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Ausgabe:

1928 Nr. 12

Spalte:

271-273

Autor/Hrsg.:

Zwaan, J. de

Titel/Untertitel:

Jezus, Paulus en Rome 1928

Rezensent:

Windisch, Hans

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Theologische Literaturzeitung 1928 Nr. 12.

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auffallend günstiger Erinnerung (Daniel 6, III. Esra
3—5). Die Ausflucht, eine anfänglich freundliche Oesinnung
gegen die Juden habe nach ihrer Weigerung,
ihn mit Truppen zu unterstützen, ins Gegenteil umschlagen
können (S. 121), geht an der Hauptschwierigkeit
vorbei; denn in jenem Falle wäre ja erst recht verwunderlich
, daß nicht die Erinnerung an das spätere
feindliche Verhältnis überwogen hätte. Ebensowenig ist
unter Darius ein Holofernes bekannt; daß sein Name
eben wegen seines Mißerfolges unterdrückt worden sei
(S. 17), wird nur dem einleuchten, der sonst schon von
jener These völlig eingenommen ist. Daß endlich Nebu-
kadnezar — Darius König der Assyrer heißt (1,1), hat
allerdings seine Parallelen bei biblischen und profanen
Schriftstellern (S. 11 f.), wird aber damit nicht richtiger.
Es ist nicht so, wie V. S. 12 meint: „aux debuts de ces
empires nouveaux qui bouleversaient la geographie, la
terminologie etait encore flottante", sondern das ist,
gleich wie die Nennung von Ninive (1,1), um deren
Kettung sich V. gleichfalls vergeblich bemüht, das deutliche
Kennzeichen einer jüngeren Zeit, die diese Reiche
nur noch vom Hörensagen kennt und darum leicht zusammen
— und durcheinanderwirft. — Bei solchem
Sachverhalt ist es auch nicht gerechtfertigt, wenn V. aus
dem 12., 17. und 18. Jahr des Darius (1,1. 13; 2,1)
das 2., 7. und 8. macht (S. 11. 16 f.), um den Anschluß
an die großen Aufstände zu bekommen. Außerdem war
der Kampf gegen Medien schon 521 beendet und Darius
seit 519 im vollen Besitz seines Reiches; wozu hätte er
da die Strafexpedition gegen den unbotmäßigen Westen
noch so lange hinausschieben und den Tempel in Jerusalem
zu Ende bauen lassen sollen? — Die Gleichsetzung
mit Darius führt also ebensowenig zum Ziele
wie irgend eine andere. Das hat seinen einfachen Grund
darin, daß das Judithbuch eben nicht Geschichte bietet,
sondern, wie längst bekannt, eine historisierende Legende
ist. Sie mag natürlich allerhand geschichtliche
Namen, dunkle Erinnerungen an Zeiten eines Nebu-
kadnezar Darius L, Artaxerxes Ochus enthalten, aber
ohne klare Anschauung und kunterbunt durcheinander
— auch Lewy geht in der Verwertung der einzelnen
Daten und Angaben von Judith 1—4 und I. Baruch 1
viel zu weit. Erst von diesem Boden aus läßt sich dann
das Problem der Feste Betylua und das des Verhältnisses
der biblischen Judithgeschichte zu jenen kürzeren
Versionen, die die ganze Einleitung nicht haben und in
Jerusalem spielen — vgl. darüber zuletzt Carl Meyer,
Zur Entstehungsgeschichte des Buches Judith, Biblica 3
(1922), 193—203 — anfassen; V. erwähnt diese Fragen
überhaupt nicht.
Marburg. W. Baumgartner.

de Zwaan, J.: Jezus, Paulus en Rome. Amsterdam: H.J.Paris
1927. (184 S.) gr. 8". fl. 3.90.

In diesem Buch hat der Groninger Neutestamentier
J. de Zwaan zwanzig Artikel und Betrachtungen gesammelt
(daß und wo sie zuerst veröffentlicht sind, ist
nicht angegeben), die in der Tat in drei Gruppen zerfallen
, nur daß eben nichts Ganzes geboten wird, sondern
nur einzelne Themata, die sich auf Jesus, Paulus
oder Rom beziehen, beleuchtet werden. Eine Vorrede
gibt einen Auszug aus der Rektoratsrede des Vf.'s —
auch das wird dem unkundigen Leser nicht gesagt — die
über das Wesen des Christentums handelte
(Groningen 1927) und gegenüber der Harnack'schen
Auffassung dieses Problems wie gegenüber jedem rein
philosophisch-philologischen Lösungsversuch mehr phänomenologisch
, d. i. „konkret-historisch" das Wesen festzustellen
sucht. Das Bild, das dabei als leitendes Motiv
gebraucht wird, ist nicht: der Strom und seine Quelle,
sondern: der Eichbaum in der Totalität seiner Lebensfunktionen
. Darnach soll das Wesen des Christentums
in der Totalität und Kontinuität seiner Geschichte und in
seiner Einheit mit der Christenheit gefunden werden,
eine Fassung, die sehr viel Richtiges hat, natürlich nicht

neu ist, zu der indes immer m. E. als Korrektiv die
Harnack'sche Methode hinzu gebracht werden muß, denn
die Frage wie sich zu diesem Wesen des Christentums,
die historische Predigt Jesu und das historische Selbstbewußtsein
Jesu verhalten, darf bei der Beurteilung dieses
Wesens nicht außer acht gelassen werden.

