Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1928 Nr. 12

Spalte:

277

Autor/Hrsg.:

Schulze-Maizier, Friedrich (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Meister Eckharts deutsche Predigten und Traktate 1928

Rezensent:

Clemen, Otto

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

277

Theologische Literaturzeitung 1928 Nr. 12.

278

sches Schriftstück anzuerkennen, keineswegs bequem ist
(sowohl um der Evangelienzitate willen als auch aus anderen
Gründen); aber ich muß mich ihr auf Grund des
starken Zeugnisses der Tradition beugen.

In allem Übrigen sind die von Krüger gegebenen
Darlegungen (die über den Ort des Schriftstücks ist
die zweite) einleuchtend und dankenswert. In der ersten
widerlegt er die unmotivierte Bestreitung des einheitlichen
Charakters der Schrift. In der dritten ausführlichsten
erörtert er mit großer Umsicht die literarischen
Beziehungen und die Abfassungszeit. Hier ist besonders
die Untersuchung der Verwandtschaft mit gewissen geistlichen
Ausführungen in den Acta Theclae, auf die auch
Rolffs hingewiesen hat, wertvoll. Doch besteht kein
literarisches Abhängigkeitsverhältnis zwischen den beiden
Schriftstücken, und die Abfassungszeit des 2. Clemensbriefs
kann bei dem Fehlen konkreter Merkmale von
Krüger nur in weiten Grenzen bestimmt werden
(nachapostolisch und vorkatholisch); aber er würde, soviel
ich sehe, aus inneren Gründen keinen Widerspruch
gegen die Abfassungszeit erheben, die sich ergibt, wenn
man, wie oben, das Schreiben mit dem unter Soter nach
Korinth gerichteten Brief identifiziert. In der vierten
Darlegung endlich (im Text steht irrtümlich „5" statt
„4") charakterisiert Krüger das Christentum des Verfassers
und schützt es gegenüber zu engen und auch
gegenüber abschätzigen Beurteilungen. Aufklärend ist dabei
der Hinweis des Verhältnisses des Briefs zum Taufbekenntnis
, besonders zum 3. Artikel desselben. Auch ist
zuzugestehen, daß das Verhältnis zum „Hirten" des Hermas
minder eng erscheint, wenn man an die gemeinsamen
Quellen und die gemeinsamen Stimmungen denkt.
Immerhin aber bleibt der „Hirte" das dem 2. Clemensbrief
am nächsten stehende uns bekannte Schriftstück.
Berlin. A. v. Harnack.

Meister Eckharts deutsche Predigten und Traktate. Ausgewählt,
ttbertr. u. eingel. von Friedrich Schul/.c-Maizier. Leipzig:
Intel-Verlag 1927. (438 S.) gr. 8°. — Der Dom.

Hlwd. RM 7.50; Hpcrg. 10—.
Wieder eine neue Eckhartausgabe? Sie findet ihre Existenzberechtigung
1. darin, daß sie „eine möglichst zuverlässige Auswahl
aus seinen deutschen Predigten und Traktaten bieten will, soweit sie
besonders auf Grund der jüngsten Forschungen für gesichert gelten
dürfen". Der Herausgeber hat bei der Prüfung der Echtheit die
einschlägige Literatur in weitem Umfang sorgfältig benutzt. Wenn
er S. 434 schreibt: „Maligebend für die Zuweisung war vor allem die
Kechtfcrtigungsschrift vom 26. September 1326, die hier zum ersten
Male als unbedingt verläßliche Grundlage einer Eckhartauswahl benutzt
wurde", so ist doch zu bemerken, daß ihm in dieser Richtung
'n den Anmerkungen S. I '36ff. der deutschen Ausgabe der Rechtfertigungsschrift
von Karrer-Piesch schon tüchtig vorgearbeitet war.
Übrigens hatte sich dort S. 11 auch schon Karrer eine kritische
Ausgabe der Eckhartpredigten auf Grund der Rechtferti.gungsschrift
vorbehalten. Die scharfe Unterscheidung zwischen Echtem und Unechtem
hat es mit sich gebracht, daß in der verkürzenden Ncuaus-
gabe manches Stück weggefallen ist, das in früheren Ausgaben steht
(so sind von den „Traktaten" nur die drei unbedingt gesicherten aufgenommen
), andererseits hier sehr Vieles zum ersten Male in neuhochdeutscher
Übertragung erscheint (vgl. die „Predigten" und besonders
die „ausgewählten Abschnitte"). Die Existenzberechtigung
unserer Neuausgabe beruht 2. darauf, daß hier „eine möglichst getreue
Verneulwchdcutschung des mittelhochdeutschen Textes" angestrebt
ist, in strengem Anschluß an die Vorlagen und unter Verzicht
auf Kürzungen und allzu freie Wiedergaben. Trotzdem ist der Text
gut zu lesen und leicht zu verstehen. Die „Einführung des Herausgebers
", die vorangeht, ist eine wirkliche Einführung; sie vermittelt
die nötigen Vorkenntnisse und die rechte Einstellung und zeigt, was
der Leser bei Meister Eckhart suchen und finden soll.

Zwickau LS. O. Giemen.

