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Ausgabe:

1928 Nr. 16

Spalte:

371-373

Autor/Hrsg.:

Staehelin, Ernst (Bearb.)

Titel/Untertitel:

Briefe und Akten zum Leben Oekolampads. Zum 400jährigen Jubiläum der Basler Reformation hrsg. Bd. I: 1499 - 1526 1928

Rezensent:

Wolf, Ernst

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Theologische Literaturzeitung 1928 Nr. 16.

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Übersetzer einmal einen Sinn hineingelegt hat, den man mit einiger
Mühe schon herausbekommen kann. A. übersetzt z. B.: „Denn wenn
darin (sc. in meine Schriften) nicht ohne große und besondere Erfahrenheit
einige Buchstaben gestreut sind, so hoffe ich hingegen
auch bei mir solcher Erfahrenheit zu begegnen" (S. 331). P. sagt
aber „ein einiger Buchstab", sodaß zu übersetzen ist: „Ohne große
Erfahrung und Experienz ist nicht ein einziger Buchstabe eingemischt
, ich hoffe darum, daß man mir auch mit solcher Erfahrung
entgegentreten wird". Was mag sich der moderne Leser wohl bei
dem Satz denken: „Dafür daß ich in Germania bleibe und mein
Vaterland sehe, werde ich in der Folge euch allen den Grund
und Boden, auf dem die Säulen meiner Arznei stehen, zu erkennen
geben" (S. 332)? Am Original (ich folge hier Huser in der Zeichensetzung
gegen Sudhoffs Ausgabe Bd. S, S. 52) sieht man, daß P.
hier eine Angabe über die Einteilung seiner Schrift macht: „auf
solches, daß ich in Germanien bleibe, folget hernach..." Der erste
Satzteil bildet den Gegensatz dazu, daß ihn die Gegner auf die „Inseln
des Pilatus" gewünscht haben. Diese Inseln (A. macht daraus
„Tafeln" des P.! was soll man sich dabei denken?), mit denen offenbar
auch Sudhoff nicht fertig geworden ist, gehen zurück auf die
Insel Pontos, auf die Pilatus nach der Vita 12. Jahrhunderts gesandt
wurde. Wie Herr Geh. Rat Dobschütz, dem ich für freundliche
Auskunft zu Dank verpflichtet bin, schreibt, war es „die einem
dorthin Verbannten sicheren Untergang drohende ferocitas des Volkes,
was dieser Insel zu einer Art Pfefferland - Berühmtheit verholten
hat" (vgl. dazu v. Dobschütz, Christusbilder, T. U. N. F. 3, 1899,
S. 230ff. 281* ff; kurze Form der Legende in der Legenda aurea
c. 53, p. 231 ff. Graesse). Anderweitiger Gebrauch der Redewendung
des Paracelsus ist weder v. Dobschütz bekannt, noch konnte ich von
germanistischer Seite Auskunft erhalten; auch die Wörterbücher
schweigen. Bei dem S. 335 (Sämtl. W. 8, 57) erwähnten See des Pilatus
handelt es sich selbstverständlich um den Bergsee auf dem
Pilatus, in dem die Leiche des Pilatus versenkt worden sein soll
(vgl. Creizenach, Legenden u. Sagen von Pilatus. Beitr. z. Gesch. d.
dtsch. Sprache u. Lit. Bd. 2. 1876, S. 99ff. v. Dobschütz, Christusbilder
S. 232 A. 1). — Nicht selten wird in der Übersetzung eine
Schwierigkeit dadurch gelöst, daß das Stück einfach ausgelassen
wird.

