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Ausgabe:

1928

Spalte:

193-195

Autor/Hrsg.:

Schrempf, Christoph

Titel/Untertitel:

Sokrates. Seine Persönlichkeit und sein Glaube 1928

Rezensent:

Wach, Joachim

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Theologische Literaturzeitung

Begründet von Emil Schürer und Adolf von Harnack
Herausgegeben von Professor D. EmaflUel HirSCtl unter Mitwirkung von
Prof. D. Dr. 0. Hölscher, Prof. D. Hans Lietzmann, Prof. D. Arthur Titius, Prof. D. Dr. 0. Wobbermin

Mit Bibliographischem Beiblatt in Vierteljahrsheften, bearbeitet von Priv.-Doz. Lic. theol. KurtDietrich Schmidt, Göttingen
Jährlich 26 Nrn. — Bezugspreis: halbjährlich RM 22.50 — Verlag: J. C. Hinrichs'sche Buchhandlung, Leipzig.

C3 Inhro* Nr Q Manuskripte und gelehrte Mitteilungen sind ausschließlich an Professor D. Hirsch in Döttingen, 10 Anril IQ?8

tJö. .Jctlltg. I'i. 7. Bauratgerberstr. 19, zu senden, Rezensionsexemplare ausschließlich an den Verlag. £o« April l7ÄO.

Spalte

Schrempf: Sokrates (Wach)........193

Reitzenstein u. Schaeder: Studien
zum antiken Synkretismus aus Iran und
Griechenland (Dibelius)..........195

Galling: Die Erwahlungstraditionen Israels
(Staerk)...................198

Arnold: The Caliphate (Heffening) .... 200

Mingana: Barsalibi's Treatise against the
Melchites. — Genuine and apocryphal
Works of Ignatius of Antioch. — A Jere-
miah Apocryphon. A new Life of John 0°
the Baptist. - Some Uncanonical Psalms
(Strothmann)................201

Spalte

Mingana: The Apology of Timothy the
Patriarch before the Caliph Mahdi (Strothmann
) ................... 2(L>

Hartmann: Die Krisis des Islam (Ders.) 206

V

Devaranne: Der gegenwärtige Geistes- ,
kämpf in Ostasien (Haas).........208

Richter: Das Werden der christlichen Kirche

in China (Ders.)..............208

Bert hol et: Kultur und Religion (Althaus) 209

Owen: Some Authentic Acts of the Early

Martyrs (Krüger)..............209

Merswin: Vier anfangende Jahre (Clemen) 209

Spalte

Dolezich: Die Mystik Jan van Ruysbroecks

des Wunderbaren (Clemen).........210

Arrowsmith: The Prelude to the Reformation
(Hirsch)..............210

Burdach: Vorspiel (Ficker)........210

Boehmer: Gesammelte Aufsätze (Hirsch) 210
Baum garten: Römische und andere Erinnerungen
(Schmidt)...........211

H e c k e 1: Exegese und Metaphysik bei Richard

Rothe (Hirsch)...............211

The Catholic University of America (Krüger) 214

Bemerkung (Eger)..............215

Mitteilung...................215

Schrempf, Christoph: Sokrates. Seine Persönlichkeit und sein ersteren Falle schwer, nur indirekt zu beantworten,
Glaube. Stuttgart: Fr. Frommann 1927. (184 s.) 8°. unser Charakter als Nichtgleichzeitige, Spätere, Andere

