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Ausgabe:

1927 Nr. 7

Spalte:

155-156

Autor/Hrsg.:

Teutsch, G. D.

Titel/Untertitel:

Die Generalkirchenvisitationsberichte 1927

Rezensent:

Bussmann, E. W.

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155

Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 7.

156

schaft von 1728 bis heute auf, mit vereinzelten näheren
Nachrichten über sie; Sander schildert eine Ephoral-
prüfung in der Grafschaft im Jahre 1847, und den Schluß
macht ein von Berghegger ans Licht gezogenes Bittgesuch
eines Pfarrers an das Hannoversche Ministerium
aus dem Jahre 1831 um Gehaltsaufbesserung, das mit
Recht ein Dokument pastoraler Not vor hundert Jahren
genannt wird.

Ahlden-Alfer.___E. W. BuBmann.

Teutsch, Q. D.: Die Generalkirchen Visitationsberichte.

Hrsg. v. Landeskonsistorium d. evang. Kirche A. B. in Siebenbürgen
. Hermannstadt: „Hontems" Buchdr. in Komm. 1925.
(X, 461 S.) 8°.

Es ist eine sehr wertvolle Gabe, die das sieben-
bürgische Landeskonsistorium uns mit diesem Buche
geschenkt hat. Es hatte beschlossen, die Visitationsberichte
des Landesbischofs G. D. Teutsch (f 1893) zu seinem
hundertjährigen Geburtstage und zum vierhundertjährigen
Gedenktag der Reformation (1917) zu veröffentlichen
, aber der Krieg und seine Folgen haben dies verhindert
. Und mit vollem Recht weist das Landeskonsistorium
darauf hin, daß das Buch angesichts all dessen,
was wir erlebt haben, heut wertvoller noch als früher
sei. Die Berichte geben ein anschauliches Bild der
Zustände in den zehn Einzelbezirken und erstrecken
sich von 1870 bis 1888, durchschnittlich ist in einem
Jahr je ein Bezirk gründlich visitiert worden, in einigen
hat sich die Visitation durch zwei Jahre hingezogen.

Das Besondere an diesen Berichten ist, daß sie für
das Landeskonsiistorium allein bestimmt waren, also nicht
mit dem Blick auf eine etwaige Veröffentlichung geschrieben
sind. Darum wirken sie auch um so ursprünglicher
und nachhaltiger, da sie „vollinhaltlich" veröffentlicht
werden. Sie sind ganz ungeschminkt geschrieben
, neben den vielen Glanzseiten, die die sieben-
bürgische Kirche aufzuweisen hat, werden auch manche
schwere Übelstände genannt. Aber überall leuchtet die
große Umsicht, die theologische Bildung und die tatkräftige
Energie des Bischofs, der der Kirche seines
Volkes sein Gepräge aufgedrückt hat, hervor, und unermüdlich
hat er seine schwere Arbeit geleistet. Denn
es bedeutet physisch schon eine große Arbeit, wenn
er z. B. vom 1. Juli bis zum 19. August, erst zwei
Wochen in Kronstadt, dann jeden Tag in einer Landgemeinde
zu visitieren und in letzteren auch jeden Tag
zu predigen hat, wobei stets andere Texte genommen
sind, dann aber über diese Visitationsreise einen Bericht
in solcher Ausführlichkeit an das Landeskonsistorium
schreibt, daß er im Buche 58 Druckseiten umfaßt. So
wird das Buch ganz von selbst zu einem Ruhmesblatt
für diesen ausgezeichneten Leiter einer deutsch-evangelischen
Kirche, die unter einem fremden Volke mit vielen
Schwierigkeiten zu kämpfen hat, aber auch beweist, wie
sich Volkstum und evangelischer Glaube gegenseitig
stützen und fördern. In der dem Buche beigegebenen
Einleitung, in der über die bisherigen Visitationen berichtet
wird, sagt darum das Landeskonsistorium: „Die
Berichte selbst sind ebenso kennzeichnend für ihn, wie
sie heut schon als eine historische Quelle ersten Ranges
für die äußere und innere Geschichte unserer Kirche
zu werten sind, dazu ein Beitrag zur Geschichte fast
jeder Gemeinde." Es wird die Hoffnung ausgesprochen,
daß sie Vielen Mut machen, die dieser Kirche in schwerer
Zeit von Gott gestellte Aufgabe zu vollführen, und Kraft
geben, die Güter des evangelischen und deutschen Lebens
, die den Gemeinden anvertraut sind, zu bewahren
und zu mehren. Diese Hoffnung wird sich sicher erfüllen
, denn jeder, der sich in die Berichte vertieft, wird
sich reich angeregt fühlen, besonders die Gemeinden
und Pfarrer, denen sie gelten.

