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Ausgabe:

1928

Spalte:

200-201

Autor/Hrsg.:

Arnold, Thomas W.

Titel/Untertitel:

The Caliphate 1928

Rezensent:

Heffening, Wilhelm

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199

Theologische Literaturzeitung 1928 Nr. 9.

'200

ist sie in das spätere Judentum übergegangen, vgl. das
Pochen auf den Vater Abraham Matth. 3, 9.

G.'s Arbeit hat trotz ihrer gewollten Beschränkung
auf die traditionsgeschichtlichen Fragen großen Wert
für die biblische Theologie. Sie hat ein Problem aufge-

friffen, dessen Bedeutung für diese noch längst nicht
lar erkannt ist. Ref. hat es schon vor 30 Jahren im
l.Heft seiner Studien zur Religions- und Sprachgeschichte
des A. T.'s herausgestellt, aber nicht beantwortet
, weil er dem A. T. noch literar-kritisch und entwicklungsgeschichtlich
befangen gegenüberstand. In seiner
(noch ungedruckten) at. Theologie hat er das Problem
seit langem unter dem Thema: Abrahamreligion oder
Mosereligion? an den Anfang der systematischen Darstellung
des prophetischen Gottesglaubens gestellt. Die
von G. gebotene Lösung des in der Doppeltradition liegenden
Problems kann ihn freilich nicht befriedigen. Sie
stellt als das beherrschende Motiv der die Mosetradition
überbauenden Erzväterverheißung die großisraelitische
Idee hin und übersieht dabei, daß diese Idee im jahwi-
stischen Geschichtsbild und besonders im Deuterono-
mium von dem Hintergrund des prophetischen, universal
-monotheistischen Gottesglaubens nicht zu trennen ist.
Dieser aber blickt über die Grenzen Israels hinaus in
die Völkerwelt und lebt in der Hoffnung des in Israel
und durch Israel kommenden Gottesreiches. Die
religiöse Stellung zur Geschichte ist bei den großen Erzählern
des Pentateuch also dieselbe wie bei den Propheten
: eschatologische Sinngebung des Lebens von
Gott aus ist ihr Inhalt. Dann genügt aber der von G.
gemachte Versuch, das Fehlen der Erzvätertradition bei
den großen Propheten aus dem Herzstück ihrer Verkündigung
zu erklären (S. 66), nicht. Die Problematik ist
schwieriger als G.'s Darstellung erkennen läßt. Über
Jer. 4,1 ff., wovon G. nicht gesprochen hat, sind die
Akten noch nicht geschlossen; m. E. haben wir hier eine
direkte Anspielung auf Gen. 12,1—3. Und Deuterojesaja
gehört doch auch zu den klassischen Zeugen der Pro-
phetie. In D. ist die Vätertradition mit dem Erwählungs-
glauben fest verbunden und von der prophetischen
Frömmigkeit durchglüht, aber Dt. 5, 3 — von G. nicht
behandelt! — betont ausdrücklich, daß Sinaioffenbarung
und Bund nicht den Vätern gegeben worden sind, sondern
dem Geschlechte Moses.

Wenn im A. T. die mit dem Auszug motivierte Erwählung
, trotz der engen Verbindung der Ereignisse im
Pentateuch, vom Sinaibunde absehen kann, so heißt das
doch: der Glaube an Israels Erwählung ist nicht erst
mit der Stiftung der Jahwe-Liga am Gottesberge gesetzt,
sondern er ist in einem vorher liegenden Akte gegründet,
also in der Offenbarung, die Mose zum Propheten Gottes
machte. Der ist aber der Gott seines Vaters, Ex. 3, 6,
und der Gott der Hebräer Ex. 3,18. Die trinitarische
Formel, die hier regelmäßig erscheint, kann man mit
G. getrost als Merkmal der gewollten Verknüpfung der
beiden Traditionen fallen lassen. Es bleibt die Tatsache,
daß die prophetische Überlieferung im Pentateuch bei
der Gottesoffenbarung an Mose nach rückwärts weist
auf den Gottesglauben der Hebräer, aus denen Mose
hervorgegangen ist. Nur so ist ja auch das Motiv der
Offenbarung des Jahwe-Namens als volle Wesenserschließung
Gottes bei E. und P. im Zusammenhang der
von ihnen aufgewiesenen Offenbarungsgeschichte begründet
. Die Offenbarung im Auszugssegen Gen. 12,
die an Abraham ergeht, und die Offenbarung an Mose,
die den Exodus einleitet, sind nicht nur ideologische
Parallelen, sondern sie sind letztlich in dem Bewußtsein
von Zusammenhängen zwischen dem Gottesglauben der
vormosaischen Hebräer und dem Gott Jahwe vom Sinai,
der sich Mose als der Herr alles Lebens und Gott über
alle Götter offenbart hat, geschichtlich verankert.

