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Ausgabe:

1928 Nr. 18

Spalte:

415-418

Autor/Hrsg.:

Müller, Karl

Titel/Untertitel:

Kirchengeschichte. (In 2 Bdn.) Bd. I, 2. Lfg. 2., völlig neubearb. Aufl 1928

Rezensent:

Kohlmeyer, Ernst

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Theologische Literaturzeitung 1928 Nr. 18.

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liehen Stolzes ganz unvermittelt der religiösen Demut
gegenüber stehen, und man darf dieselben gar nicht so
künstlich wegerklären, wie Asting es tut. Das Hauptverdienst
der Abhandlung scheint mir deshalb darin zu
liegen, daß die beiden entgegengesetzten Gedankenreihen
herausgearbeitet sind; das ist aber auch sehr gut
getan.

Kopenhagen. Holger Mosbech.

Levy, Dir. Isidore: La legende de Pythagore de Grece en
Palestine. Paris: H. Champion 1927. (VII, 352 S.) gr. 8°. =
Bibliotheque de l'ecole des hautes etudes, fasc. 250.

Der Verf. sammelt im 1. Buche seiner gelehrten
Untersuchungen die in Schriftwerken des 3. und 4.
nachchristlichen Jahrhunderts erhaltenen Reste eines Py-
thagorasromans, der schon in hellenistischer Zeit entstanden
sein muß und in manchen Zügen den Einfluß
des Heraclides Ponticus erkennen läßt. Im zweiten
stellt er aus Bruchstücken des Heraclides eine Kaxäßaoig
des Pythagoras in die Unterwelt wieder her, die das
Vorbild war für die descensus ad inferos bei Lucian von
Samosata und bei Virgil und die auch mit der in einigen
Quellen berichteten wunderbaren Begebenheit in der
„Volksversammlung von Croton" im Zusammenhang
steht, wo Pythagoras Nachrichten aus der Unterwelt
bringt. Das dritte Buch zeigt den Einfluß der alexandri-
nischen Pythagoraslegende auf das „Leben des Moses"
bei Philo und Josephus in den Punkten, wo dieses über
das biblische Bild des Moses hinausgeht, ferner die Abhängigkeit
des Descensus Moysis ad inferos und verwandter
Erscheinungen der rabbinischen Literatur von
der Hadesfahrt des Pythagoras, und der demotischen
„Erzählung von Satmi Khamoi's" oder von Siosiris von
einer Form des Mosesromans, die einem dem herakli-
dischen nahestehenden Pythagorasroman nachgezeichnet
ist. Das vierte Buch stellt die Ergebnisse in ihren religionsgeschichtlichen
Zusammenhang hinein. Die Anleihen
des ägyptischen Judentums bei den im Laufe der
Zeit sich herausbildenden Lebensbeschreibungen des Pythagoras
sind nicht gelegentliche Erscheinungen oberflächlicher
Art, sondern offenbaren den tiefen Einfluß
des nach Pythagoras benannten Religionsgebäudes auf
das alexandrinische Judentum, den Pharisäismus seit
Herodes und das Essenertum. Ich bin nicht in der
Lage, den verschlungenen Pfaden dieser Untersuchungen
nachzugehen und ihre Ergebnisse im einzelnen nachzuprüfen
. Aber soviel ist zu sehen, daß sie auf einer hervorragenden
Kenntnis der Quellen und der Literatur,
auch der deutschen, beruhen, in ihrem Gange Vertrauen
erwecken und allgemeine Beachtung verdienen. Im fünften
Buche wird dann noch der Nachweis versucht, daß
das Leben des Pythagoras einen letzten Triumph feiere
im Leben Jesu der Evangelien, in dem sich die von ihm
beeinflußten Züge (Geburt des Gottmenschen, der
zwölfjährige Jesus, Predigt zu Capernaum und bei der
Ankunft in Judäa, Verwerfung Jesu zu Nazareth, Messiasgeheimnis
, Petrusbekenntnis, leeres Grab und Auferstehung
) abscheiden ließen von dem, was unter dem
Einfluß des AT.s stehe (Kindermord, Herabkunft des
Geistes bei der Taufe, Versuchung, Abweisung der Familie
, Wunder nach Prophetenart, Verklärung, Bezeichnung
als Gesalbter und als Sohn Davids, Einzug in
Jerusalem). Die hier hereinspielenden Fragen sind aber
zu verwickelt, als daß sie nach einer so einfachen Formel
gelöst werden könnten, und neben der zweifellos
vorhandenen Ähnlichkeit mancher Züge sind die beträchtlichen
Unterschiede nicht zur Geltung gekommen.
München. Hugo Koch.

Möller, Prof. Karl: Kirchengeschichte, (in 2 Bdn.) Bd. I, 2.
Lfg. 2., völlig neubearb. Aufl., 8—10. Tsd. Tübingen : J. C. B. Mohr
1927. (S. 313-569.) gr. 8». = Grundriß d. Theologischen Wissensch.,
Abt. 2. Subslcr.-Pr. RM 6-.

