezensent:

Staehlin, Ernst

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Seite 1

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421

Theologische Literaturzeitung 1928 Nr. 18.

422

Rosenzweig, Franz: Die Schrift und Luther. Berlin:
L. Schneider 1926. (51 S.) gr. 8°. RM 1.50.

Eine feine, durchdachte, stilistisch wie inhaltlich
sorgsam abgetönte Abhandlung, wie man sie über dieses
Thema etwa im „Logos" zu lesen erwarten würde! Aber es
ist nicht leicht, sie zu charakterisieren. Es handelt sich
einmal um geistvolle Reflexionen über die Kunst des
Übersetzens, die Niemand kann und doch jeder übt, im
Anschluß an Schleiermachers Unterscheidung, den Leser
dem Schriftsteller entgegen zu bewegen oder den Schriftsteller
dem Leser; die eigentliche Frage ist dabei die, an
welchen Punkten des Werks der Leser, und an welchen
Punkten das Original „bewegt" wird. Luther kennt die
hier vorliegende Problematik, wenn er in der Sondervorrede
des „Deutschen Psalters", „dieser instruktivsten
all seiner Äußerungen zum Übersetzungsproblem", die
Regel aufstellt, „zuweilen die Worte steif zu behalten,
zuweilen allein den Sinn zu geben". Das Erstere geschieht
, wo für Luther das Gesagte heute lebendig ansprechendes
Gotteswort, lebendige Lehre, lebendiger
Trost ist, und die analogia fidei zeigte ihm, wo das der
Fall war — da sind wir mitten in E. Brunners Worttheologie
darin, an die manche Formulierung unmittelbar
erinnert. Sehr fein, aber auch in dieser Linie liegend,
wird das lebendige (Predigt-)Wort mit dem toten Wort
der Inspiration konfrontiert. Der Glaubensbegriff war
die bis ins einzelne formbestimmende Kraft der Luther-
schen Übersetzung; vom Glauben her muß die Bibel
wieder lebendig werden, und eine neue Übersetzung kann
nur Übersetzung eines neuen Glaubensausdrucks sein.
„Das Gespräch der Menschheit hat mit diesem Buch angehoben
; wann das Gespräch zu Ende sein wird, weiß
kein Mensch."

Zürich. W. Köhler.

Vuilleumier, Henri: Histoire de l'Eglise reformee du Pays
de Vaud sous le regime bernois. (In 4 BUn.) Tome premier:

L'äfje de la reforme. Avec le portrait de l'Author eil heliogravure
et quatre fac-similes hors-texte. Lausanne: Imprinierie la Concorde
1927. (XXV11, 781 S.) 4°. Bd. 14: 60 Fr.

Der 1925 verstorbene Henri Vuilleumier hatte von
1868 bis 1923 den alttestamentlichen Lehrstuhl an der
Lausanner Universität innegehabt. Neben seiner gründlichen
alttestamentlichen Arbeit hatte er sich aber seit
langer Zeit zugleich intensiv mit der Geschichte seiner
Heimatkirche befaßt und seit 1908 auch darüber gelesen
. Nun erscheint die Frucht dieser nebenamtlichen
Studien unter den Auspizien der Lausanner Universität
in vier gewaltigen Bänden als Geschichte der reformierten
Kirche des Waadtlandes bis zum Ende der
Berner Herrschaft, d. h. bis 1798. Das Manuskript war
im Wesentlichen druckfertig; die letzte Feile angelegt,
die neu hinzugekommene Literatur nachgetragen, die
Verantwortung für das Werk übernommen haben die
Lausanner Professoren und Dozenten Frank Olivier,
Charles Gilliard und Rene Guisan. Einstweilen liegt
der erste Band, der das Reformationszeitalter (—1572)
behandelt, vor.

Nachdem im l.Kap. die politischen, kirchlichen
und sittlichen Zustände am Vorabend der Reformation
behandelt sind, schildert Kap. 2 die Einwirkungen der
neuen Bewegung, die sich schon vor der eigentlichen
Eroberung durch Bern im Jahre 1536 spürbar gemacht
haben, vor allem durch Farels Tätigkeit. In Kap. 3 u. 4
werden sodann die grundlegenden Ereignisse geschildert
: die Eroberung durch Bern, die Lausanner Disputation
, der Erlaß der Reformationsmandate. Besonders
wichtig sind Kap. 5 u. 6; sie bieten einen umfassenden
Einblick in das innere Leben der werdenden evangelischen
Kirche: wir lernen die führenden Berner Politiker
und Theologen kennen, schauen in die Gemeindeverhältnisse
hinein, wohnen den Colloquien, Klassversammlungen
und Synoden bei, erhalten Aufschluß über das
liturgische Leben, über die Predigtweise, über den religiösen
Jugendunterricht, nehmen teil an den großen Anfängen
der Lausanner Akademie, werden in anschaulichster
Weise mit der literarischen Produktion der damaligen
Waadtländer Pfarrer bekannt gemacht. Kap. 7
behandelt die dogmatischen Streitigkeiten über Trinitäts-
lehre, Abendmahl und Prädestination, besonders eingehend
auch die Auseinandersetzung zwischen der
zwinglischen und calvinischen Kirchenverfassung. Endlich
schildert Kap. 8 das Zurücktreten der inneren Spannungen
vor den Ereignissen in Frankreich.

