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Ausgabe:

1928 Nr. 8

Spalte:

186-187

Autor/Hrsg.:

Niebergall, Friedrich

Titel/Untertitel:

Im Kampf um den Geist. Von Weltanschauungen und Religionen 1928

Rezensent:

Schian, Martin

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Theologische Literaturzeitung 1928 Nr. 8.

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bürde berichtet (dagegen K.V. Art. 136); weiter ein ausführlicher
Fragebogen der kirchlichen Behörde (München-Freising) für die Visitation
des gesamten Unterrichtsbetriebs, der erst im 4. Abschnitt des
Formulars auf den ,,Stand des Religionsunterrichts" kommt. Danehen
sind verschiedene kleinere Streitfalle aufgeführt: wegen Weglassung 1
des Ave Maria beim Vaterunser im Schulgebet (aus Rücksicht auf
einige eingeschulte prot. Kinder) inszeniert ein Dorfpfarrer unter Be- [
rufung auf das Konkordat (!) den Schulstreik; pädagogische Blätter,
die simultan, nicht ausgesprochen katholisch sind, werden bekämpft
usw.; weitere Einzelheiten sind hier entbehrlich; der Oesamtcharakter I
ist damit genügend gekennzeichnet. Von „Fällen" auf evangelischer
Seite — der Titel spricht auch von Auswirkungen der Kirchcnver-
träge — wird die von einem cv. Pfarrer durchgesetzte Umschulung
einiger Kinder aus einer nahe (7 Min.) gelegenen kath. Schule (in
der airer gleichwohl noch einige ev. Kinder bleiben!) in eine 1 Stunde 1
entfernte cv. Schule erwähnt. Bleibt noch von der Haltung des .
Staates zu diesen Auswirkungen des Konkordats zu reden. Auf dem
Papier ist die geistliche Schulaufsicht aufgehoben; in der Wirklich- |
keit ist sie verstärkt und fast zur Herrschaft geworden: der Staat
beschränkt sich auf die Rolle des weltlichen Arms; er enthebt Lehrer j
vom Dienst, pensioniert sie, versetzt sie, wenn kirchliche Behörden
es verlangen; er fordert den Verfasser des Buchs über den Bauernkrieg
zur Rechtfertigung auf; von Schutz des Lehrers durch die Staat- |
Hebe Behörde hört man nichts. In den Landtagsverhandlungen, in
denen jüngst (Ende Jan. 1628) die Sprache darauf kam, hat der j
Kultusminister gegen die kath. Redner, die die Wiederverehclichung
geschiedener Lehrer als „fortgesetzten Ehebruch" bezeichneten, nicht I
nur keinen Widerspruch erhohen, sondern ihren Standpunkt verteidigt; |
daß der Staat die von ihm anerkannte Ehe gegen solche Be- |
schimpfungen zu schützen hat, scheint in dem Land, wo sonst „Staats- I
autorität!" das ständig wiederholte Schlagwort ist, unbekannt zu sein.
Man dar! vielleicht angesichts der Zustände von 1625 ff. sich an das
Verhalten der hay. Regierung von 1601 erinnern, als die Bischöfe
die Zwangsversetzung zweier Lehrer, die in gemischter Ehe mit prot.
Kindererziehung lebten, verlangten; damals antwortete der Kultusminister
, die Regierung müsse grundsätzlich an den einschlägigen Bestimmungen
der Verfassung festhalten, die die Rechte der Eltern
hinsichtlich der religiösen Erziehung ihrer Kinder sicherte (vgl.
Schultheß, Europ. Oeschichtskalender 1601 S. 66 ff). Auch bei
Annahme des Konkordats wurden 1623 durch Erklärung des Landtags
dem Lehrer die Gewissensfreiheit und seine staatsbürgerlichen
Rechte garantiert; macht er heute aber davon Gebrauch, etwa durch
Eingehung einer staatlich anerkannten Ehe, der die Kirche ihre Zustimmung
verweigert, dann findet er keinen staatlichen Schutz. (Den
Ausweg, den die Soz.-Dem. Im Bildung' ausschuß des Reichstag-
vorgeschlagen hatten, solche Lehrer nicht auf Wartegcld» zu setzen,
sondern mit vollem Gehalt zu pensionieren, bezeichnete der hay. Kultusminister
am 28. 1. 28 als „undiskutierhar".) Übrigens ist von
Interesse, daß in den jüngsten LaiidtagsveTliandltmgen (27. Jan. 1628)
bekannt winde, d.di der hay. Staat in den Vorverhandlungen mit der
Kurie auch Verpflichtungen eingegangen ist, die bisher nicht öffentlich
bekanntgegeben worden sind.
Tübinnen. H. Dannenbatter._