Wenn man auch zugeben muß, daß eine ausreichende Übersetzung
nicht ganz geringe germanistische Kenntnisse erfordert, üher
die der Herausgeber offenbar nicht verfügt, so wäre es doch leicht
gewesen, für viele Stücke wenigstens eine zuverlässige Textgrundlage
zu geben. A. legt aber die alte, wenn auch für ihre Zeit treffliche
Husersche Ausgabe (1589—91) zugrunde und übersieht die kritische
Neuausgabe von Sudhoff, von der bereits einige Bände vor seiner
Übersetzung erschienen sind. Soll denn Sudhoff seine Riesenmühe
umsonst aufgewendet haben? Wenn es vielleicht auch überflüssig
wäre, die vielfachen handschriftlichen Entwürfe mit zu berücksichtigen,
so sind doch Sudhoffs Forschungen z. B. über die verschiedenen
Fassungen der Vorrede des Paragranum (Sämtl. Werke Bd. 8), die
Widmungen an den Leser zum Pestbüchlein für Sterzing, das kein
Vor-, sondern ein späteres Nachwort ist (Sämtl. Werke Bd. 9, S. 695)
für eine Ausgabe wichtig genug. Daß neben den Sacherklärungen
Sudhoffs auch der textkritische Apparat nicht ungestraft mißachtet
wird, zeigt folgendes Kuriosum: Nach dem Huserscben Text läßt A.
einem bedauernswerten Pestkranken in einem Rezept 6 Lot Warzen
von Roßhufen verschreiben (S. 724), während Sudhoff richtig liest,
wie auch genau eine Seite später steht: „würzen" (A. übersetzt dann
allerdings auch „Wurzeln von Roßhuf" S. 725), d. h. Wurzeln von
Huflattich (Bd. 9, S. 695). Die wertvollen Register der Huserschen
Ausgabe sind leider auch fortgefallen. Ich kann von all den Mängeln
der Ausgabe hier nur einige Beispiele geben, sie lassen sich ziemlich
beliebig vermehren. Ich bedauere dieses Ergebnis sehr im Gedanken
an die große Mühe und die mancherlei Kenntnisse, die in diesem
Bande stecken und, wenn nach dem Plane des Herausgebers die
ganze Husersche Ausgabe übersetzt werden soll, noch auf drei gleich
starke Bände aufgewendet werden müssen. Denn von der großen
Erleichterung, die diese Ausgabe in zahlreichen Fällen bietet, hat
allein der etwas, der sie jedesmal nur mit schärfster kritischer Nachprüfung
benutzt. Um Paracelsus einem weiteren Kreise nahezubringen,
wären die Kräfte des Herausgebers aber besser auf eine der oben
genannten Aufgaben gelenkt worden.

Gießen. Heinrich Bornkamm.

Briefe und Akten zum Leben Oekolampads. Zum vierhundert-
jähr. Jubiläum d. Basler Reformation hrsg. von der theolog. Fakultät
d. Univ. Basel. Bearb. von Ernst Staehelin. Bd. 1:
1499—1526. Leipzig: M. Heinsius Nachf. Eger & Sievers 1927.
(XVII, 627 S.) 4°. = Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte
, hrsg. v. Verein für Reformationsgeschichte, Bd. 10.

RM 50—.

Die Quellenpublikationen zur Reformationsgeschichte
werden durch den vorliegenden umfangreichen
Band in sehr bedeutsamer Weise bereichert. Oekolam-

pad ist seit den Monographien von Herzog (1843) und
Hagenbach (1859), zu denen noch Hadorns größerer
Artikel kommt (RE3 14, 286—299; 1904), nur mehr
Gegenstand gelegentlicher Forschung gewesen. Erst
neuerdings hat E. Staehelin mit Bibliographischem
. einsetzend (Basler Z. f. Gesch. u. Altertkde. 17 u. 27)
S ihm wieder besondere Aufmerksamkeit zugewandt, die
| weiterhin zu einer verheißungsvollen Sammlung von
Quellen zum Leben Oekolampads führte. Die 451 (eigentlich
452) Nummern sehr verschiedenen Umfangs,
die der 1. Bd. der „Briefe und Akten" enthält, suchen
' vor allem den Briefwechsel Oekolampads zusammenzustellen
, dazu „Widmungen, Vorreden, Einleitungen,
Nachworte usw., sowohl zu den Schriften, die von ihm
selbst stammen, oder an denen er selbst beteiligt ist,
wie auch zu den Schriften, die an ihn oder gegen ihn
gerichtet sind „und drittens" alle auf uns gekommenen
Dokumente, die über das Leben und die Tätigkeit Oekolampads
überhaupt Aufschluß geben", z. B. auch Predigten
. Dabei bleibt Vollständigkeit infolge des langen
I Stillstands der Oekolampadforschung eingestandenermaßen
nur Annäherungsziel; aber der Bearbeiter hat
j keine Mühe gescheut, es möglichst zu erreichen. Die
zeitliche Folge bestimmt im wesentlichen die Anord-
j nung der einzelnen Stücke; soweit sie im Briefwechsel
der Zwingli-Bände des Corp. Ref. (94. 95) enthalten
sind oder in E. Dürrs Basler Reformationsakten, tritt
ein Regest an Stelle ihres nochmaligen Abdrucks.
| Solche Inhaltsangaben machen im Abschnitt 301—400
I etwa die Hälfte aus (51), sie fehlen in 1—100 völlig
und sind in den restlichen 251 Nummern mit 53 vertreten
.