Ref. will es scheinen daß G. mit der Trennung der
biblisch - theologischen Aufgabe von der traditionsgeschichtlichen
einen methodischen Fehler gemacht hat.
Man kann hier das eine nicht hinter dem anderen zurück-

j stellen. Aber es bleibt ihm das Verdienst, einen sehr
j beachtlichen Beitrag zur Frage nach dem Ursprung der
j at. Religion geliefert zu haben.

Jena._W. Staerk.

Arnold, Prof. Thomas W., C. I. E., Litt. D.: The Callphate.

Oxford: Clarendon Press 1924. (223 S.) gr. 8°.

Wenn Arnold auch im Vorwort in seiner beschei-
j denen Art sagt, daß er in diesem Buche nur die Resul-
| täte der Forschungen von Barthold, Becker, Caetani,
i Nallino und Snouck Hurgronje bringe, so hat er unsere
Kenntnis doch wesentlich vertieft, indem er zahlreiche
wichtige neue Belege für die einzelnen Phasen der
Geschichte des Kalifates aus den Quellen beigebracht
I hat. Die Abschaffung des Kalifates hat ja eine Reihe
von Zeitschriftenaufsätzen und Vorträgen im In- und
Ausland hervorgerufen, unter denen ich nur die kurze,
aber äußerst übersichtliche Darstellung von Tschudi
! (Das Chalijat. Tübingen 1926) erwähnen will; aber das
I Buch von Arnold ist als die maßgebende Darstellung
des ganzen Problems zu bezeichnen, wenn es natürlich
auch noch nicht alle Fragen restlos löst. Das Kalifat,
ursprünglich die einfache Nachfolgeschaft des Prophe-
j ten in der politischen Leitung und in der religiösen
Überwachung der islamischen Gemeinde, wird unter den
j Omajjaderi und Abbasiden zu einem politischen Macht-
j faktor ersten Ranges; diese weltliche Macht verliert es
I aber unter dem Hausmeiertum der Bujiden und der Sel-
I djuken; der Kalife ist nur noch der Theorie nach der Inhaber
der weltlichen Macht, die er in der Form des
Sultanats an die faktischen Inhaber jedesmal verleihen
muß, bis das Kalifat durch den Mongolensturm im Jahre
1258 hinweggefegt wird. Jetzt tauchen zahlreiche isla-
j mische Herrscher auf, die den Kalifentitel für sich in
Anspruch nehmen; das Kalifat wird zu einem „Ehren-
| anspruch des Sultanats", zu einem Ehrenanspruch des
mächtigsten islamischen Herrschers. Das Kalifat ist jetzt
nicht mehr die einfache Stellvertretung des Propheten,
| sondern die Stellvertretung Gottes auf Erden. Das ty-
| pischste Beispiel für diese neue Kalifatsidee ist das Mon-
i golenkalifat Schähruch's (1405—1447). In dieselbe Kate-
| gorie gehört auch das osmanische Kalifat. Mit dem
I immer stärkeren Anwachsen der osmanischen Macht
i werden die osmanischen Sultane schon lange vor der
Eroberung Ägyptens durch Selim I. (1517) als Kalifen
betrachtet, aber den Titel nehmen sie selbst erst in aller-
j jüngster Zeit (wohl erst seit Abd ul-Hamid) an. Es beginnt
den europäischen Mächten gegenüber das Spiel mit
I einer bloßen geistlichen Autorität des Kalifen, die aber der
islamischen Anschauung nach ein Nonsens ist. So mußte
die Abschaffung des türkischen Sultanates (1922) die
Abschaffung des Kalifates zur unbedingten Folge haben.
Ein Kalifat mit nur geistlicher Gewalt, wie es von den
Kemalisten versucht wurde, ist eine contradictio in ad-
I jecto. Es kann kein islamisches Papsttum geben in einer
Religion, in der alle Fragen durch den Idjmäc, durch
| den consensus omniuni prudentium entschieden werden.

Diese Entwicklung behandelt Arnold in 14 Kapiteln,
I unter denen ich besonders die Kapitel über die „Anerkennung
des Abbasidenkalifates vom XL—XIII. Jhrh.",
„Die Beziehungen der Abbasidenkalifen in Kairo zu anderen
islamischen Fürsten" und die „Annahme des Kalifentitels
durch unabhängige islamische Fürsten" hervorhebe
, da hier besonders reiches neues Material geboten
wird. In 5 Anhängen behandelt Arnold dann
noch die schottische und charidjitische Kalifatstheorie,
die angebliche geistliche Gewalt des Kalifen (man vergleiche
auch die interessanten Mitteilungen über die
Auffassung des Kalifates als eines islamischen Papsttums
im mittelalterlichen Abendland auf S. 167 ff.), den volkstümlichen
Gebrauch des Wortes chalt/a, den Titel Sul-
I tan und die Titel der osmanischen Sultane.

Leider kommt die sich nur schrittweise vollziehende
Entwicklung seit 1919 etwas allzu kurz weg, ebenso wie
auch die sehr interessante indische Kalifatsbewegung
I überhaupt nicht berührt wird.