RM 4.50; geb. 6 . macht sich entscheidend bemerkbar (auch wo der große
Von den großen Persönlichkeiten, deren Namen I Mann ausdrücklich oder der Absicht nach für die „Nach-
die Geschichte aufbewahrt und weitergibt, mit denen weit" gewirkt und geschaffen hat, hebt sich hier nie-
sich die Folgezeit immer wieder beschäftigt, haben die mals das Ungleichzeitigkeitsverhältnis auf). Im andern
einen diese „menschliche Unsterblichkeit" offenbar auf | Fall erscheint diese Frage modifiziert: uns hat er nichts
Grund der Tatsache erlangt, daß sie tief in die Ge- j anderes zu sagen als er anderen zu sagen hatte, zu
schicke einer Zeit, in die sie hineingestellt waren, ein- sagen haben wird, aber eben dies sagt er auch u n s.
griffen, und zwar aus und in dem Geist der Zeit, in der j Socrates ist eine der „absoluten" großen Persie
lebten. Sie erscheinen uns als Inkarnationen gleich- ■ sönlichkeiten. Seine Erscheinung ist in dem Maße in-
sam des Geistes dieser ihrer Zeit. Und dann gibt es j different gegenüber der umgebenden Zeit, daß man hat
die andere Gruppe von Männern, deren Namen und fragen können: war Socrates „Grieche"? (Nietzsche).
Persönlichkeit uns gegenwärtig ist, uns überliefert Ein Schicksal hat ihn ereilt, das beinah symbolisch
wurde, weil man in ihnen, indem eben das „Zeitliche" diese Tatsache zum Ausdruck bringt. Die Forschung
gleichgiltig war, eine Seite, einen Zug des Mensch- arbeitet, wie lange schon, an der Aufgabe, seine geliehen
schlechthin rein und gleichsam nackt ans Licht s c h i c h 11 i c h e Gestalt zu erfassen, sie deutlich werden
hat treten sehen. Um Persönlichkeiten aus der ersten zu lassen, — daneben haben die größten Geister aller
Gruppe zu verstehen, ist für uns Entfernte eine mehr Zeiten den absoluten, den ewigen Socrates zu sich
oder weniger ausgedehnte Kenntnis, ist historisches und , sprechen lassen: Hegel, Kierkegaard, Nietzsche,
sachliches Wissen erforderlich, das uns in den Stand ! Die Beschäftigung des Verfassers des neuesten So-
setzt, ihr Tun und Schaffen, auch in seinen Folgen und j crates-Buches mit dem griechischen Weisen hat, wie er
Wirkungen zu überblicken, das Wechselwirkungsverhält- selbst im Vorwort sagt, zum letzten Beweggrund, daß
njs zwischen dieser Persönlichkeit und der Zeit, in der er sich mit dessen Hilfe über die praktischen Prosie
lebte, und das für ihre Beurteilung wichtig ist, zu bleme des Lebens zu orientieren versucht. Schrempf,
erfassen. Den Unsterblichen der anderen Art nähern der Übersetzer Kierkegaards, ist nicht unberührt von
wir uns anders: direkter. Eben weil wir uns „Men- der Auffassung, die der dänische Socrates von dem
sehen" fühlen, wie sie es waren, das Fremde nicht, griechischen hatte. Sein Buch ist eine Art Durchführung

sondern das Gleiche, unmittelbar Verbindende hier wirkt

ori, mit diesen, die Zeit- und Raumdifferenzen über-

dessen, was die Philosophischen Brocken mehr andeu-

erlaubt uns ein geheimnisvoll übereinstimmendes Apri- ten als ausführen. Wenn er versucht, gegenüber den

Mißverständnissen der Zeitgenossen, (auch Plato und

springend, in unmittelbaren Kontakt zu treten. Freilich, j Xenophon verstanden den Philosophen nicht) herausganz
wird auch hier die Strategie der methodischen An- j zuarbeiten, wie Socrates sich selbst verstanden habe,
näherung nicht ihr Recht verlieren: sie wird uns die j so hofft er damit auch verstehen zu können, wie Socra-
Persönlichkeiten erst sichtbar zu machen haben, mit ! tes in verschiedener Weise mißverstanden werden konnte
denen wir in die besprochene Verbindung treten — oft ! und mußte (S. 10). Die Apologie ist die Quelle, der er
genug eine schwierige, langwierige und verantwortliche j in der Hauptsache die Selbstauffassung des Socrates
Aufgabe. Zu beiden Arten von großen Individuen stehen entnehmen zu können glaubt (S. 13—39, 43, 46). Wie
wir, historisch gesehen, im Verhältnis der Nichtgleich- Socrates sich selbst verstand, — kann ja nur heißen, was
zeitigkeit, wir sind „Nachwelt" ihnen gegenüber. Aber er wollte im Hinblick auf den — zeitlosen — Mit-
dieses Verhältnis modifiziert sich seltsam in dem zwei- menschen, an den er sich immer gewendet hat. Der ist
ten Falle: die Nichtgleichzeitigkeit erscheint fast irre- der „Einzelne" (S. 36). Die Quintessenz ist, daß So-
levant, während sie im ersteren Falle von höchster Be- crates „wohl von dem Gotte dazu bestimmt war, daß
deutung ist. Tpn wir die entscheidende Frage: was I er die sich weise dünkenden Menschen von ihrer ver-
hat der Betreffende u n s zu sagen, so erscheint sie im kehrten Auffassung und Praxis des Lebens zu der rich-
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