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Ausgabe: | 1928 |
Spalte: | 9-11 |
Autor/Hrsg.: | Holl, Karl |
Titel/Untertitel: | Die Geschichte des Wortes Beruf 1928 |
Rezensent: | Schröder, Edward |
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Überlieferung erhalten. Irenaetis berichtet ja auch gleich
im Folgenden, daß Polykarp unter Anicet in Rom gewesen
sei.
Kiel. O. F ick er.
Lefort, I. Iii.: S. Pachome et Amen-em-ope. Sondcrabdruck
aus Le Must-on, t. XL. (Louvaln [2 nie l'ecluse]: L. Th. Lefort.)
gr. 80.
Die Keyein des Pachomius für die Klosicrhausvorstelier haben
nur ganz vereinzelt biblischen Klang, erinnern vielmehr an echt ägyp-
tische Sprüche, wie an der, freilich sich kaum auf den Wortlaut erstreckenden
Verwandtschaft zahlreicher Kegeln mit Sät/en ans der
„Weisheit" des Amcnemopc gezeigt wird. Der Verfasser betont, hier
vorläufig programmatisch, die ägyptische rkxlciiständigkcit der kop-
tischen Literatur und ihre mehr als bisher anzuerkennende Selbständigkeit
gegenüber der griecbiseh-cbristliclien.
Hamburg. R. S t ro t b m a n n.
Bebermeyer, Prof. Oustav: Tübinger Dichterhumanisten:
Bebel-Frischlin-Flayder. Der Eberhardina Karoiina zu ihrem
150jährigen Jubelfest dargehr. Mit c. Holzschnitt, 2 Bildn. U. e.
Wappen. Tübingen: H. Laupp'scbe Buchb. 1027. (IX, 108 S.) 8".
Rm. 1.50; geb. 7—
Aua dcr Schar der Tübinger lateinisciien Dichter vom Ausgang
des 15. bis in den Eingang des 17. Jahrhunderts werden drei >
führende (bestallen ausgewählt, von jedem ein knappes Lebenshild
entworfen und seine literarische Bedeutung skizziert, mit Beigahe ausgewählter
bezeichnender Dichtungen, die durchweg sonst schwer j
erreichbar sind. Die Darstellung wendet sich an die weiteren Kreise
där Gebildeten; der wissenschaftliche Apparat ist daher kurz gehalten.
Tübingen. H. D a n n e n b a u e r.
Holl, K.: Die Geschichte des Wortes Beruf. Wisseiischaftl.
Festvortrag, gehalten in der öffentlichen Sitzung am 24. Januar
zur Feier des Jahrestages König Friedrichs II. Sondcrabdruck aus: j
Sitzungsberichte der prenß. Akad. d. Wissenschaften. Berlin: W. >
de Gruyter & Co. in Komm. 1024. (20 S.) 4°. Rm. —60. |
In dem reichen und mannigfaltigen und dabei doch !
stets den großen Zusammenhang und ein hohes Ziel
wahrenden Lebenswerk, das uns Karl Holl hinterlassen
hat, findet auch die akademische Festrede, die ich hier,
durch eigene Lässigkeit verspätet, zur Anzeige bringen
darf, ihren festen Platz.: sie weist gleichermaßen die Beziehung
zu H.s tiefschürfendem Jugeiidwerk über „Enthusiasmus
und Bußgewalt beim griechischen Möndhtum"
(1898) wie ZU den das Bild des Reformators und seine
Entwicklung völlig neu aufbauenden Lutherstudien des i
letzten Jahrzehnts auf — ja sie scheint geradezu eine
neue Verbindungslinie zwischen beiden herzustellen. So
ist sie weniger als es der Titel zu versprechen scheint,
geeignet, dem Urteil gerade des Germanisten unterworfen
zu werden; aber nachdem mir einmal die Ehre
zu Teil geworden ist, benutze ich gern die Gelegenheit,
Utn von' Seiten der Philologie her zu bekennen, daß
auch wir uns des großen Verlustes bewußt sind, den
die historische Theologie durch den frühen Tod dieses
ausgezeichneten Gelehrten erlitten hat. Alle seine Vorige
finden wir in dieser kleinen Schrift beisammen:
Teiches gelehrtes Wissen, feinfühlige Auslegung, scharfsinnige
Kombination, klare Darstellung — und zu allem
dem ein starkes, mitempfindendes Menschentum.
Das „Wort Beruf" steht zwar am Eingang wie am 1
Schluß der Schrift, aber es handelt sich um nichts weniger
als um eine lexikalische Studie oder Wortmonographie
; vielmehr gilt es die Geschichte eines Begriffs, der
sich aus einem ursprünglich rein theologischen in langsamer
Wandlung und zuletzt in energischem Durchbruch
zu einem sozialen, weltlichen gestaltet hat, und die
griechischen, lateinischen und deutsehen Wörter (gelegentlich
wird sogar das Slawische gestreift), die diesen
Weg bezeichnen. Dabei kommt dem ganz zuletzt
auftretenden Wort Berit/ allerdings eine abschließende !
