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Ausgabe:

1928 Nr. 12

Spalte:

284-287

Autor/Hrsg.:

Allwohn, Adolf

Titel/Untertitel:

Gottesdienst und Rechtfertigungsglaube. Luthers Grundlegung evangelischer Liturgik bis zum Jahre 1523 1928

Rezensent:

Meyer, Joh.

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Theologische Literaturzeitung 1928 Nr. 12.

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Und nun nur noch Eines! Noch Boehmer führt
die Konstitutionen (S. 308) unter den Werken des Ignatius
an. Mir beweist, m. E. bindend, daß sie nicht von
ihm stammen, sondern daß viele Hände an ihnen gearbeitet
haben, von denen Nadal und Polanco mit Sicherheit
namentlich festgestellt werden können. Nur einzelne
Verordnungen lassen sich auf Ign. selbst zurückführen
. Den Geist des Ign. will freilich Mir auch in
vielen, nicht von ihm stammenden Bestimmungen erkennen
. Immerhin ist aber bei der Ausbeutung der Konstitutionen
für Ign. selbst jetzt Vorsicht geboten. Auch den
berühmten Brief des Ign. über den Gehorsam an die
Brüder in Portugal (Mirbt, Quellen4 Nr. 432) schreibt
Mir Polanco zu. Ign. soll ihn nur unterzeichnet haben.

Ich fasse zusammen. Keiner wird, glaube ich, wagen
, über den Jesuitenorden, etwa im Kolleg, zu
sprechen, ohne Boehmers oben erwähntes Buch zu
kennen. Hoffentlich ist es mir gelungen, deutlich zu
machen, daß — soviel auch daran auszusetzen ist —
Mirs Werk auf gleich starke Beachtung Anspruch erheben
kann. Die Schwierigkeiten zu seiner Benutzung
sind freilich groß. Die spanische Ausgabe ist sofort auf
den Index gesetzt und soll, größtenteils von den Jesuiten
aufgekauft, schwer zu haben sein. Die französische
Ausgabe ist ebenfalls indiziert. Infolgedessen werden,
wie mir der Verlag mitteilt, Bd. 2 und 3 garnicht zur
Ausgabe gelangen. Es wäre jedoch ein Jammer, wenn
dem Orden die Unterdrückung des Werkes gelingen
sollte. Könnte nicht von einem der wenigen in Deutschland
vorhandenen Exemplare eine deutsche Übersetzung
angefertigt werden? Hoffentlich hindert der große Umfang
nicht daran, einen Verleger für diese Übersetzung
zu finden! Jedenfalls sind hier Erkenntnisse niedergelegt
, die an anderer Stelle m. W. nicht zu erheben
sind. Ich muß allerdings gestehen, daß ich den 2. Band
von Tacchi Venturi's Geschichte der Gesellschaft Jesu
in Italien, der nach der Veröffentlichung von Mir's Werk
erschienen ist, und dessen Verfasser als Generalsekretär
des Ordens Mir's Buch sicher gekannt hat, nicht berücksichtigen
konnte, da er mir nicht zugänglich ist. Es wäre
interessant zu sehen, auf welche Art und Weise Tacchi
Venturi sich mit Mir auseinandergesetzt hat.

Göttinnen. Kurt Dietrich Schmidt.

Tischleder, Dr. Peter: Staatsgewalt und katholisches Gewissen
. Frankfurt a. M.: Carolus-Druckerei 1927. (XVI, 239 S.) 8°.

kart. RM 5 - .

In dieser Schrift setzt sich T. mit dem Regensburger
Domdekan Kiefl auseinander, der ihn wegen seines
Buches über „Die Staatslehre Leos XIII." (1925,
siehe diese Ztg. 1926, Sp. 502 f.) scharf und mit
persönlichen Spitzen angegriffen hat. Im Hintergrund
des Streites stehen, stets geneigt, sich nach vorne zu
drängen, die streng „legitimistische" Gesinnung des
bayerischen Domdekans einerseits und die davon abweichende
Anschauung des Münsterer Privatdozenten
anderseits. Gegenstand des Streites aber bildet die für
uns hier allein in Betracht kommende Tatsachenfrage,
wie sich die Kundgebungen Leos XIII. und die ihr
vorangehende scholastische Lehre zu den in Frage
stehenden Punkten verhielten. Und da scheint mir T.
gegen Kiefl auf der ganzen Linie siegreich zu sein. Es
wirft auf Kiefls Kenntnis der Zusammenhänge oder
seine Arbeitsweise kein günstiges Licht, daß er die französischen
katholischen Demokraten und die Legitimisten
der Action Francaise bezüglich des Gottesglaubens verwechselt
(S. 9). Im einzelnen zeigt T. in gewandter
Darstellung und ebenso gewandter Abwehr der Kiefl'-
schen Angriffe, daß vom katholischen Standpunkt aus
auch die Demokratie sittlich berechtigt sei: der Satz der
Reichsverfassung „Die Gewalt geht vom Volke aus" sei
nicht in philosophischem, sondern in rein juristischem
Sinne zu verstehen und darum auch katholisch vertretbar
. Auch Leo XIII. habe sich zur politischen Demokratie
durchaus bejahend gestellt. Das starre moderne

