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Ausgabe:

1928 Nr. 16

Spalte:

375-376

Autor/Hrsg.:

McNair, Alexander

Titel/Untertitel:

Scots Theology in the eighteenth Century 1928

Rezensent:

Hirsch, Emanuel

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375

Theologische Literaturzeitung 1928 Nr. 16.

376

eine Linie mit dem die Kirchengewalt des Fürsten bestreitenden
Papsttum, während in Wahrheit diese altanglikanische
Anschauung der inneren Art nach mit der !
mittelalterlichen gegen die reformatorische zusammenge- I
hört. Wenn also der Presbyterianismus für Elisabeth |
und Whitgift als politisch gefährliche Bewegung er- I
scheint, so liegt das nicht an seinen politischen Interessen
, sondern daran, daß das politische System Englands
eine mit der genuin reformatorischen Anschauung
des Verhältnisses von Staat und Kirche noch in Widerspruch
stehende religiöse Voraussetzung in sich trug.
Macht man sich diese größeren Zusammenhänge klar, I
so kommt man über das eigentümliche Schwanken in |
P.'s oben wiedergegebener letzter Antwort heraus.

Trotz dieser Korrektur sind P.s Beobachtungen
über die sich notwendig und gegen den Willen der Pres-
byterianer ergebenden politischen Verwicklungen lehrreich
. Angesichts der auf der Seite Elisabeth's bestehenden
Verquickung des Politischen und Religiösen stand
der Presbyterianismus vor einer Entscheidung. Entweder
, er mußte auch politische Bewegung werden, oder
aber, er mußte sein Ziel, das ganze Volk zu erfassen,
preisgeben, und sich der Toleranzidee öffnend die reine
Freiwilligkeitskirche anstreben. Es ist bekannt, daß
beide Möglichkeiten in der englischen Revolution sich
aus dem Presbyterianismus herausentwickelt und in der
Revolution miteinander um die Herrschaft gerungen
haben. Es ist die von P. mit Recht herausgearbeitete
Schranke, die T. C.s geschichtliche Stellung deutlich bezeichnet
, daß er sich diesem Entweder-Oder verschlossen
hat. Bescheidne Ansätze zur nicht nur grundsätzlichen,
sondern auch praktischen Auseinanderhaltung des
Bürgers und des Christen sind aber bei ihm da (P.
S. 9.).

Wir haben es dringend nötig, auch zum Verständ- I
nis unsrer eignen Entwicklung, diese Fragen der eng- |
tischen Kirchengeschichte zu studieren. Ich gedenke ein- j
mal den geschichtlichen Nachweis zu führen, daß die
aufgeklärte Auffassung der Kirche als Staatsdepartement
in Deutschland als eine Fortbildung von in unsre geistige
Welt hereinbrechenden anglikanischen Anschauungen
zu erklären ist.

Döttingen. E. Hirsch.

Mc N a i r, Prof. Alexand.: Scots Theology in the eighteenth Century.

With Foreword by Professor Bowman. London: J. Clarke ft Co.

(228 S.) kl. 8». geb. 6 sh.

Die schottischen Kirchen sind auch im Aufklärungsjahrhundcrt
streng calvinistisch geblieben. Der noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts
in Theologie und Kirche geistig herrschende Mann war
der Orthodoxe Thomas Boston (f 1732); von seinem Human
Natura in its Four-folä Statu erschien 1770 die 25. Aufl., von seinem |
A View of the Cavenants of Works of the Sacred Recorts 1772 gleichfalls
eine Neuauflage. Dennoch hat es in der schottischen Staats- !
kirche nicht ganz an dem Zeitgeist offenen „moderiert" lehrenden !
Theologen gefehlt. Das Schicksal eines von ihnen, des Rev. Dr.
William Mc Gill, Pfarrers zu Ayr, bildet die Grundlage für die
Darstellung dieser Schrift. Er stand in einer ihm vertrauenden Gemeinde
und hatte einen gleichgesinnten Kollegen (Dr. William
Dalrymple). So wagte er es, 1780 zu veröffentlichen A Practical Essay
on the Death of Christ. Von der Aufklärung übernimmt er die Ver- |
nünftigkeit des Christentums, die Freiheit des Willens, und die freie '
sittliche Umkehr als Bedingung des Heils. Im übrigen ist seine Vernunft
nicht kritisch gestellt; die Autorität der Bibel, die Wunder, die j
Auferstehung Christi sind ihm selbstverständlich. In Konflikt kommt
CT mit der calvinistischen Orthodoxie vor allem in der Lehre von .
Christi Person und Werk. Er kann sowohl den Covenant of Works j
wie die darauf gebaute Satisfaktionslehre nicht anerkennen. Sein Be- j
mühen geht auf eine neue möglichst biblische und möglichst die
kirchliche Sprache schonende Lehrweise, die entsprechend verschwommen
ist. Ihre Entwicklung würde hier zu weit führen. I
1788 hat er dann einen weiteren Vorstoß gemacht und Abschaffung ,
der Unterschrift unter die Westminster-Konfession gefordert. Gleich :
1787 erschienen drei Gegenschriften; aber erst der erneute Vorstoß
von 1788 hat seinen kirchlichen Prozeß ins Rollen gebracht. Die
Staatskirche verhielt sich schonsam; sie schaffte die Sache aus der
Welt, indem sie Mc Gill eine Erklärung allgemeinen Bedauerns und
der Treue gegenüber den fraglichen Stücken der Westminster-Kon- !
fession auferlegte (April 1790). Mc Gill war charakterlos genug sie

