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Ausgabe:

1928 Nr. 9

Spalte:

208-209

Autor/Hrsg.:

Richter, Julius

Titel/Untertitel:

Das Werden der christlichen Kirche in China 1928

Rezensent:

Haas, Hans

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Theologische Literaturzeitung 1928 Nr. 9.

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Kenner des Islam, dazu persönlich mit Vertretern j
der Bewegung bekannt, hat H. eine zuverlässige Skizze
geboten unter Verweis auf die einschlägigen Quellenuntersuchungen
. Weil diese großenteils auch Nichtfach-
männern zugänglich sind, empfehlen wir auch sie und 1
nicht zum wenigsten Theologen, um bei ihnen Rat zu I
holen: Es lag ja zu nahe, daß H. auf den verwandt j
scheinenden Ablauf christlicher Religions- und Dogmengeschichte
hinwies. Er sieht eine Proportion: Altortho- j
doxer Fiqh-Islam: Religiöse Reformbewegung: Fort- j
schrittlicher Modernismus = Mittelalterlich-römischer Ka- :
tholizismus: Altgläubig kirchentreucr Protestantismus:
Liberaler Protestantismus (S. 24). Er schränkt die Parallele
vorsichtig ein, denn es scheint ihm „vorstellbar, |
daß der Islam eine Reformation in diesem (evangelischen
) Sinne gar nicht nötig hat", weil der Altislam,
kurienfrei und kleruslos, nicht die Macht hat, durch erbitterten
Kampf bis in die Tiefe aufzuwühlen (vgl. S.
25). Aber auch nach solchen Einschränkungen fragen
wir: Stimmt die Proportion? FL zeigt z.B., wie die j
ersten Modernisten noch ganz in alter scholastischer
Qoranexegese ihre Reformen motivierten, später sich
aber ganz ehrlich einfach zu praktischen Erwägungen
bekannten (S. 20 f.). Letzteren würden in kultischen Dingen
Stimmungsanlagen mit wandelbaren Ausdrucksfor-
men entsprechen, in der Ethik Ideale, in der Dogmatik
Vernunftgründe. Nehmen wir nun etwa an, der be- ;
kannte „Pfeiler" szalät (etwa: Gottesdienst) geriete ins j
Wanken; wir meinen nicht, daß man ihn vernachlässigt,
denn das geschah reichlich zu allen Zeiten, sondern daß
man ihn für unnötig erklärte, auch ohne sufischen Ersatz
; angenommen ferner, die Persönlichkeit des Propheten
würde durch die weiterschreitende historische
Kritik als sittliches Vorbild erschüttert, oder angenommen
, die Einsicht in die Herkunft des Qoran, und der j
steht im Islam da, wo im Christentum Christus, nicht
wo die Bibel steht, nehme den Glauben an die Offenbarung
— was wäre dann noch der Islam als Religion?
und was jene von H. betonte „Wesensverwandtschaft
der beiden Schwesterreligionen" (S. 37), von denen ihm
gegenüber ein türkischer Modernist die Hoffnung aussprach
, sie würden sich einst „als im Grunde eins erkennen
" (S. 36)? Bestimmt jene Proportion wirklich
die Entwicklung schlechthin? und zu diesem Ziele
schlechthin? Der christliche Antwortsteil dürfte bei verschiedenen
Gruppen sehr verschieden ausfallen. Vielleicht
könnte er auch so lauten: Christentum und Islam
griffen beim Eintritt in den im weiteren Sinne gemeinsamen
hellenistischen Kulturkreis dessen Formen auf,
u. E. nicht so sehr die Dogmen als die dogmatische
Begründungsdialektik. Streifen sie dies irgendwie Gemeinsame
ab, so fällt der Schein der Schwesternschaft,
und dann stehen sich gerade die beiderseitigen Grundgewalten
entgegen: Qoran und Kreuz. Dieses wird auch
gerade im derzeitigen Abschnitt der Dogmengeschichte
wieder bewußt als die Torheit und das Ärgernis anerkannt
; jener ward schon oft von seinen Bekennern als
die Aufklärung angepriesen, darf aber, selbst wenn mit
etwas pietistischem Gefühl angewärmt, mit Fug und
Recht den Titel eines Rationalismus vulgaris mit allem
Nebensinn beanspruchen, wenn er nun auch noch abstreift
, was wir für sein Wesensgut halten müssen: eben
das Fiqh, dessen verantwortlicher Begründer unzweifelhaft
Muhammed selbst ist, der alle Offenbarung end-
giltig abgesiegelt habe. Wir nehmen jene Proportion
so ernst wegen ihrer Tragweite. Man ziehe etwa die
vielleicht näher liegende dritte Parallele durch die mosaische
Religionsgeschichte! Wer aber zwischen den ersten
beiden den Gegensatz von Aufklärung und Torheit festhält
, wird „als im Grunde eins" umändern in: grundverschieden
und jene einschränkende Frage, ob
der Islam eine Reformation „gar nicht nötig hat", dahin
abwandeln, ob er ihrer in diesem Sinne fähig ist.
Nicht bloß der Islamkundler wird Hartmann danken
, daß er den islamischen Anteil an der religiösen
Krisis der Gegenwart so anschaulich umriß.

