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Ausgabe:

1928

Spalte:

217-228

Autor/Hrsg.:

Barth, Karl

Titel/Untertitel:

Die christliche Dogmatik im Entwurf. 1: Die Lehre vom Worte Gottes. Prolegomena zur christlichen Dogmatik 1928

Rezensent:

Ritschl, Otto

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Theologische Literaturzeitung

Begründet von Emil Schürer und Adolf von Harnack

Herausgegeben von Professor D. EmaiHiel HirSCh unter Mitwirkung von
Prof. D. Dr. G. Hölscher, Prof. D. Hans Lletzmann, Prof. D. Arthur Titlus, Prof. D. Dr. G. Wobbermin

Mit Bibliographischem Beiblatt in Vierteljahrsheften,bearbeitet von Priv.-Doz. Lic. theol. Kurt Dietrich Schmidt,Göttingen
Jährlich 26 Nrn. — Bezugspreis: halbjährlich RM 22.50. — Verlag: J. C. Hinrichs'sche Buchhandlung, Leipzig.

lahm Nif in Manuskripte und gelehrte Mittellungen sind ausschließlich an Professor D. Hirsch in Göttingeu, yt *Ka IQ7/O

Oo. janrg. ixt. lU. Bauratgerberstr. 19, zu senden, Rezensionsexemplare ausschließlich an den Verlag. «ä. ITlcll yLO%

Spalte

. Barth : Die christliche Dogmatik im Entwurf V

(Ritsehl)..................217

L Behm: Die mandäische Religion und das M
Christentum (Duensing)...........228

Spalte

Vollrath: Theologie der Gegenwart in

Großbritannien (Kittel)...........231

Bilder aus dem religiösen und kirchlichen
Leben Ostpreußens (Stolze)........236

Schlatter: Die Geschichte der ersten .Kästner: Kirchl. Gegenwartskunde (Schian) 238
Christenheit (Lohmeyer).......... 230ll.il je: Der neue Mensch (Rendtorff) .... 238

Spalte

Pf Itter; Analytische Seelsorge (Schweitzer) 239

l'estgabe zum deutschen ITarrertag in Berlin
am 21. und 22. September 1927 (Schmidt) 239

Giese: Das außerpersönliche Unbewußte
(Siegfried).................240

Barth, Prof. D. Karl: Die christliche Dogmatik im Entwurf, seine theologische Deszendenz. Seine theologische An-
Bd. i: Die Lehre vom Worte Gottes. Prolegomena zur christ- fängerschaft in dem andern, näher liegenden Sinne aber

liehen Dogmatik. München: Chr. Kaiser 1927. (XV, 473 S.)
gr. 8°. RM 12—; geb. 14—.

Die „Gefahr der Orthodoxie", die, wie der Verf.
bezeugt (S. VIII), manche seiner „bisherigen Freunde"
deshalb über seinem Haupte schweben sehen, weil er
jetzt dazu übergegangen sei, „aus der Randglosse und
dem Korrektiv selber eine neue Theologie zu machen",
ist wirklich nicht allzu groß. Ebenso ist die in dem
vorliegenden Bande vorgetragene Theologie gerade auch
in sehr charakteristischen Grundzügen gar nicht so neu.
Wohl tritt B. sehr nachdrücklich für gewisse im letzten
halben Jahrhundert stark in deii Hintergrund getretene
orthodoxe Positionen ein und sucht sich mit der alten
reformierten Dogmatik in möglichst naher
Fühlung zu halten. Dennoch bricht er dieser das ihr
seit Bucer eigne Herzstück aus: ihre durchaus
auf die christliche Praxis des Lebens gerichtete Einstellung
und deren Voraussetzung, die Überzeugung,
daß die Erwählten als solche von vornherein den
heiligen Geist potenziell besitzen und daß dieser in
ihrem Leben irgendwann einmal in ihrem Glauben
aktuell wird zur zusammenhängenden Arbeit an der
hohen Aufgabe, das Reich Gottes auf Erden bauen zu
helfen. Als Grund für jenes schwere peccatum in de-
fectu ist das von B. primär begangene peccatum in
excessu, seine pessimistische Lehre von der völligen
Gottfremdheit aller Menschen als solcher, einschließverrät
sich besonders in seinen noch recht ungleichmäßigen
, unvollständigen und zum Teil auch irrigen
dogmengeschichtlichen Kenntnissen. Über die altprotestantische
Theologie hat er sich teilweise durch ein
allerdings noch spärliches Quellenstudium, gar nicht
durch die Beachtung zusammenhängender dogmengeschichtlicher
Darstellungen, sonst aber nur aus Schmids
und Heppes Repertorien von dicta probantia zu den von
ihnen hergestellten Berichten über die einzelnen Loci der
alten Dogmatik und aus verschiedenen dogmatischen
Lehrbüchern unterrichtet. Auch von der neuern Theologie
hat er noch recht summarische Vorstellungen,
wenn er sie, abgesehen wohl nur von seinen oben erwähnten
neun Gewährsmännern und etwa noch von den
Hegelianern, in Bausch und Bogen für subjektivistisch
erklärt und dafür außer Schleiermacher auch noch Des-
cartes und den Cartesianismus verantwortlich macht.
Doch hat er, allerdings in Übereinstimmung mit vielen
andern, Schleiermachers letzte und eigentliche theologische
Stellung überhaupt nicht begriffen. Denn dessen
im innersten Grunde positive christliche Überzeugung
ist weder aus den überwiegend nur esoterisch gemeinten
Ausführungen seiner Reden noch aus dem ersten Teile
und den meisten Stücken des zweiten Teils seiner Glaubenslehre
zutreffend zu erkennen. Sondern wie es schon
in den Reden über das von Jesus bei Mc. 14, 62 gesprochene
Ja heißt: „keine Gottheit kann gewisser sein,