Die erste Artikelreihe (Ethiek of Moraal in Jezus'
woorden; Het tydelyke en plaatselyke in Jezus' wereld;
Jezus in zyne ethiek; Jezus' moeilyke woorden; kos-

j misch perspectief; Jezus'ethiek en het kerkelyk christen-
dom; Eenzydigheid in Jezus' ethiek? Jezus' en de
mensch) beschäftigt sich fast ausschließlich mit der

| „Ethik Jesu". Es ist nämlich für die Beurteilung
der Sittenlehre Jesu, insbesondere auch der sog. „schwierigen
Worte" grundlegend, daß Jesus Ethik, keine
Moral gegeben hat. Moral ist eine Summe von Vorschriften
, die wörtlich einzeln befolgt werden wollen
und die fortgesetzt ergänzt und „interpretiert" werden
müssen. Ethik dagegen — und das ist es, was Jesus
schafft — ist aus einer großen ethischen Intuition geboren
: es ist Gottes Wille, der vom Menschen unbedingten
Gehorsam fordert — und ihr Ziel ist, die gleiche
ethische Intuition zu wecken (was ungefähr das in
Gott gebundene Gewissen ist). Die Einzelworte, soweit
sie nicht die Hauptsache ausschließlich nennen (wie

I Gottesliebe u. a.), sind darnach nichts anderes als Anwendungen
der ethischen Intuition. Dabei wird die zeit-

i geschichtliche und insbesondere die eschatologische Färbung
der konkreten Worte kräftig und anschaulich zur
Geltung gebracht, ohne daß die letzten Folgerungen
daraus gezogen werden.

In diesem Zusammenhang gibt de Zw. auch eine originelle
Lösung des B e e I se b u b Problems. Beelsebub ist der Herr des
dritten Himmels, der dort neben und gegen Michael agiert. Jesus ist
also nach den einen der Erlöser Israels, hinter dem Michael steht, nach
den anderen der Antichrist, den Beelsebub gesandt hat. Eine interessante
, aber sehr gewagte Kombination: von einer Rivalität im
dritten Himmel ist uns ja leider nichts überliefert.

Weiter sucht der Vf. darzutun, daß die „Einseitig-
I keit" in der Ethik Jesu (keine positiven Äußerungen
über die „Kultur") nicht an dem politischen Milieu liegt,
sondern an Jesus selbst; klar ist mir die Beweisführung
freilich nicht geworden. Daß Jesu Predigt zu der
Eigenart der galiläischen Armen Beziehungen hat, sucht
der Vf. durchaus in Anrechnung zu bringen. Jedenfalls
muß m. E. das soziologische Problem etwas anders gelöst
werden.

Was Jesus' Selbstbewußtsein anlangt, für de Zw. hat
das Messiasbewußtsein wahrscheinlich von Anfang an
in der Richtung der späteren Christologie gelegen.
Scharf bewiesen wird auch diese These nicht.

Sagt auch der Vf. in jedem dieser kleinen Skizzen
irgend etwas Anregendes, zu voller Befriedigung kommt
man nicht ganz, da er zu wenig gediegene Beweisführung
bietet. Selbst die an sich überzeugende Unterscheidung
zwischen Ethik und Moral ist auf die evangelische
Überlieferung doch nicht restlos anwendbar, da
die Unterscheidung doch in einer anderen Geistessphäre
gewachsen ist (in der des philosophischen Durchdenkens
der ethischen Phänomene) und da ganz gewiß der historische
Jesus bisweilen auch Moral gelehrt hat.

Die P au 1 u s - Artikel beschränken sich auf eine
lichtvolle theologische Erörterung der Gottesanschauung
der paulinischen „Theodizee" Rom. 9—11. Interessant ist
hier zunächst die Kontrastierung von Paulus und Calvin.
Der Grundton der Calvinischen Lehre, das Entsetzen
der Kreatur vor dem unendlichen Gott, ist für Paulus
nicht wesentlich. Paulus hat keinen philosophisch durchdachten
Gottesbegriff, seine Anschauung von Gott beruht
auf den Offenbarungen Gottes, auf seinen Taten.
Er sieht Gott historisch, nicht philosophisch. Für ihn
ist Gott souveräner Wille, Persönlichkeit, de Zw. schließt
sich hier an Beyschlag an und rechtfertigt seine Thesen
gegenüber anderen Exegeten wie B. Weiß und P. Saba-
tier. Die Titel dieser Studien lauten: Paulus en Calvijn;