Hamburg. R. S tro t Ii in a n n.

Devaranne, Theodor: Der gegenwärtige Geisteskampf In
Ostasien. Der religions- und missionskundliche Krtrag einer
Ostasienreise. Gotha: L. Klotz 1928. (VI, 96 S.) 8°. «a Bücherei
der Christlichen Welt. RM 3_.

Die Ostasienreise, deren religions- und missionskundlichen Ertrag
er in diesem Hefte darbietet, hat Devaranne, die Missionsfeldcr
und -Stationen des Allg. ev.-prot. Missionsvereins (Ostasien-Mission)
aus eigener Anschauung kennen zu lernen, 1926 gemacht, in einer
Zeit also, in der, jedenfalls in China, wie noch immer heute, alles
drunter und drüber ging. D. schildert nicht nur dieses Drunter und
Drüber, er fragt auch seinen Ursachen nach. Stößt er dabei auf schweres
Mitverschulden auch bei der Christentumspropaganda, so reicht er
sein Erkennen dem Leser weiter, der sehen soll, wieweit die Ereignisse
der Gegenwart der Mission ein quo vadis? zurufen. Seine Mahnung:
Nicht christianisieren! Doch aber evangelisieren, nur evangelisieren!
Der Verfasser ist Missionsmann. Er tut den Religionen Ostasiens nicht
Unbill an. Für ihre Schwächen und Gebresten hat er aber doch mehr
Auge als unsereiner. Daß sie nicht in den letzten Zügen liegen, ist
ihm klar.

Leipzig. H. Haas.

Richter, Prof. D. Julius: Das Werden der christlichen Kirche
in China. Mit e. Titelb. Gütersloh: C. Bertelsmann 1928. (XVI,
584 S.) gr. 8". geb. RM 25 .

So dick der Band ist, so kurz kann seine Besprechung
sein. Ihn druckfertig zu machen, hätte — hi
Berlin wäre er doch wohl aufzutreiben gewesen — dem
Manuskript erst ein sinologischer Superrevisor bestellt
werden müssen. Das hebe ich nur hervor, um bei literarischer
Weiterverwertung zur Vorsicht zu mahnen.
Wenn ich selbst ein Buch mit gleichem Titel schreiben
wollte — es würde mir noch viel dicker und vor allem
anmerkungsreicher gedeihen — so würde mir das vorliegende
Werk — das hebt die gebotene Bemängelung
zum Teile wieder auf — sehr dienliche Unterlage sein.
Ich werde es nicht schreiben. Gewarnt aber sei, der sich
des einmal erkühnen wird. Er wird noch viel, viel mehr
als Professor Julius Richter zu lesen, zu sichten und zu
verarbeiten haben. Geführt ist die Geschichte bis zum
Jahre 1922. Das Jahr 1922 bezeichnet der Herr Verf.
als die Geburtsstunde der Kirche Christi in China. Mit
ihm hat eine neue Periode angefangen. Will man den
gegenwärtigen Bewegungen und der Zukunft nicht verständnislos
gegenüberstehen, so muß man die bisherige
Entwicklung der christlichen Mission und den bis dato
erreichten Stand der Missionsarbeit kennen, die — und
das wird dem Leser die Lektüre des Bandes zum Bewußtsein
bringen — nachgerade ein entscheidender Faktor
im Leben des neuen China geworden ist. Zu dieser
Bedeutung ist die christliche Mission in mehrfachem Anlaufe
gelangt. Seit 635 taten die Nestorianer Arbeit,,
später, im Mittelalter, die Franziskaner, 1583—1773 die
Jesuiten. Die Anfänge der evangelischen Mission, die in
China überwiegend amerikanisches Gepräge hat, datieren
von 1807, das Wiederaufblühen der katholischen
Mission, überwiegend französischen Gepräges, von 1842.
Die Geschichte der letzteren wird von R. nicht mit derselben
Ausführlichkeit dargestellt wie die der ersterem
Das läßt sich rechtfertigen. Doch ist dabei auch sehr
Wichtiges ganz beiseite gelassen worden.

Des größten Interesses wird das Schlußkapitel
sicher sein können: „Der Morgen des neuen China" (S.
530—571). Des Herrn Verf. mich ansprechende Weitherzigkeit
bekundet mir z. B. das S. 309 Gesagte.
(Wer ist hier mit dem „orthodoxen" Theologen Althaus
gemeint?). S. 310, Anm. 2, gleich dahinter, (Proto-
stantenverein!) wird man als bloßes „survival" beurteilen
dürfen. Zu viel Ehre geschieht S. 508 dem Sadhu
Sundar Singh, besonders wenn man dagegen stellt, daß
ein Benedikt Goes nicht einmal genannt ist. Wird S. 43
hervorgehoben, daß wir von dem Franziskaner Wilhelm