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Ausgabe:

1927 Nr. 7

Spalte:

159

Autor/Hrsg.:

Michael, Edmund

Titel/Untertitel:

Die schlesische Kirche und ihr Patronat. 1. Teil 1927

Rezensent:

Bauermann, J.

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Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 7. 160

159

— eine bunte Reihe. Infolge dieser Buntheit ist es auch
unmöglich, auf Einzelheiten einzugehen. Ebenso ist für die
Auseinandersetzung mit der Qrundthese Peter Wusts, der
sicher manches richtig gesehen hat, anderes m. E. schief
deutet, hier nicht der Ort. Es sei nur darauf hingewiesen
, daß die Zusammenstellung einen guten und
leicht zugänglichen Einblick in die Kulturbestrebungen
des heutigen deutschen Katholizismus gewährt.

Güttingen. Kurt Dietrich Schmidt.

Michael, Edmund: Die schlesische Kirche und ihr Patronat.

1. Teil: Die schlesische Kirche und ihr Patronat im Mittelalter
unter polnischem Recht. Beiträge z. ältesten schlesischen Kirchengeschichte
. Mit einer Kte. Görlitz : Hoffmann & Redner 1926.
(288 S.) gr. 8°. Rm. 10—; geb. 11.50.

Mit diesem Buche legt der Verfasser den ersten Teil der auf
vier Bände berechneten Neubearbeitung seiner vor drei Jahren im
Selbstverlag erschienenen Arbeit über „Das schlesische Patronat" vor.
In dieser hatte er eine zusammenhängende Darstellung für das Mittelalter
noch nicht zu geben vermocht; eingehendere Behandlung hatten
die Patronatsverhältnisse erst für die Zeit nach der Reformation gefunden
. Das neue Werk greift weit über den Umfang des alten
hinaus; der mittelalterlichen Entwicklung wird derselbe Raum zugebilligt
wie der neuzeitlichen.

Die Bearbeitung des nunmehr wohl erschöpfend herangezogenen
Quellenstoffs zeigt dieselbe praktische Anlage und übersichtliche Anordnung
wie die erste Gestalt des Werkes, besonders in der Beigabe
von Tabellen, Sach-, Personen- und Ortsverzeichnissen sowie einer
Karte. Auf breitem Raum stellt Michael alle Nachrichten über
die Kirchen zu polnischem Recht zusammen. Ein geschichtlicher
Überblick über die politische Entwicklung des Landes und über die
für das Untersuchungsgebiet zuständigen Bistümer geht vorauf. Die
Ergebnisse der Studien bringen viel Neues, von bisherigen Anschauungen
Abweichendes. Die Zahl der Kirchengründungen nach polnischem
Rechte erweist sich als höher, denn bislang angenommen;
galt ja doch polnisches Recht auch während und nach der deutschen
Besiedlung noch weiter neben dem der Kolonisten. Charakteristisch
für slawische Kirchen ist besonders (ähnlich wie im sorbischen Gebiet
) die Ausstattung mit einem Dorf, daneben die mit Zehnten.
Von Patronat und Patronatsrecht ist in den schlesischen Urkunden
seit Anfang des 13. Jahrhunderts oft genug die Rede; seiner wahren
Natur aber ist das zugrundeliegende Rechtsverhältnis ein reines
Eigenkirchenrecht der Grundherren — als solche treten der Herzog
und sein Adel stark hervor — gegenüber den Kirchen. Deren Inhaber
gehören selbst großenteils dem Adel an, leben auch vielfach in Ehe.
Münster i. W. J. Bauermann.

Dingler, Prof. Dr. Hugo: Der Zusammenbruch der Wissenschaft
und der Primat der Philosophie. München: E. Reinhardt
1926. (400 S.) gr. 8°. Rm. 13—,
Ganz so radikal wie der Titel klingt, ist das Buch
nicht gemeint. Das muß nicht nur zur Warnung für
Neugierige gesagt sein, sondern auch zur Beruhigung
für die, die irgend etwas Ernstliches befürchten möchten
. Es ist nur die eigene Weisheit selbst, die dem Verf.
den Mut gibt, eine neue Epoche in der Geschichte der
Wissenschaft zu zählen. Die „alte große griechische
Idee der Einheit des Geistes" soll doch noch ihre Erfüllung
finden. Das System der reinen Synthese verbürgt
es. Schon daraus ersieht man, daß der Zusammenbruch
sich keineswegs auf die griechische Ideologie
selbst erstreckt, sondern nur auf die bisherigen Versuche,
diese Ideologie in sich zu vollenden. Wir hören, daß
die Antike mit ihrer Philosophie vor dem Osten kapitulieren
mußte, weil sie auf die Frage nach dem Grund
des Nus selbst keine Antwort wußte. Die „Zentralfrage
aller Philosophie" ist aber auf die Sicherheit des Letztbegründenden
gerichtet (19, 23 f.). Und das Mittelalter
mit dem „wundervoll gothisch gedachten synthetischrationalen
Gottesreich" seiner Philosophie versinkt wiederum
„in das trübe Meer mystischer Gefühle", weil
auch der Thomismus keine letzte Sicherheit hat (142 f.).
Nicht anders aber steht es um die neuzeitliche Wissenschaft
selbst, die in der Gegenwart allen sichtbar in
dieselbe Krisis einzutreten scheint, die der antiken und
mittelalterlichen Wissenschaft ein Ende gemacht hat.
Weder das Experiment noch die logische Begründung
kann die Sicherheit geben, die ein zweifeisfreies Arbeiten
ermöglicht, und die Folge davon ist der augenblickliche
Zustand, wo der allgemeine Skeptizismus sich
begnügt, mit der Anlage von „Weltanschauungsherbarien
" die Aufgabe der Philosophie für erfüllt zu halten
(133). „Und dies alles aus einer Ursache, die man in
drei Worten nennen kann, weil es nicht gelingt, an
dem schon oft im Kleinen und zwei- bis dreimal im
Großen zu errichten versuchten konstruktiven geistigen
Gewölbe den Schlußstein anzubringen. Der Schlußstein
aber ist die Lösung des Problems des letzten üeltungs-
grundes" (143).