Bedeutung zu, und es ist zugleich am besten geeignet, '
auch rückwärts die Wandlung der Anschauungen zu
spiegeln.
Den Ausgangspunkt bildet das urchristliche xXrjais
als Bezeichnung des Vorzugs, dessen sich der Christ i
als Christ rühmen durfte. Diesem Kirchenchristentum
tritt das Mönchtum gegenüber: mit seiner völligen Loslösung
von der Welt und weiterhin mit dem neu erwachten
Bewußtsein einer persönlichen Berufung. Das
Selbstgefühl des Mönchtums dringt auch ins Abendland:
die persönliche Berufung wird bald als etwas dem
Mönchtum allein zukommendes angesehen. Aber schon
bei Cassian tritt zur vocatio die persönliche Leistung, die
professio. (Man beachte, wie beide Begriffe nachher
ganz parallel verweltlicht werden: Beruf und Profession
.') Die vocatio bleibt den weltlichen Ständen
durchaus vorenthalten. Max Webers These, daß gerade
das Mönchtum mit seiner wirtschaftlichen Tätigkeit auch
die weltliehe Berufsvorstellung angebahnt habe, erweist
sieli als hinfällig: die allmähliche Höherbewertung der
w i ll bellen Arbeit und der weltlichen Stände ist vielmehr
das Werk dieser Stände selbst. (Hier vermißt man S.
11 eine kurze Ausführung, die das leicht begründen
konnte.)
Die Frühscholastik tut einen Sehritt vorwärts durch
die Verbindung von intentio und Caritas — aber die
Fortwirkung fehlt. Ansätze zu einer höheren Bewertung
der weltlichen Berufsstände begegnen uns bei Berthold
v. Regensburg, und über ihn kommt auch Thomas von
Aquino (entgegen mehrfachen Behauptungen) nicht hinaus
. Freiere Anschauungen finden wir dagegen bei den
deutschen Mystikern aus dem Dominikanerorden, vor
allein bei Fauler, der nach H. den Gedanken eines
,weltlichen Berufs" geradezu als erster ausgesprochen
hat. Und wenn auch der Vorrang des Mönchtums
nicht angetastet wird, so hat die deutsche Mystik doch
unleugbar dazu beigetragen, daß die Schätzung der weltlichen
Arbeit sich am Ausgang des Mittelalters wesentlich
hob. (N B. Warum mag w ohl Holl, der den Eckhart
und den Tauler im Original, aber nach Ausgaben zitiert
, die doch eben nur Notbehelf sind, die gute Seuse-
Ausgahe von Bihlmcyer (1907) verschmähen zu Gunsten
der Erneuerung Denifles?)
Der Fortschritt muß sich auch in der Sprache ausgeprägt
haben hier hätten vielleicht Seb. Brant, Geiler
von Kaisersbelg und Murner einiges bieten können?
Vorläufig hat Holl die früheste Bezeugung, daß Ruf um
1500 bereits den Begriff „Stand", ausdrücken konnte,
hei Luther gefunden, ebenso wie dieser selbst auch
vocation.es zufrühst In der Bedeutung „officia, ministe-
ria" zu verwenden scheint. Aber weder die großen
Theologen des ausgehenden Mittelalters, wie Job. Gereon,
dachten daran, das alle „Berufe" überragende Mönchtum
zu entthronen, noch besaß die Renaissance die sittliche
Kraft, das immer noch lebendige Ideal des Mönchtums
zu überwinden.
Luther selbst ist ins Kloster eingetreten unter dem
starken Gefühl einer persönlichen „Berufung". Aber im
Kloster hat sich die Wandlung angebahnt; und nun
weist Holl mit der Meisterschaft der Interpretation, die
seine Arbeit für Luther vor der aller andern Gelehrten
auszeichnet,Schritt für Schritt nach: wie er aus dem Gedanken
von der Berufung eines jeden Christen, dem
das Evangelium zu Herzen geht (vor 1517), fortschreitet
zu der Wertsehätzung des Wirkens innerhalb der
Welt, sich durchringt zu der Bejahung des allgemeinen
Priestertuins (1519) und weiterhin zur Verwerfung des
Mönchweseus (1522). In der Kirchenpostille von 1522
hat Luther zum ersten Male das Wort Beruf im
Sinne von „Stand" gebraucht, während er Berufung im
alten Sinuc der „vocatio" beibehält. So bringt uns Holl
in sicherer Führung zu der gleichen Erkenntnis, die
schon Max Weher mit guter Intuition geschaut hatte:
daß das Wort Beruf in seinein heutigen Sinne „aus
dem Geiste der Bibelübersetzer" stamme — H. K.
Fischer im Arch. f. Sozialwiss. 25, 234 war also im
Unrecht, als er dagegen protestierte. Und daß man die
Neuerung Luthers auf evangelischer Seite als eine sehr
glückliche empfand, geht daraus hervor, daß Melanch-
thon in der Confessio Augustana sofort (und wiederholt
) davon Gebrauch gemacht hat.