lieh der Gläubigen, einem dogmengeschichtlich geschul- | als die, welche so sich selbst setzt" (1. Aufl. S.

303), so ist auch die in der Glaubenslehre verfolgte the-
tische Absicht aus der ausschließlich Christo zuerkannten
Urbildlichkeit zu verstehen. Und um Schleiermachers
Anschauung von Gott richtig zu erfassen, muß man seine
Glaubenslehre gewissermaßen von rückwärts lesen, dabei
aber 9eine B. auch wohl noch nicht bekannte Abhandlung
über die Erwählungslehre von 1819 sorgfältig mit
berücksichtigen (vgl. Zeitschr. f. Th. u. K. 1895, S.
491—502).

2. Wie neuerdings schon Rade, so verzichtet auch
B„ und zwar grundsätzlich, auf Prolegomena im religionswissenschaftlichen
Stil und gestaltet unter Beibehaltung
jenes Ausdrucks seinen ersten Band als eine schon
selbst rein dogmatische Monographie über
das Wort Gottes. Er versetzt sich sofort „in der Form
eines vorläufigen Sprungs in die Sache selbst" hinein

te" Blick leicht erkennbar. In der Sache kommt diese
Grundansicht B.'s auf ganz dasselbe hinaus, wie einst
die Lehre des Illyriers Flacius von der i m a g o
Satanae. Seine vielberufene dialektische Methode
aber ist nur eine neue Gestalt, in der sich die als Ave r-
roismus in der Scholastik des Mittelalters seit Siger
von Brabant nachweisbare Lehre von der doppelten
Wahrheit nun auch in dem neuesten Protestantismus
bemerklich macht.

1. Mit einer an sich wohltuenden persönlichen Bescheidenheit
, von der aber die nur allzu selbstgewiß vorgebrachten
Kraftausdrücke und Machtsprüche seiner fanatischen
Polemik gegen Schleiermacher und die von
ihm mehr oder weniger beeinflußte Theologie um so
auffallender abstechen, bezeichnet B. seine Dogmatik als
den „Entwurf" eines „Anfängers"; allerdings eines Anlangers
auch in dem Sinne daß er sich zu der heutigen j (S. 16) und macht nachdrücklich geltend, daß Gott

Protestantischen Dogmatik' ohne Unterschied der Rieh- selbst als Person und überhaupt als alleiniges Subjekt es

tungen im Gegensatz wisse. Nur neun Theologen von
sehr verschiedner Geistesart nennt er als solche, bei
denen er sich so oder so „in entscheidenden Punkten
theologisch zu Hause fühle" (S. VI); im übrigen warnt
er vor einer recherche de paternite in Beziehung auf

sei, der redet, indem er Menschen reden läßt und heißt.
Auf dem Wege von unten nach oben gewinnt er durch
eine analytische Betrachtung der Predigt die Höhe, von
der er dann um so bestimmter den Weg von oben nach
unten einschlägt. Jenen analytischen Ansatz halte ich

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