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Ausgabe:

1928 Nr. 18

Spalte:

414-415

Autor/Hrsg.:

Asting, Ragnar

Titel/Untertitel:

Kauchesis et bidrag til forstøelsen av den religiøse selvfølelse hos Paulus 1928

Rezensent:

Mosbech, Holger

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Theologische Literaturzeitung 1928 Nr. 18.

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gegen die frivolste Skepsis sichergestellt ist", oder: „Die Vergeblichkeit
der Suche nach dem geschichtlichen Jesus, wie sie bei Balden-
sperger, Wrede, Wernle, Weinel, Bousset, A. Meyer u. a. ihr Wesen
treibt, die ihn überall aufzuspüren sich bemühten, weil sie ihn da, wo
er einzig zu finden war, am Vaterherzen Gottes, nicht finden wollten,
stellt A. Schweitzer in helles Licht" oder: „Gemütsstimmungen spiegeln '
sich gelegentlich in Naturvorgängen, Naturerscheinungen werfen ihre
Reflexe in die Gemüter der Menschen ... Bei dem furchtbaren Ereignis
, das heilsgeschichtlich eine Wende der Weltzeiten bedeutete,
zieht der religiöse Sinn die bewußtlose Natur mit hinein in die Ge- j
schicke der Menschheit, deren Versinken in die schwärzeste Finsternis
der Gottesfeindschaft seinen Reflex findet in dem die Erde in Nacht j
hüllenden Wolkendunkel."

Was solche Sätze zu verraten scheinen, bestätigt das ganze Buch.
Es entstammt einer geistigen und religiösen Haltung wie sie etwa
vor fünfzig Jahren in engen theologischen Kreisen möglich war, in
denen sich rationalistische Plattheit und orthodoxe Gläubigkeit derart
vermählten, daß für sie die leeren Gegensätze von orthodox und liberal
gewichtig und gleichbedeutend wurden mit den anderen: gläubig und
ungläubig, „besonnene Forschung" und „frivole Skepsis". Daher hat
dieses Buch wissenschaftlich nichts mehr zu sagen; es war antiquiert,
noch ehe es geschrieben wurde.

Breslau. Ernst Lohmeyer.

Kooy, Jacob. De Paraenese van den Apostel Paulus. (Diss.)
Zalt-Bommel: N.V. van de Garde & Co's Drukkerij (1926).
(132 S.) gr. S«.

Diese Leidener Doktorarbeit nimmt ein Problem in Angriff,
das immer noch der Lösung bedarf. Sie tut es, indem sie vor allem
die Stellung der ethischen Ermahnung innerhalb der Theologie des
Paulus betrachtet. Mit vier Hauptgedanken, sagt K., sei die Paränese
besonders verbunden: mit der Rechtfertigungslehre, mit der Anschauung
von der Taufe, mit der Vorstellung vom Geist und mit der Erwartung
des Endgerichts. Von diesem Gesichtspunkt aus kommt der
Verf. zu seiner Hauptaufgabe, die er darin sieht, die Stellung der
Pairänese zu diesen Gedanken zu erörtern. Er gelangt dabei natürlich
zur Darstellung der bekannten Antinomie: der Christ kann erst als
Erlöster zu Werken ermahnt werden, aber gerade als Erlöster hat er
solche Ermahnung eigentlich nicht nötig. Das Nebeneinander von Indikativ
(Erlösungsaussagen) und Imperativ (Entsündigungsmahnungen)
gibt im vierten und fünften Kapitel dann noch zu besonderen Untersuchungen
Anlaß, während das dritte kurz von Inhalt und Charakter
der Paränese handelt.

