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Ausgabe:

1928 Nr. 12

Spalte:

279-283

Autor/Hrsg.:

Mir, Don Miguel

Titel/Untertitel:

Histoire Intérieure de la Compagnie de Jésus d’après les documents. Tome I: Les Principes 1928

Rezensent:

Schmidt, Kurt Dietrich

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Theologische Literaturzeitung 1928 Nr. 12.

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Freunden und Anhängern, Verkannten und Verlassenen
und zugleich das Sterbegebet einer tiefgläubigen, gottinnigen
Seele. Vorausgehen noch drei Stücke aus den
Schriften „Von der Einfalt des christlichen Lebens",
„Triumph des Kreuzes", „Von der Staatsform und Verfassung
der Stadt Florenz". Die Übersetzungen lesen
sich flott und ohne Anstoß, und Anmerkungen helfen
dem Verständnis nach. Beigegeben sind 10 Abbildungen.

Aufgefallen ist mir S. 29 die „gerichtliche Astronomie" (=•=
„wahrsagerische Astronomie" S. 37) für Astrologie. Die Stelle aus
ep. 60 des Hieronymus wäre S. 143 A. 1 jetzt besser nach der Ausgabe
von Hilberg im Wiener Corpus angegeben als nach Migne, und
„Meliodorum" ist Druckfehler st. „Heliodorurn". S. 147 fehlt die
Feststellung des Satzes aus ['s.-Dionysius. Was die politische Betätigung
Savonarolas betrifft, so schreibt Sch. S. Xll A. 2 scharf, aber
zutreffend: „Bei der außerordentlichen Rolle, welche die Geistlichkeit,
auch die Ordensgeistlichkeit, in politischen Dingen das ganze Mittelalter
hindurch spielte und heute noch spielt, ist es eine bodenlose
Heuchelei, dem Prior von S. Marco aus solcher Tätigkeit einen
Strick zu drehen. Im 17. Jahrhundert beherrschten die Theologen
aller Konfessionen die höfische Politik, Jesuiten, Karmeliter und Kapuziner
wurden von geistlichen und weltlichen Fürsten mit den wichtigsten
politischen Sendungen betraut. Der Jesuit P. Lamormain gab
im Rate des Kaisers Ferdinand II., der Jesuit P. Vervaux im Rate
des Kurfürsten Max I. den Ton an, der Kapuziner P. Joseph war
Richelieus alter ego. Warum denn nun mit zweierlei Maß messen
und sich gerade an Savonarola stoßen?" Man könnte noch die Frage
hinzufügen, ob sich denn die alttestamentlichen Propheten von Politik
ferngehalten haben. Ebenso scharf und zutreffend ist im Anschluß an
den Satz S.s, daß „nachgerade die ganze Welt von der Kirche abfällt
" die Bemerkung S. 304 A. 1: „Es ist ein erschütternder Gedanke
, daß das so hochgepriesene ,fromme' Mittelalter, in welchem
die Kirche ihre Schwingen frei entfallen konnte und alle Verhältnisse
beherrschte, mit dem vollen Abfalle der Welt von der Kirche endete.
Langsam, aber sicher wäre die römische Kirche in ihrem eigenen,
die Länder verpestenden Eiter erstickt, hätten nicht noch im letzten
Augenblicke Reformation und Gegenreformation dem schleichenden
Übel halt geboten."

Mit dieser dankenswerten Gabe schließt Sch. seine
langen und mühevollen, aber auch früchtereichen Savo- |
narola-Studien ab, und er dankt in der Vorrede den Bibliotheken
, deren Dienstwilligkeit er erfahren durfte,
erwähnt aber auch ein Erlebnis, das er an der Vatkana
hatte.

„Dagegen wurde mir am 25. Mai 1926, als ich, mit einem
Empfehlungsschreiben des bayerischen Gesandten beim Hl. Stuhle,
Herrn Barons Ritter, versehen, um Erlaubnis zur Benutzung der
vatikanischen Bibliothek bat, diese Erlaubnis sofort, ohne Angabe
eines Grundes, verweigert. Es ist wohl kaum anzunehmen, daß
Pius XL, ehedem Vorstand der Ambrosiana in Mailand und als solcher
ob seines liebenswürdigen Entgegenkommens im besten Andenken,
jene Weisung aus eigenen Stücken gegeben habe. Wer dann wohl
sonst seine Hand im Spiele hatte? Vielleicht vermöchte der österreichische
Gesandte heim Hl. Stuhle hierüber Aufschluß zu geben,
der Verfasser der Papstgeschichte, der schon im Jahre 1898 meine
in den Historisch-politischen Blättern veröffentlichten Aufsätze über
Savonarola gern auf den Index gebracht hätte."

München. Hugo Koch.

Jesultica I.

Mir, Don Miguel: Histolre Interieure de la Compagnie de
Jesus d' apres les documents. Adapte par J. de Recalde du recent
ouvrage espagnol. Tome 1: Les Principes. Paris: Librairie Moderne
1922. (578 S.) gr. 8°. 12 fr.

Seit 1921 sind in Paris unter dem Pseudonym I.
de Recalde (der Anfang des vollständigen Namens Loyolas
) eine Reihe von Schriften zur Geschichte des Jesuitenordens
erschienen, die im Folgenden angezeigt werden
sollen. Hinter dem Pseudonym verbirgt sich nach
DEK. 1928, Nr. 7 der frühere päpstliche Geheimsekretär
Benigni, der sich von den Jesuiten gestürzt glaubte
und diesen deshalb durch Aufdeckung peinlicher Vorfälle
aus ihrer Geschichte zu schaden suchte. Selbstverständlich
geht diese antijesuitische Tendenz der
Schriften, die durchaus vorhanden ist, uns hier nichts an
Wir haben lediglich zu untersuchen, ob und wie weit
etwa unsere Kenntnis der Ordensgeschichte durch die
zur Besprechung vorliegenden Bücher erweitert ist oder
nicht. Die Übersetzung der inneren Geschichte des Ordens
aus der Feder Miguel Mirs durch Recalde-Benigni
j soll dabei den Anfang machen.