Harris, Charles, D.D.: First Steps in the Philosophie of

Religion. With a Foreword by H. Maurice Relton. London:
Student Christian Movement 1627. (XVII, 138 S.) 8°. 2 sh. 6 d.
Dies vom Standpunkt des Anglo-Katholizismus aus j
geschriebene Buch kann uns darüber belehren, daß hier |
nicht nur Glaubensautorität, Mystik und Kultus, sondern
auch — in der Tat gut katholisch — das rationale
Denzen hochgehalten und gepflegt wird. Nach kurzer
Auseinandersetzung mit Skepsis und Kant'schem Phänomenalismus
greift es seine Aufgabe, die vernünftige
Begründung theistischen (jottesglaubens, energisch an.
Als überzeugendster Beweis wird der teleologische vorangestellt
, sodann aber auch der kosmologische als
schlüssig aufrechterhalten, da die Schwierigkeiten, in
die er verwickelt (unendliche Kausalkette), sich lösen
lassen. Führen diese beiden Argumente bereits zur Überzeugung
vom Dasein eines geistigen Gottes, so erhärtet |
der moralische Beweis auch seine sittliche Vollkommen-
hett, Die Nöte des Theodizeeproblems beseitigt der |
Hinweis auf die Unsterblichkeit. Gegenüber Pantheismus
und Semipantheismus (letzterer, hauptsächlich von
englischen Autoren, Pringle-Pattison u. a. vertreten, behauptet
bei relativer Verschiedenheit die gegenseitige Abhängigkeit
von Gott und Universum), die sich in unlöslichen
Selbstwiderspruch verstricken, wird Transzendenz
und Persönlichkeit Gottes verfochten. Ein Anhang verweist
die übermütige „Neue Psychologie" Psychoanalyse
in ihre gebührenden Schranken.

Das Buch zeichnet sich durch ungemeine Klarheit
aus. Charakteristisch ist der häufige Rekurs auf die in
England besser als in Deutschland bekannten griechischen
und römischen Klassiker. Dem deutschen Theologen
von heute möchte die hier mit großer Selbstsicherheit
einherschreitende Vernunftgläubigkeit leicht
oberflächlich erscheinen, doch sollte er beachten, daß
sein oft übereilter und ausschließlicher Appell an Entscheidung
und Wagnis vielleicht noch mehr dem Verdachte
der Oberflächlichkeit ausgesetzt ist. Ich kann
mich mit Tendenz und Geistesart des Verf.s weithin
einig erklären, glaube freilich im Einzelnen manche
Fragezeichen machen zu müssen. Der ontologische
Gottesbeweis, gelegentlich in Cartesianischer Fassung
vorgetragen, S. 52, scheint mir unter allen Umständen
hinfällig, da die Herkunft der Idee des absoluten Gottes
durch die einfache logische Operation der Entschränkung
auch ohne göttlichen Urheber erklärbar ist. Mit der teleologischen
Beweisführung macht Verf. es sich zu leicht.
Von der zweckmäßigen Form eines toten Gegenstandes
(Paleys Uhr) kann man allerdings auf einen geistigen
Urheber zurückschließen, aber ist dieser Schluß auch
dann berechtigt, wenn Zweckmäßigkeit zum Wesen des
Objektes gehört, wie es bei Organismen der Fall ist?
Auch die Auseinandersetzung mit Darwin befriedigt nicht
ganz. Selektion allein kann zwar nur ausmerzen, nicht
die Entwicklung vorwärtstreiben, wohl aber ist Selektion
in Verbindung mit Variation dazu im Stande. Die Argumentation
zu Gunsten einer nicht verursachten Ursache
ist zwingend, aber deren geistiger Charakter ist damit
nicht erwiesen. Gewiß sind uns nur geistige oder vom
Geist abhängige Ursachen verständlich, doch das beweist
nicht, daß es keine anderen gibt. Trefflich argumentiert
Verf. mit dem sittlichen Bewußtsein und unter
Berufung auf R. Ottos „brilliant work" mit dem religiösen
Kreaturgefühl. Hier ist in der Tat die Gewißheit
eines guten und erhabenen Gottes gesetzt, ja sogar
noch mehr als das, nämlich Friede und Freude, so daß
es zur Lösung des Theodizeeproblems nicht mehr unbedingt
der jenseitigen Vergeltung bedarf. Wird endlich
neben der Transzendenz auch die Immanenz Gottes
gelehrt, so kann man sich der Konsequenz kaum entziehen
, daß auch der Zeitlauf etwas für ihn bedeuten,
daß mit dem Moment des Lebens wohl auch das
des Werdens in ihm zur Geltung kommen muß, womit
Spannung — vielleicht auch aufzuhebender Gegensatz?
— gegeben wäre. Dann wäre aber eine radikal ablehnende
Stellung zu Pantheismus und Semipantheismus
nicht mehr möglich.
Iburg. W. Thimme.

Nieb ergall, Friedrich: Im Kampf um den Geist. Von Weltanschauungen
u. Religionen. München: F. Bruckmann 1627. (238 S.)
8". RM 6 - ; geb. 7.50.

Eine Übersicht über die gegenwärtig mit einander
ringenden Weltanschauungen und Strömungen will N.
bieten. Er stellt sie unter den Gesichtspunkt des Geistes;
er wertet sie, je nachdem sie dem Geist Raum lassen, je
nachdem sie den Geist Geist sein lassen, oder ihn in
die Stofflichkeit herabziehen. Von diesem Gesichtspunkt
gruppiert er auch. Die Reihe beginnt er zur „Linken"
mit Positivismus, Illusionismus, Fiktionismus, Subjektivismus
, Pragmatismus, Materialismus, Naturalismus, Atheismus
; es folgen Nietzsche, Spengler, Haeckel, Idealistischer
Monismus; dann kommt die eigentümlich benannte
Gruppe der „Sie" (Natur-) und Es-Religionen
(Pantheismus), Aufklärung, Rationalismus, Idealismus,
Bildungsreligion. Ein zweiter Abschnitt umfaßt die verschiedenen
Erscheinungsformen des Christentums, ein
dritter, Ersatzreligionen wie Mystik, Indisches Geistesleben
(hierbei Theosophie und Anthroposophie), Christian
Science, Okkultismus, Spiritismus. Ein nur das
Wichtigste nennendes Literaturverzeichnis und Register
(die noch vervollständigt werden könnten), bilden den
Beschluß. Die Schwierigkeit der Aufgabe hat N. wohl