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Ausgabe:

1928 Nr. 14

Spalte:

315

Autor/Hrsg.:

Schlesinger, Michel

Titel/Untertitel:

Satzlehre der aramäischen Sprache des babylonischen Talmuds 1928

Rezensent:

Baumgartner, Walter

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315

Theologische Literaturzeitung 1928 Nr. 14.

316

Schlesinger, Michel: Satzlehre der aramäischen Sprache
des babylonischen Talmuds. Leipzig: Verlag der Asia Major
1928. (XIX, 330 S.) gr. 8». = Veröffentlichungen der Alexander
Kohut-Stiftung, Bd. 1. RM 25-; geb. 28 .

Die Syntax des Talmud-Aramäischen, bisher nur
kurz und unvollständig in Margolis „Lehrbuch" behandelt
, findet in ihrem wichtigsten Teile, der Satzlehre,
hier eine ausführliche, ja erschöpfende Darstellung. In
der Auffassung des semitischen Satzbaues schließt sich
der Verf., in Gegensatz zu Brockelmann u. a. den arabischen
Grammatikern an und glaubt, deren Unterscheidung
von Nominal- und Verbalsatz auch hier noch in
vollem Umfang durchführen zu können (s. §§ 21. 90).
Im übrigen tritt sprachwissenschaftliche Theorie nicht
stark hervor. Das Hauptgewicht ist darauf gelegt, das
gesamte Gebiet der Satzlehre in übersichtlicher Gliederung
an Hand zahlreicher Beispiele vorzuführen, oft
unter Vergleich der übrigen aramäischen Dialekte sowie
der allgemeinsemitischen Erscheinungen, wobei die überall
beigegebenen Übersetzungen auch dem in diesem
Dialekt wenig Bewanderten sich leicht einzulesen ermöglichen
. Der Wert des Gebotenen erleidet darum
auch keinen Eintrag, wenn man in der Auffassung einzelner
Erscheinungen gelegentlich anderer Meinung sein
kann: Wenn z. B. als einziges Beispiel für einen Handlungsort
im Adverbialkasus 13 — neben "QTJ — erscheint
(§ 77), so wäre da die andere Erklärung aus
Haplologie mindestens daneben in Erwägung zu ziehen;
auch die Ausführungen des § 86 (über „Dativus ethi-
cus" u. ä.) reizen zum Widerspruch. Ohne alle Frage
wird das sehr sorgfältig gearbeitete Buch ebensowohl
dem Semitisten im allgemeinen, wie dem der Talmudlektüre
Beflissenen oder dem für das Biblisch-Aramäische
Interessierten gute Dienste leisten. Es fehlt nur ein
Wort- und Sachregister. S. 45, Z. 7 lies „Neusyrischen"
statt „Neuassyrischen", S. 140, Z. 4 v. u. und S. 141
Z. 5 v. u. lies „§ 8" statt „§ 7", S. 202 Z. 1 „lehren"
statt „lernen". Das Verzeichnis der Nachträge und Berichtigungen
ist voller Fehler.
Marburg. Vi'. Bau 111 g a r t n e r.

Hauck, Stud.-Rat Lic. Fr.: Der Brief des Jakobus. Leipzig:
A. Deichert 1926. (VII, 243 S.) gr. 8». — Kommentar zum N.T.,
Bd. 16. RM 10.50; geb. 13 -,

Der Zahnsche Kommentar hat mit der reichhaltigen
und besonnenen Auslegung des Jakobusbriefes durch
Friedrich Hauck eine wertvolle Bereicherung erfahren.
Der Kommentar zeigt die Vorzüge der Sammlung: einen
Traditionalismus im besten Sinn des Wortes, der besonders
gründlich das Zeugnis der alten Kirche über
den Brief darstellt, besonders häufig die alten Übersetzungen
bei der Erklärung als Kommentar verwertet,
und bei textkritischen Schwierigkeiten besonders starke
Bedenken gegen ein Abweichen von einem überlieferten
Text hat. Die Einseitigkeiten traditionalistischen Denkens
aber, wie sie gelegentlich in den anderen Bänden
der Sammlung hervortreten, sind hier eher vermieden.
So herrscht in der Verfasserfrage keinerlei blindes Vertrauen
auf die Überlieferung. Die Abfassung durch den
Herrnbruder wird als das weniger wahrscheinlichere bezeichnet
; eigentlich pseudepigraphe Abfassung wird zwar
abgelehnt und zum Beweis dafür der Unterschied zwischen
dem gesetzlichen Jakobus und dem auf das Sittliche
gerichteten Inhalt des Briefes betont; die abgelehnten
Meinungen aber erscheinen als durchaus möglich
, ja bisweilen sogar nahe liegend. Dadurch wird der
Leser gewonnen und willig gemacht, dem immer besonnen
und klar urteilenden Verf. in eine Diskussion der
fraglichen Punkte zu folgen. Ich würde in solcher
Diskussion über die Autorschaft gegen H. zu bemerken
haben, daß es sich zwar in keinem Fall um eine imitatorische
Fälschung handeln kann, daß es aber auch harmlose
falsche Etikettierungen gibt, und daß unter solcher
Voraussetzung auch das Patronat des Ritualisten Jakobus
über einen dem Rituellen abholden Brief nichts Befremdliches
hat, zumal da wir ja beim Barnabasbrief etwas
Ähnliches voraussetzen müssen. Auch das Fehlen jedes
den Herrnbruder kennzeichnenden Prädikats im Rrä-
skript verträgt sich mit der Annahme einer harmlosen
Falsehetikettierung, und ich zweifle doch ernstlich, ob
die von H. empfohlene Herleitung der Schrift von einem
unbekannten Träger des Namens Jakobus dem Umstand