Savonarola, Hieronymus: Auswahl aus seinen Schriften und

Predigten. In deutscher Uebersctzg. von Jos. Schnitzer. Jena:
E. Diederichs 1928. (LH, 308 S. u. Abb.) 8°. = Das Zeitalter d.
Renaissance II, 10. RM 11.50; Hldr. 15 ;

echt Bütten u. handschriftl. num. roh RM 30 ; Ldr. 45
„Um einen Mann so recht kennen zu lernen, genügt
es nicht, sich von ihm nur durch andere erzählen
zu lassen. Näher werden wir seinem Herzen und seiner

Sinnesart erst rücken, wenn wir ihn selbst vernehmen,
S und je bestrittener sein Bild ist, desto gebieterischer erhebt
sich die Forderung, seinen eigenen Worten zu
lauschen, um uns in den Stand zu setzen, auf Grund
| eigener Eindrücke ein eigenes Urteil zu formen . , .
! Daher liegt denn auch vorliegender Auslese das Be-
j streben zu Grunde, nicht nur den Prediger Savonarola,
i sondern besonders auch den Beter und Mystiker wie den
Propheten, auf deren Schultern der Prediger steht, so-
| dann den Staatsmann, den Reformer und Apologeten
| zum Wort kommen zu lassen." Sch. hat damit selber
treffend Plan und Zweck der Auswahl aus den Wer-
! ken Savonarolas angegeben, die er hier der Öffentlichkeit
vorlegt. Zwar sind schon früher einige Stücke aus
den Schriften Savonarolas deutschen Lesern zugänglich
gemacht worden. Aber ein Bild des ganzen Mannes
konnten sie nicht vermitteln. Eine solche Auswahl zu
treffen war auch am besten der Gelehrte in der Lage,
der wie kein zweiter in Deutschland, und nicht bloß da,
das gesamte Schrifttum des Frate beherrscht und in einer
Lebensarbeit Persönlichkeit und Umwelt, Leben,
j Wirksamkeit und Sterben des für Gott und seine Kirche
glühenden Bußpredigers so gründlich und so umfassend
erforscht hat, wie es seine früheren Veröffentlichungen,
I zumal sein zweibändiges Werk über S. (1924, siehe diese
| Ztg. 1924, Sp. 132 ff.) und das Gegenstück über Peter
| Delfin (1926, siehe diese Ztg. 1926, Sp. 441 ff.) erweisen
. Eine glänzend geschriebene Einleitung eröffnet
| die Sammlung: sie ist nicht etwa ein bloßer Auszug
! aus dem großen Werke, sondern eine neue, feine Zeichnung
der Persönlichkeit und Wirksamkeit des Priors
von San Marco, die gerade die Züge hervortreten läßt,
die die nachfolgende Auswahl aufweist. Zugleich werden
in Anmerkungen wohl- oder übelwollenden Kritikern
entsprechende Antworten erteilt, sowie falsche
und schiefe Auffassungen abgewiesen. Die Auswahl
beginnt mit dem „Sang vom Verderben der Welt", den
der 20jährige, und dem „Sang vorn Verderben der
Kirche", den der 23jährige Hieronymus dichtete. Beide
„Sänge" sind in schöner, gereimter Nachdichtung wiedergegeben
. Es folgt ein sichtlich von Augustins Con-
fessionen X,.6ff. angeregtes „Gebet oder Psalm über
die Gottesliebe". Nach 2 Briefen an seine Mutter Stücke
aus dem Büchlein von der Jesusliebe, aus dem „Abriß
| der Offenbarungen", aus dem „Zwiegespräch über die
Wahrheit der Prophetie". Den Hauptanteil haben natürlich
die Predigten (Nr. IX—XXI) und Sch. hat mit
j gutem Bedacht einige von ihnen nicht bloß im Auszuge,
sondern in ihrem vollen, ungekürzten Wortlaut vorge-
! legt, auch mit den trockenen scholastischen Erörterungen
, wie sie der Prediger einzuflechten liebte, „weil
eben nur so der wahre Charakter seiner Predtgtweise
unverfälscht und ungeschminkt zum Ausdrucke gelangt".
Das ist ganz gut so. Stellt man sich doch vielfach S.
als einen fanatischen Pfaffen und Bußprediger vor, der
nur schimpfen und toben und in den überschwäng-
lichsten Tönen sich ergehen konnte. In Wirklichkeit
war er ein gebildeter Theologe, der wie nur einer auch
die Sprache der Schule zu reden verstand, der unterscheiden
und zergliedern, aber auch seelenkundlich beobachten
gelernt hatte (vgl. z. B. S. 51. 67. 131). Seine
Prophetengabe aber, so sehr er ihrer unmittelbar gewiß
war, untersuchte er wie ein Fremder auf das Für und
Wider, und wenn er zum Ergebnis kam, daß sie von
! Gott sei, so hat niemand ein Recht, ihm den guten Glauben
abzusprechen. Daß die durch die Folter erpreßten
„Geständnisse" für den Geschichtschreiber nicht in Betracht
kommen, versteht sich von selbst, um so mehr,
als sie auch noch verfälscht in Umlauf gesetzt, von ihm
selbst aber in der Auslegung des Psalms Miserere zurückgenommen
wurden. Diese im Kerker vor seiner
Hinrichtung geschriebene Auslegung, die Sch. mit Luthers
Vorrede zum Schluß bringt, gehört zum Ergreifendsten
der ganzen Sammlung: sie ist der wehevolle
Aufschrei eines von allen, auch von seinen bisherigen