Bei der Lage der Oekolampadforscliung wird man die Aneinanderreihung
oft ganz verschiedener Aktenstücke nicht als störend

I empfinden; auch nicht die gelegentliche Einschaltung eines Regests.

| Allerdings fragt man sich, ob dieses nicht in den Nummern 373—385
hätte ausführlicher sein können, etwa auf Kosten der recht umfangreichen
Stücke 204. 211. u. a.

Der vorliegende Band beginnt mit der Eintragung
Oekolampads in die Heidelberger Matrikel (20. Okt.
> 1499) und schließt mit Dez. 1526.

Auch hier fragt es sich, oh neben anderen Berichten Dritter
über Oekolampad nicht auch jener kurze Abschnitt aus der vita des
Capito, der von seiner Herkunft und Jugend handelt, hätte Aufnahme
finden können, zumindest als Beleg für die Dürftigkeit der Quellen
zu Oekolampads Anfängen. Denn über diese Zeit, von der keine
Biographie Sonderliches zu sagen weiß, können auch die „Briefe
und Akten" nur wenig mehr berichten (vgl. N. 4, Anm. 1; Nr. 5,
Anm. 6; Nr. 6, Anm. 2); immerhin werden einige Daten richtiggestellt
(Nr. 4 zu RE 14, 287, 12; Nr. 8 zu RE 24, 290, 6).

Die Bearbeitung der einzelnen Briefe und
j „Akten" durch E. Staehelin ist sehr sorgfältig und gewissenhaft
geschehen, sowohl was die Textwiedergabe
anbelangt, als auch die erläuternden Anmerkungen, die
an keiner Frage vorbeizugehen suchen, und den Nach-
| weis der Zitate; eine Arbeit, deren Unentbehrlichkeit,
I Mühe und Wert man erst dann richtig schätzt, wenn
j man sich selbst einmal daran versucht hat. So wird
man immerhin auch die im Vorwort (IX) zugegebenen,
| durch äußeren Zwang veranlaßten Unebenheiten billig
entschuldigen können.

Einige Kleinigkeiten greife ich dennoch heraus: In Nr. 3
i könnte Anm. 2 unterblieben sein, da sie über geläufige Kürzungen
in Matrikeleintragungen und in Universitätsakten unterrichtet.
Dagegen wäre es von Belang gewesen, Uber den lic. theol., unter
dem Oekolampad in Heidelberg zum bacc. art. determiniert, einige
Angaben zu machen, aus denen allein schon hervorgehen würde, daß
unter diesem 1508 verstorbenen Joh. Tinctoris de Kyrchberg (Mogunt.
I dyoc.l) nur in via antiqua (realistarum, Thomistarum) determiniert
wurde. Dasselbe gilt für den lic. theol. Ioannes Sali de Kalw in Nr. 4
— Nr. 3, Anm. 1 hätte „zur Sache" doch auch G. Ritter, Studien
zur Spätscholastik II, Sitz. Ber. Heidelh. Ak. 1922 genannt werden
sollen. — Nr. 15 fehlt in: 2. Abdr. a (im Unterschied zu b) die
Nennung des Namens von R. Roth, unter dem die Urkunden z.
I Gesch. d. Univ. Tüb. usw. meist zitiert werden. — Nr. 19 und Nr. 20
lassen sich genauer datieren. — Nr. 231, Anm. 3 ist ein Hinweis
auf Schanz, Gesch. d. röm. Lit. IV, 2 498 u. 602 angebrachter als
auf Seeberg. — Nr. 243, Anm. 3: Es ist nicht nötig, das „Halbcrsta-