Die Untersuchung ist sorgfältig, mit guter Literaturkenntnis und
einem gewissen exegetischen Geschick durchgeführt. Das Resultat
wird so ausgesprochen, daß zwar in dem Evangelium des Paulus ein
posse non peccare enthalten sei, daß der Apostel aber nicht den Gedanken
der Sündlosigkcit des Christen vertrete. Aus dem posse non
peccare ergebe sich die Möglichkeit des Perfektionismus, aber nicht
die Rechtfertigung eines magischen Enthusiasmus. Luthers für das
ganze Problem so lehrreiche Stellung wird berücksichtigt und als
unpaulinisch bezeichnet. Tiefer wäre der Verf. m. E. in das Problem
eingedrungen, wenn er von vornherein den Unterschied der Bekehrungstheologie
des Apostels und der Christlichkeitstheologie Luthers aufgezeigt
hätte; die verschiedene Artung der Interessen, die beide bei
der Behandlung der Frage haben, würde dann deutlicher geworden
sein. Es würde dann auch der Anschein vermieden worden sein, als
könne der Verfasser bei seiner Darstellung von dem Blick auf moderne
Gegensätze der Konfessionen nicht recht loskommen.

Erst recht wäre dieser Anschein vermieden worden, wenn der
Verf. die ganze Untersuchung etwas mehr auf religionsgeschichtlichc
Basis gestellt hätte. Vor allem hätte die Behandlung des Judentums
aller Richtungen und der Stoa ausführlicher gestaltet werden müssen.
Bei der kurzen Behandlung des Stoizismus, die K. auf S. 66 gibt,
fehlt völlig der Hinweis auf das im Grunde eudämonistische Ideal, das
den stoischen Gedanken zu Grunde liegt; es wird statt dessen nur der
Gegensatz von Psychologie bei den Stoikern und Gnadenwirkung
bei Paulus betont.

Wir erhalten also eine gut durchgeführte Diskussion einer
schon mehrfach erörterten Frage mit selbständigem Urteil im einzelnen,
aber keine neue und keine schlagende Lösung. Vor allem ist aber
zu betonen, daß wir eine Untersuchung des Problems, das die Paränese
bei Paulus stellt, überhaupt nicht erhalten.

Gegenüber den Gedanken von Sünde und Gnade erscheint die
Paränese der Paulusbriefe sachlich und oft auch terminologisch zunächst
als etwas Fremdartiges. Schuld daran ist nicht etwa eine
Inkonsequenz in den Gedanken des Apostels, sondern der Umstand,
daß die Paränese gar nicht in dem eigentümlichen Denken des Paulus
ihren Ursprung hat. Denn der Vergleich der paränetischen Ausführungen
des Paulus mit anderen paränetischen Texten des Urchristentums
zeigt zur Oenüge, was auch eine einfache Besinnung
auf die geistige Lage der ersten Christen nahe legt, daß die Paränese
etwas ist, was Paulus mit allen anderen christlichen Missionaren ge-
mein hat. Er hat die Paränese nicht erfunden, sondern hat die gemeinchristliche
paränetische Tradition überliefert erhalten. Darum
gleichen die ermahnenden Kapitel seiner Briefe mehr den synoptischen
Spruchsammlungen, dem Jakobusbrief, der Didache, dem Ersten
Petrus- und dem Barnabasbrief als den berühmten Zeugnissen des
Paulusglaubcns. Als erste Aufgabe stellt sich dem Betrachter der
Paränese des Paulus also die Frage nach dem Ursprung und Inhalt
der Ermahnungen. Diese Frage hat K. in dem recht mager geratenen
dritten Kapitel seines Buches eben nur angerührt. Das aber, was
ihm die Hauptsache ist, das Problem der Verbindung zwischen Paränese
und Gnadenlehre bei Paulus, besteht gar nicht in der Frage, wie
Paulus von seinen Voraussetzungen aus zur Aufstellung einer Paränese
kam, sondern in der andern, welche Ansatzpunkte sich in der Gedankenwelt
des Apostels für die (schon vor ihm vorhandene) Paränese
finden. Zur Beantwortung dieser Frage enthalten die Ausführungen
K.s manchen schätzenswerten und ernsthaften Gedanken.