zu leisten und kam ohne Mißbilligung davon. Die Secession aber
benutzte das laue Verhalten der Staatskirche, um eine von einem ihrer
Prediger, James Robertson verfaßte Anklageschrift, die Overture von
1792, drucken zu lassen und sich so als allein wahre Hüterin der
Rechtgläubigkeit zu empfehlen. Der ganze Fall Mc Gill hat dadurch
eine gewisse Bedeutung, daß Robert Barnes, den Beziehungen freundschaftlicher
Art mit Mc Gill verbanden, in dem Handel literarisch
Partei genommen und die Gegner Mc Gill's zu verspotten gesucht
hat.

Diese Vorgänge werden in der mir vorliegenden Schrift nicht
eigentlich dargestellt, sondern zum Anlaß einer kirchenpolitischen
Kampfschrift mit historischem und systematischem Hintergrund gegen
die kalvinistische Orthodoxie von heute genommen. Es erübrigt sich,
auf diese Seite der Schrift einzugehen, obwohl sie den größern Teil
des Raumes für sich beansprucht.

Göttingen. E. Hirsch.

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Philosophie
der Religion. ZweiterTeil: Die bestimmte Religion.
Erstes Kapitel. Die Naturreligion. Hrsg. von Georg Lasson.
(= Hegels Sämtliche Werke Bd. 13.) Leipzig: F. Meiner 1927.
(X, 247 S.) 8». == Philosoph. Bibliothek Bd. 60. RM 9 ; Lwd. 11-.

Den ersten Band von Lasson's Ausgabe der Hegelischen
Religionsphilosophie habe ich ThLZ. 1925 (L)
Sp. 421 ff. (Nr. 18) besprochen, darin auch Lasson's
— sich gleich gebliebene — Methode der Bearbeitung
im allgemeinen gekennzeichnet. Als Vorzug dieser Bearbeitung
hatte sich mir ergeben, daß man in ihr das
grundlegende eigenhändige Vorlesungsmanuskript Hegels
von 1821 im genauen Wortlaute finden kann, wenn
auch in zerstücktem Abdrucke; als Nachteil, daß sie als
gestaltetes Ganzes hinter der Bearbeitung von Marhei-
neke-Bauer in der 2. Auflage der Werke mit Vorrede
von 1840 zurücksteht. Trifft dies Urteil auch den
zweiten Band? Die Sachlage verschiebt sich hier insofern
, als Hegel's Manuskript von 1821 die Naturreligion
nur skizzenhaft, in wenigen Seiten, behandelt; die eingehende
Behandlung der einzelnen Gestalten der Natur-
religion tritt für uns greifbar erst in der Vorlesung von
1824 auf. Von den Studien und Entwürfen, die Hegel
dafür angelegt hatte — es handelt sich um eingehende
Sammlung und Durchdenkung alles damals zugänglichen
Materials — ist heute nichts mehr vorhanden;
wir sind also hier ganz auf die Nachschriften angewiesen
. Daraus ergibt sich die Aufgabe der Besprechung
dieses zweiten Bandes. Nicht die Behandlung
des Manuskripts von 1821, sondern die des übrigen
Materials ist in ihr einem Vergleiche mit jener älteren
Bearbeitung zu unterziehen und auf grund dessen das
Urteil noch einmal nachzuprüfen.

1. Marheineke-Bauer wie Lasson haben ihre Quellen
weitgehend gemeinsam. Für die Vorlesung von 18 24
stützen sich beide vor allem auf die ausgearbeitete Nachschrift
v. Grieshcitn's, nur daß Lasson an einer von ihm
neu aufgefundenen Nachschrift Pastenacci's und z. t.
auch an der jetzt von ihm ziemlich gering bewerteten
Nachschrift tlotho's reichere Kontrollmöglichkeitcn hat.
Für die Vorlesung von 1 8 2 7 stützen sich die alten
Herausgeber vorwiegend auf die ausgearbeitete Nachschrift
von Meyer, weil Hegel sie selbst anerkannt
und benutzt hat; Lasson auf eine anonyme gleichfalls
ausgearbeitete Nachschrift, welche nach ihrer weitgehenden
wörtlichen Übereinstimmung mit der Quelle der
alten Herausgeber mindestens in nahem Zusammenhange
mit dieser stehen muß. Die alten Herausgeber
wie Lasson haben an andren Heften Möglichkeiten der
Kontrolle und Ergänzung gefunden, umfassender und
mannigfaltiger scheinen dabei die Lasson's zu sein (die
der alten Herausgeber sind nicht mehr zu unsrer Verfügung
). Soweit ist die Lage auf beiden Seiten ungefähr
gleich. Marheineke-Bauer aber verfügten noch darüber
hinaus 1. über Hegel's Studienhefte und bezeugen in
der Vorrede, gerade für schwierige und ausführliche Entwicklungen
hier Material gefunden zu haben, 2. über
eine Nachschrift des Kollegs von 1821, aus der sie
auch Stoff genommen haben, gerade für das Mehr der
2. Ausgabe gegenüber der ersten, 3. über mehrere Nach-