Die vorliegende zweite Lieferung von Karl Müllers

Kirchengeschiente in der neuen Gestalt (vgl. ThLZ. 1925

S. 444ff.) umfaßt im wesentlichen das 4. Jahrh., von
Diokletian bis Theodosius. Der erste Blick zeigt die-

! selben tiefgreifenden Veränderungen wie in der 1. Liefe-

j rung: die 23 §§ der 1. A. mit 80 Druckseiten sind
zu 17 §§ auf 242 Seiten geworden. Die Literaturangaben
sind durchweg reichhaltiger als in der 1. Liefe-

i rung. Die Darstellung bietet in erhöhtem Maße größere

i Zusammenhänge in geschlossener Schilderung (vgl.
§ 42, 43, 44).

Im Einzelnen stände die schöne Skizze des Neu-
platonismus m. E. besser am alten Platz in der
Nachbarschaft der Alexandriner; die Zusammenfassung
S. 323 weist ja auf die innerste Verwandtschaft hin.
Es begegnen treffende Formulierungen (z. B. „die
Transzendenz des Gottesgedankens ist ebenso überboten

I wie das Ineinander von Gott und Welt", ein Satz, der
an die tiefste Spannung in Plotins Denken rührt); da-

i neben hätte auf der einen Seite Plotin als reiner Dialektiker
noch Erwähnung verdient, auf der anderen wohl
auch der von Joh. Geffcken einmal angedeutete, von
Söhngen (Das mystische Erlebnis in Plotins Weltan-

j schauung 1923) versuchte Weg religionspsychologischen
Verständnisses des plotinischen Systems berücksichtigt
werden können.

Zu Diokletian wäre noch zu nennen: Kurt Stade,

; Der Politiker D. und die letzte große Christenver-
folgung, Frankf. Diss. 1926, und der letzte Grund des
Zusammenpralls, die Unvereinbarkeit der organisierten

i Kirche mit dem in langer Regierung wieder gefestigten
sakral bestimmten Staat ausdrücklicher zu formulieren;
D. erscheint in der Darstellung des vf.s doch zu sehr

i nur als der Getriebene. Der Ausdruck „vovg iv ofoe-

j xlaig" des 1. Verfolgungsediktes wird auf die im Hof-
und Domanialdienst angestellten Christen bezogen,
bleibt freilich auch so noch schwierig; das 4. Edikt
{„icävxag jtavöriuei rnvg v.aia noKiv xr. y.a) <i7cevdeiv"

Mart. Palaest. 3, 1) wird mit Unrecht auf die städtische

S Bevölkerung beschränkt, denn eine Verwaltung für das
Land gesondert von der städtischen existierte nicht, wie

| mir E. Kornemann bestätigt, und die noXig umfaßte wie
die civitas den ganzen Verwaltungsbezirk, Stadt und

| Land (so auch richtig Heussi ZKG. 46, 1927, S. 592).
Gemeint ist zweifellos die gesamte Bevölkerung, die
vor den Behörden in den Städten opfern soll, wozu das
Edikt des Daja (Mart. Pal. 4, 8) die beste Erläuterung
gibt.

Wenn die Bekehrung Konstantins (S. 361) nicht

J politischen Gründen, sondern religiöser Überzeugung
zugeschrieben wird, so ist dieser Gegensatz nicht ausschließend
. Denn diese Religion — das Vertrauen auf

i den Christengott in einem gewagten Feldzuge — ist
ebenfalls politisch und gewiß nicht Christentum. Und
außerdem ist die politische Rechnung auf die Macht
der Kirche schon 312 nicht so unwahrscheinlich wie sie

j der Verf. ansieht (vgl. Ed. Schwartz, Kaiser Konstantin
1913, S. 66). An einem Toleranzedikt des Konstantin
und Licinius i. J. 313 hält der Verf. fest, wenn ihm
auch der Name „Mailänder Toleranzedikt" nicht ganz
richtig scheint (warum?). Der Manichäismus ist „reiner
Orient und zwar nicht semitischer, sondern eranischer
Art" (S. 352); Reitzenstein, Das iranische Erlösungsmysterium
hätte bei der Literatur doch genannt werden
sollen, desgl. Greßmanns Aufsatz ZKG. 41, 1922,
154 ff., so sehr hier noch alles im Fluß sein mag.

Im trinitarischen Streit wird die Christologie Luci-

j ans gegeben nach den Aussagen des Arius (S. 375).

i Dieses freilich allgemein anerkannte rückwärts gerichtete
Alignement scheint doch gewisser Einschränkungen zu
bedürfen. So sicher die theologische Schülerschaft des
Arius, so wahrscheinlich ist seine Selbständigkeit gerade
in einigen anstößigen Zügen seiner Lehre. So scheint
arianisch die Behauptung des xgercxog, lucianisch der
TtX,i]Qr]g &ebg avalloiwxog. Einen Hinweis auf diese
m. E. wichtige Differenz habe ich bisher nur bei R.
Seeberg, DG II2, S. 22 gefunden. Dadurch verschiebt