Heidelberg. • Martin Di bei ins.

Asting, Ragnar: Kauchesis et bidrag til forstoelsen av den
religiöse selvfolelse hos Paulus. Oslo: Grondahl 8z Son 1925.
(III, 76 S.) 8».

Die vorliegende Abhandlung, die schon vorher in
„Norsk teologisk tidsskrift" veröffentlicht gewesen ist,
sucht wie O. Schmitz: Das Lebensgefühl des Paulus
und W. Mundle: Das religiöse Leben des Apostels
Paulus „mit dem Apostel als einer lebendigen Persönlichkeit
zu verkehren und aus einer wirklichen geistigen
Gemeinschaft ihm abzulauschen, wie sein Herz uns entgegenschlägt
". Den Ausgangspunkt bildet eine sorgfältige
sprachliche Untersuchung des Verbums /.avyßo&ai
und der damit zusammenhängenden Substantiva xae^nua
und xavxrjois im attischen Sprachgebrauch, in der Koine
und in der LXX. Den häufigen Gebrauch der Wörter bei
Paulus erklärt der Verf. daraus, daß /.avxäo&at neben
weltliche Prahlerei und Selbstüberhebung in der LXX
häufig rein religiöses Glücksgefühl und Jubel bedeutet,
wodurch es besonders geeignet wird, die beiden Seiten
innerhalb des Wesens des Apostels zu vermitteln: einerseits
den natürlichen Drang nach Ehre und Anerkennung
von anderen Menschen, und andererseits das religiöse
Bewußtsein, daß alles aus der Gnade stammt; die Vermittlung
kommt dann dadurch zu Stande, daß der
Apostel behauptet, es gebe allerdings eine xavxrjaig, die
den Christen erlaubt sei, nämlich eine xauxnoyg iv xuo/tu,
ein seliges Gefühl des Reichtums, das die Lebensgemeinschaft
mit Christus schenkt. Die verschiedenen Ausdrücke
des menschlichen Selbstbewußtseins, welche oft
in den paulinischen Briefen vorkommen, sucht der Verf.
dann von diesem religiösen Gesichtspunkte aus zu erklären
. „Das Apostelbewußtsein ist an die Stelle des
Pharisäerbewußtseins getreten". Wenn z. B. Paulus das
freiwillige Verzichten auf Unterhalt von seinen Gemeinden
als xavxwa betrachtet, muß dieses so erklärt werden
, daß er darin einen Beweis dafür sieht, daß er von
Christus völlig beherrscht ist; und wenn die äußeren
Resultate seiner Missionswirksamkeit ihn mit Freude und
Stolz füllen, ist das darin begründet, daß er sie als eine
Gutheißung seiner Arbeit von der Seite Gottes ansieht;
ja selbst die Rede des Apostels von seinem xau^na am
letzten Tage muß unter demselben Gesichtspunkte betrachtet
werden; die Anerkennung Gottes am Tage des
Gerichts zeigt ja, daß der Apostel Recht hat, seine
judaistischen Gegner dagegen Unrecht; und die Gemeinden
sind deshalb sein „Stolz", weil sie beweisen
daß er für das wahre und rechte Evangelium gekämpft
hat. Die Untersuchung zeugt von großer Tüchtigkeit
und einem nicht geringen Scharfsinn; aber was der Verfasser
behauptet, will mir nicht immer einleuchten. Seinen
Versuch, eine psychologische Darstellung der religiösen
Entwicklung des Apostels zu geben, kann ich
nicht als geglückt betrachten; er scheint mir u. a. gar
zu viel auf Rom. 7 als Zeugnis paulinischer Erlebnisse
bei der Bekehrung zu bauen. Und die Vermittlung zwischen
den beiden Seiten der Persönlichkeit des Apostels
finde ich auch nicht überzeugend; religiöse Menschen
enthalten sehr oft in sich eine complexio oppositorum,
und ich glaube, daß bei Paulus die Äußerungen mensch-