Auf diese ungeheuer einfache Weise wird die Verwirrung
der Geschichte der Philosophie geklärt. Und
entsprechend einfach ist die Lösung selbst, die der Verf.
in seinen Werken zum Teil schon entwickelt hat, zum
Teil eben in dem vorliegenden Werk zu endgiltiger
Klarheit bringt. Das Kriterium nämlich für das end-
giltige System ist kein anderes als das der Einfachheit
selbst. „Wir werden also überall, wo uns die Wahl im
System freisteht, die einfachsten logischen Formen wählen
und zur Anwendung bringen." Denn dies Kriterium
war von je wenn auch unbewußt in der Menschheit
wirksam, und die Leistung des Verf. beschränkt
sich daher auch im Grunde nur darauf, daß er das auf
diesem Kriterium errichtete System „zum ersten Mal
wirklich bis zum letzten begründet, wobei zugleich alle
übrigen Systeme in ihrer relativen Unzulänglichkeit sich
enthüllen" (164). Wenn nun auch der Verf. sich darüber
klar ist, daß der Leser oder der „Rezensent", der
das Buch „von A bis Z in Ruhe" durchliest, sich wahrscheinlich
kein Bild von seiner Theorie machen kann —
weil „die Anschauungen... zu neu und zu schwer"
sind — (169), so muß doch versucht werden, auf die
innere Gipfelung des Systems der reinen Synthese noch
einen Blick zu werfen. Die zentralste Stelle in dem Bau
nimmt nämlich offenbar der Wille ein. „Will ich ein
rationales Darstellungssystem überhaupt aufbauen, so
bleibt, so willkürlich auch sonst alle Anordnung in
diesem sein mag, der Wille zum Aufbau und die grundlegenden
Fähigkeiten, die ich von Anfang an zum Aufbau
mitbringen muß, immer vor allem solchem Aufbau
vorausgenommen und damit ins rein Gegebene, ins
Absolute erhoben" (378). Der Voluntarismus ist somit
zugleich der Weisheit Schluß und der Weisheit Anfang
. Denn „aus dem Willen zur einfachsten Darstellung
folgt eindeutig die reine Synthese" (380). Das
ist das „Letzte", was der Verf. uns zu sagen hat. Das
ist der Freiheitsgrund des ganzen Systems (274) und
zugleich „die realste Realität", „die bisher irgend ein
philosophisches System aufzubringen vermochte" (278).
Real ist eben alles, was Grund der Herleitung ist, und
damit der Ausdruck für das logische Primärsein (281).

Es ist nicht möglich, von dem Gang der Entwicklung
im Einzelnen hier ein Bild zu geben. Verschwiegen
werden darf aber nicht, daß der Verf. da,
wo er die exakte Naturwissenschaft in ihren speziellen
methodischen Ergebnissen kritisiert, eine Fülle scharfer
Einwände macht. Der „Zusammenbruch" all dieser
Arbeit ist mithin lediglich in dem sinnlosen Anspruch begründet
, den der Verf. mit seinem systematischen Postulat
erhebt. Daß die letzten Abschnitte des Werkes, die mit
der Geschichte, dem Wunderbaren, mit Metaphysik,
Ethik und Theologie sich beschäftigen, nicht viel mehr
als Apercus geben, kann nach den beigebrachten Proben
der systematischen Verfahrensart nicht verwundern.
Die Ethik wird ganz auf biologischer Grundlage errichtet
. Denn offenbar kann ja der Wille, so wie er hier
gefaßt ist, nur ein „Urtrieb" sein, der damit zwar einen
Namen aber keine Qualität hat. Zwar wird er auch als
„Artdauererhaltungstrieb" (374) bezeichnet, aber eine
solche mit „etwa" eingeführte Bestimmung ist genau so
I grundlos, wie die Verpflichtung des Willens auf die
Einfachheit seines Systembaus. Und ich bekenne in der
Tat zu den gekennzeichneten Rezensenten zu gehören,
wenn es heißt: „Jedenfalls würde die Gesamtheit derer,
die sich den Urtrieb zur letzten Instanz gewählt haben,
dasjenige bilden, was in der hellenistisch-christlichen
I Eschatologie in unbewußter Weise (??) die Gemeinde
I der Heiligen darstellt und das kommende Reich Gottes,