Diese kurze Inhaltsübersicht vermag nur einen ganz
dürftigen Eindruck von der Reichhaltigkeit des Werkes
und von der tiefschürfenden Forscherarbeit, die auf die
einzelnen Fragenkomplexe verwandt ist, zu verschaffen.
Es mag jedenfalls wenige evangelische Kirchen geben,
die eine so erschöpfende Darstellung ihrer Entstehungszeit
besitzen. Und über den Rahmen der Lokalhistorie
hinaus bietet Vuilleumier Beiträge zur Geschichte Calvins
und des französischen Protestantismus, an denen
auch die allgemeine Kirchenhistorie nicht vorbeigehen
kann; es hat schon nur einen eigenen Reiz, das Werk
des Genfer Reformators unter dem Gesichtswinkel der
Waadtländer Kirche zu sehen.

Die übrigen Bände sollen sobald als möglich nachfolgen
; wir erwarten sie mit größtem Interesse.
Basel. Emst Staehelin.

Jargensen, Dr. theol. Alfred Th.: Af Menighedsplejens histo-

rie i Danmark. Festskrift i Anledning af de samvirkende Menig-

hedsplejers 25 Aars Jubilaeum. Kobenliavn: O. Lohse 1927. (120 S.
m. Abb.) gr. 8».

Die Gemeindepflege (Menighedsplejen) in Kopenhagen
, d. h. die freiwillige, von der Kirche organisierte
Fürsorge für Arme, Kranke, Kinder und Alte, hat sich
seit dem Jahre 1876 so entwickelt, daß jeder Gemeindebezirk
seine eigne selbständige Gemeindepflege hat, alle
diese Gemeindepflegen sind doch durch eine gemeinsame
Institution, „de samvirkende Menighedsplejer" mit
einander verbunden. Ihr Leiter ist der auch in Deutschland
bekannte Dr. A. Th. Jorgensen, der in dieser Schrift
die . Entwickelung der Gemeindepflege beschreibt. Als
charakteristisch wird hervorgehoben 1. die Arbeit des
„Kopenhagener Kirchenfonds", um durch freiwillige
Mittel neue kleine Kirchen zu bauen, damit die großen
Kirchenbezirke geteilt werden konnten, 2. daß die Diakonisseninstitution
unter Deutschlands Einfluß sich mächtig
entwickelt hat, und 3. daß die kirchenfeindliche Bewegung
das Zusammenarbeiten mit den bürgerlichen
Institutionen nicht unmöglich gemacht hat.
Kopenhagen. Ed. Geismar.

Brewer, Clifton Hartwell: A History of Religious Education
in the Eplscopal Church to 1835. New Häven: Yale University

Press 1924. (XIII, 362 S.) gr. 8°. = Yale studies in the History
and Thcnry of Religions Education, II. 4 $.

Das sehr kostbar gedruckte Buch behandelt die
Geschichte der Sonntagsschule in der protestantisch-bischöflichen
Kirche Nordamerikas von den Anfängen
bis zum Jahre 1835, dem Jahre, in dem die Geschichte
dieser Zeit eine entscheidende Wendung genommen
hat. Diese Zeit ist wieder in drei Abschnitte zerlegt.
Der erste Teil bietet den kolonialen Hintergrund bis zur

1 Befreiung von England; hier werden die Anfänge der
Einwanderung und der Schulerziehung behandelt, wie

| von Anfang an diese Kirche sich für den Unterricht in
den Kolonien verantwortlich gefühlt hat. Im zweiten
Teil geht der Verfasser von 1776 bis 1815, in welcher
Zeit der besondere amerikanische Standpunkt ausgebildet

I sei. Es werden dabei die Schwierigkeiten in der Neubildung
, die Fortsetzung der katechetischen Methode, die
Heranbildung bodenständiger Pfarrer und Lehrer und

f die Organisationen und Mittel der Erziehung behandelt.

1 Die letzte Zeit, 1815—1835, nennt der Verfasser eine
Zeit der Entfaltung und erzählt von dem Entstehen der
vielen Sonntagsschulen, der Sonntagsschulunion, die
Entwicklung der theologischen Seminare, Colleges und