Die Übersetzung selbst zu prüfen bin ich nicht in
der Lage. Die Originalausgabe des Werkes von Mir,
das 1913, als der Verfasser bereits gestorben war, in
zwei Bänden herausgegeben ist, und das H. Koch in
seiner Besprechung der Werke Paul Maria Baumgartens
(ThLZ. 1928, Sp. 160) bereits erwähnt hat, liegt mir
nicht vor. Auch verstehe ich kein Spanisch, sodaß sie
mir nutzlos bleiben würde. Wie mir wird es aber den
meisten deutschen Forschern gehen, sodaß die Übersetzung
Recaldes uns überhaupt erst den Zugang zu
! M irs Arbeit ermöglicht. Was das bedeutet, wird aus dein
Folgenden klar werden. Selbst wenn die Übersetzung,
die ihrerseits aus einer, meines Wissens nicht gedruckten,
englischen Zwischenübersetzung gefertigt ist, schlecht
wäre, müßte man also noch für sie dankbar sein. Er-
I schienen ist nur der erste Band, der den ersten Teil des
dreiteiligen Mir'schen Werkes wiedergibt. Fortgelassen
hat Recalde nur die ausführliche Vorbemerkung, die
über Mirs Lebensschicksale berichtet.

Mir hat 30 Jahre lang dem Jesuitenorden ange-
j hört. Aus Gründen, die das Innere des Ordensbetriebes
berühren, ist er schließlich aus ihm herausgedrängt
! worden. Mehr jedoch noch als diese lange Ordenszugehörigkeit
bedeutet es für mich, daß er einer derer ist,
die mit der Herausgabe der Monumenta historica Socie-
| tatis Jesu betraut gewesen sind. Vier Bände der Ausgabe
der Briefe des Ignatius in ihnen sind von ihm bearbeitet
. Wir haben es also mit einem außergewöhnlichen
Kenner der frühen Ordensgeschichte zu tun.

In seinem darstellenden Werk über den Orden will
Mir nicht dessen Bedeutung für Kirche und Welt untersuchen
, auch nicht Skandalgeschichten erzählen — was
er sogar ausdrücklich ablehnt —, sondern er hat sich das
große Ziel gesteckt, die dem Jesuitenorden im besonderen
eigenen Züge, die für ihn konstitutiven Elemente
nach ihrem Ursprung und nach ihrem Einfluß auf den
Orden und seine Mitglieder herauszuarbeiten. Das nennt
er die „innere" Geschichte des Ordens. In dieser Eigenart
des Ordens sieht er zugleich den Grund für die Tatsache
, daß kein anderer Orden, überhaupt keine andere
kirchliche Einrichtung so stark wie der Jesuitenorden
von der Parteien Haß und Gunst umbrandet gewesen
ist und noch ist. Unbedingteste Anhänglichkeit und
schärfste Ablehnung stehen sich, wie Mir zeigt, nicht
nur bei Nichtmitgliedern, sondern auch bei Ordensangehörigen
gegenüber. Auch für diese Tatsache will er zugleich
einen neuen Lösungsversuch bieten vor allem
auf Grund der Monumenta historica Soc. Jesu, die in
ihrem Wert als Quelle treffend beurteilt werden
(S. 34 ff.). Für den 2. Band treten spanische Inquisitionsakten
als Quelle hinzu.

Um eine Übersicht über den Inhalt des 1. Bandes
zu geben drucke ich die Einteilung ab.

1. Buch: Die Gründung der Gesellschaft Jesu. Kap. I. Erste Erwägungen
. II. Die Approbation durch Paul III. III. Anzeichen für den
„Geist" der Ges. IV. Unsicherheiten (doutes) bei der Aufrichtung der
Gesellschaft. -- 2. Buch : Der Buchstabe und der Geist zu Beginn der
Ges. Kap. I. Die Legende über die Ursprünge der Gesellschaft. II. Die
„Minima" Compagnia. III. Die Armut in der Ges. IV. Die Keuschheit
in der Ges. V. Der Gehorsam in der Ges. VI. Der „blinde" Gehorsam.
VII. Von der „Monarchie". VIII. Die wesentlichen Einrichtungen. —
3. Buch: Die Konstitutionen und die Exercitia spiritualia. Kap. I. Die
Konstitutionen. Ihre Redigierung und ihre Autentizität. II. Ihre innere
Entwicklung. III. Ihr spezifischer Charakter. IV. Ihre wesentlichen
Züge. V. Die Exercitia spiritualia. Schluß: Der Geist der Ges.

Für die Lösung der von ihm selbst aufgeworfenen
Wesensfrage gibt Mir zu, daß sich der „Geist" der
Gesellschaft schwer auf eine Formel bringen lasse. Das
Entscheidende ist ihm das Fehlen jeglicher Liebesregung
im Inneren des Ordens. An ihre Stelle tritt die unbedingteste
Gehorsamsverpflichtung mit allen ihren im
einzelnen geschilderten Folgen einerseits und die absolute
Herrschaft des Generals andererseits. Dazu kommt
ein keine Schranken kennender Ordenssolipsismus nach