Legitimitätsprinzip entspreche nicht der alten scholastischen
Staatslehre, sondern sei aus zeitgeschichtlicher Bedingtheit
, als Rückschlag gegen die Rousseau'sche
Volkssouveränität, zu erklären. So gelte die Forderung
Leos XIII. an die französischen Katholiken, die Republik
anzunehmen, auch für die deutschen Katholiken der
Gegenwart, weil auch hier das Gemeinwohl die Ent-

I Scheidung gebe. Auch „die Frage des aktiven Notwehr-

| rechts des Volksganzen gegen die Tyrannei eines an sich
legitimen Herrschers" wird erörtert und bejaht. Wie

| schon bemerkt, scheint mir T. den grundsätzlichen
katholischen Standpunkt richtig darzustellen. Dagegen
erheben sich da, wo er auf die jüngsten für uns Deut-

I sehen so schmerzlichen Ereignisse zu sprechen kommt
und nun die Anwendung zu machen sucht, gegen seine
Beurteilung der Dinge zahlreiche Bedenken und Einwände
, deren Geltendmachung aber über den Rahmen
dieser Ztg. hinausginge. Im II. Teil gibt T., um
„Staatsgewalt und katholisches Gewissen im Spiegel unparteiischer
Beobachter" zu zeigen, einen in die vorliegende
Frage einschlägigen Abschnitt aus Billot, Trac-
tatus de Ecclesia Christi (Rom 1921) und eine Abhandlung
des Rektors des katholischen Instituts von Toulouse
, Msgr. Germain Breton, in deutscher Übersetzung
wieder. Die Ausführungen Billots sind um so bemerkenswerter
, als er bekanntlich wegen der Stellungnahme

, Pius XL gegen die Action francaise den Purpur nieder-

! gelegt hat.

Die Versicherung im Vorwort, daß dies „übrigens in vollem
Einverständnis mit dem HI. Vater" geschehen sei, hätte sich T. sparen
können, und ebenso die weitere Versicherung, daß dazu keine
„grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten" den Anlaß gegeben hätten
. Denn daß der Kardinal „sich mit den Irrtümern der Action
francaise identifiziert" hätte, hat doch wohl niemand behauptet.
Derar.ige „Dementis" sollte man doch Tageszeitungen überlassen.
München. Hugo Koch.

! All wohn, Lic. theol., Pfarrer, Priv.-Doz. Adolf: Gottesdienst und

Rechtfertigungsglaube. Luthers Grundlegung evangelischer Lfturgik
bis zum Jahre 1523. Güttingen: Vandenhoeck ßi Ruprecht 1926.
(IV, 103 S.) gr. 8". = Das Heilige u. die Form, 2. RM 4.80.

An eine noch ungelöste Aufgabe macht sich diese
anregend geschriebene und auf reichem Quellenmaterial
aufgebaute Habilitationsschrift. Sie will unter deutlicher,
wenn auch unausgesprochener Abzweckung auf Probleme
der gegenwärtigen liturgischen Bewegung, Luthers
liturgische Gedanken nicht nur in ihrer Entwicke-
lung erfassen, sondern auch als innerlich notwendiges
Ergebnis seiner religiösen Gesamtposition, d. h. aber
seines Rechtfertigungsglaubens, verstehen, indem sie die
Zeit vor 1523, also vor den praktischen Reformen
Luthers ins Auge faßt. Die bisherige liturgiegeschichtliche
Forschung hatte erst den Luther seit 1523 untersucht
, die neuere Lutherforschung aber die liturgischen
Gedanken nicht zusammenhängend erforscht. Allwohns
Beziehung zu diesen Forschungen zeigt sich darin, daß
er betreffs Luthers religiöser Gedankenwelt weithin Holl
folgt, dagegen betreffs der speziell liturgischen Gedanken
sich in Gegensatz zu Rietschel setzt, der geurteilt
hatte, nach Luther sei der Kultus das Lobopfer der
gläubigen Gemeinde aufgrund erlebter Wirkungen
Gottes.

Allwohns chronologischer Gang ist zweckmäßig.
Er konstatiert eine Entwicklung Luthers in drei Perioden
. Bis 1517 kommt dieser von seinem neuen Gottesgedanken
aus zu grundsätzlicher Kritik an der katholischen
Auffassung von Kultus, Sakrament, meritori-
schen Zeremonien. 1517—19 löst er sich, aber ohne
die Notwendigkeit eines Kultus zu leugnen, von der
Kultreligion. 1521—23 bereitet er durch Gemeindebelehrung
seine Kultusreformen vor, die er nicht über-

I stürzt, um nicht durch Eiligkeit bei seinen Anhängern
wieder niedere Auffassungen vom Werte des Kultus zu
erzeugen. Als ständigen Leitgedanken konstatiert All-

! wohn Luthers Bewußtsein um die Spannung zwischen