I gerecht wird, daß jegliche Kennzeichnung des Verf.s

j unterbleibt.

Eine ähnliche Unabhängigkeit zeigt H. auch bei
der Behandlung der Frage ,Paulus und Jakobus'. Er
hebt den Eindruck des unbefangenen Lesers hervor, daß
; die von Jakobus gebrauchten Formeln mit den von
Paulus gebrauchten identisch seien; es scheint ihm darum
die Annahme die natürlichste, daß solche Formeln
in die Gemeinden des Jak. eingedrungen seien und dort
Verwirrung angerichtet hätten; dagegen einzuschreiten
halte Jak. für fromme Pflicht. Unter den von H. vorgetragenen
Gründen für diese Auffassung scheint mir
ein Hinweis äußerst wichtig: bei den Wörtern „Glaube"
und „Werke" läßt Jak. auffallender Weise den Artikel
in solchen Wendungen weg, die als Paulusformulie-
rungen bekannt sind. Man wird das in der Tat kaum für
ein zufälliges Zusammentreffen halten dürfen.

In der Erklärung bin ich weithin mit H. einig; man
wird mir nachfühlen, daß mich das als Verfasser des
Kommentars zum Jak. in der Meyerschen Sammlung
besonders freut. Er denkt bei den 12 Stämmen in der
Diaspora in Jak. 1,1 wie ich an eine Christenbezeichnung
, er übersetzt die erste Frage in 2, 4 „habt ihr dann
nicht bei euch Unterscheidungen gemacht?", er versucht
auch die alte berühmte Schwierigkeit von 2,18 so
wie Ropes und ich zu lösen, indem er die Einrede des
Gegners paraphrasiert; „der eine hat eben Glauben aufzuweisen
so wie der andere Werke. Es wird eins soviel
wert sein wie das andere"; auch er rechnet 3, 3ff. damit
, daß der Verfasser Bilder, die ursprünglich einem
anderen Gedankenkreis dienten, in den seinen mit hinein-
nimmt; auch ihm scheint das Wort wider das Schwören

5.12 eine treuere Wiedergabe des Herrnspruches zu
sein als Mt. 5, 34.

Wenn ich Unterschiede zwischen der in meinem
Kommentar vertretenen Auffassung und der H.s nennen
soll, so wäre zunächst auf zweierlei hinzuweisen. Vor
allem ist H. skeptisch, wenigstens an manchen Stellen,
gegenüber den exegetischen Schlüssen aus Formgesetzen.
Er will sich nicht mit dem Ergebnis begnügen, daß

2.13 an 2,12 nur vermittelst einer Stichwortverbindung
angekettet ist; er lehnt es auch ab, die Übersetzung von
egyov iyiiw in 1,4 aus dem Parallelismus der Kette zu gewinnen
, also Gleichwertigkeit mit xcxregydCezü) zu behaup-

: ten. Sodann versucht er an einer ganzen Anzahl von
Stellen, wo ich unverbundene Nebeneinanderstellung
von Sprüchen oder Spruchgruppen sehe, eine gedank-

I liehe Verbindung ausfindig zu machen; ich scheine ihm
die Auflösung des Zusammenhanges vielfach zu weit zu
treiben. Über diesen Gegensatz möge nun die Diskussion
entscheiden; ich habe mich bisher nicht überzeugen
können, daß die von H. versuchten Übergänge wirklich
aus dem Text herausgeholt werden; ich muß im Gegen-

I teil urteilen, daß H. diese Versuche zu weit treibt, wenn
er den isolierten Spruch 4,17, um eine Verbindung herzustellen
, mit den Worten einleitet: „so gilt also auch
hier das Wort usw."

Solche Versuche, Zusammenhänge herzustellen,
entsprechen zweifellos der exegetischen Tradition der
Vergangenheit, und überhaupt scheint mir H. dem Gebot
älterer Methoden etwas zu gehorsam zu sein; ich denke
an die Stellen, wo er ein wenig zuviel des Selbstverständlichen
sagt (es ist nur ein Beispiel, wenn ich zur
Verdeutlichung meiner Kritik den Satz zitiere; „der
Leichnam, der nichts mehr wirkt, hat damit auch seinen
Wert eingebüßt", S. 123). Dergleichen könnten wir
heute, wo soviel Wichtigeres zu sagen gerade unserem
Geschlecht aufgetragen ist, getrost entbehren; es paßt