Natürlich ist es zunächst eine reiche Fundgrube
für alle, die zur Kirchenleitung berufen sind. Neben der
großen Weisheit steht die Gründlichkeit, der nichts
Menschliches fremd bleibt, neben dem großen Ernst, ja
manchmal der Strenge stehen die große Liebenswürdigkeit
und Milde, die nur aufbauen möchten und das

Wohl der Gemeinde und der Gesamtkirche im Auge
haben. Es ist nicht möglich, dafür im Einzelnen Beweise
anzuführen, da es zu viel werden würden; manches
wird auch nicht einfach übernommen werden können
, da die Lage in unseren Gemeinden vielfach eine
andere ist als in den siebenbürgischen. Aber ich bin
sicher, daß Jeder, der in der Kirchenleitung steht, viel
Anregung für seine Tätigkeit und manche Wegweisung
finden wird.

Das Buch ist auch eine wesentliche Bereicherung
unserer praktischen Theologie. Einmal durch die Behandlung
vieler praktisch-theologischer Fragen, unter
denen ich nur die der Konzeption der Predigten nenne,
dann aber als bedeutender Beitrag zur Kirchenkunde. Es
gibt ein so deutliches Bild von dem Leben und den Zuständen
der Gemeinden dieser Kirche, wie es sonst nicht
leicht gegeben werden kann. Der Visitator registriert
regelmäßig auch alles historische Material, das sich
in den Gemeinden findet, wodurch manches geschichtlich
deutlicher wird. — Wohl sind unsere Verhältnisse
denen Siebenbürgens nicht gleich zu stellen. Viele Einrichtungen
, die dort von Alters her in Segen wirken —
z. B. Nachbarschaft, Bruderschaft und Scawesterschaft
als feste Gemeinschaften — lassen sich nicht einfach
übernehmen, und die enge Verbindung von Kirche und
Schule, die sich in den Visitationsberichten dort offenbart
, hat so bei uns nie bestanden, und jetzt ist ja eine
vollständige Trennung eingetreten, aber doch ist viel
des Vorbildlichen, das auch für unsere Gemeinden bedeutsam
werden könnte. Wie der Visitator die Mängel
nicht verschweigt, so soll auch hier nicht übersehen
werden, daß auch in mancher Beziehung unsere Gemeinden
ein höher entwickeltes Stadium zeigen, nicht
nur heute, wo es in Siebenbürgen auch wohl in mancher
Beziehung besser steht, als die Berichte für ihre
Zeit melden, sondern auch in der entsprechenden Zeit
der Berichte. Doch sind Vergleiche immer lehrreich,
und man kann sich dadurch anregen lassen, manches,
wenn auch nicht gradeso, aber doch anders als bisher
gestalten zu wollen.

Mit großem Dank für diese Gabe des Landeskonsistoriums
und innerlich bereichert legt man das Buch aus der Hand, das soviel
des Beachtenswerten enthält und von dem frischen und ernsten
religiösen Leben und Streben einer Minderheitskirche zeugt. Man
hat nur den Wunsch, daß das Buch auch eifrig gelesen und studiert
werde von denen, die zur Arbeit an den Gemeinden berufen sind,
sei es im Kirchenregirnent, sei es dn den theologischen Fakultäten
und den Predigerseminaren, aber auch von denen, die mitten in
einer Gemeinde stehen, den Pfarrern. Sollte bald eine neue Auflage
erscheinen, so möchte ich für die reiehsdeutschen Leser den
kleinen Wunsch äußern, daß Provinzialismen und Fachausdrücke,
wife sie nur dort gebräuchlich sind, in einer kurzen Zusammenstellung
am Ende etwa erklärt werden.

Ahlden-Alfer. E. W. Büß mann.

Muncker, Franz: Anschauungen vom englischen Staat und
Volkinderdeutschen Literatur der letzten vier Jahrhunderte.

1. u. 2. Teil. München: G. Franz in Komm. 1918 u. 1925. (162
u. 58 S.) 8°. = Sitzungsberichte d. bayer. Akad. d. Wissensch.,
Philos.-phiilol. u. histor. Klasse, Jg. 1918, 3. Abhdlg. u. 1925,
1. Abhdlg. Rm. 4.60.

Bei dem heute weitverbreiteten Interesse am westeuropäischen
Kulturkreis dürfte ein kurzer Hinweis auf
diese beiden Abhandlungen des bekannten, kürzlich verstorbenen
Münchener Literaturhistorikers angebracht
sein.

M. hat sich die Aufgabe gestellt, die maßgebenden
Persnölichketien der deutschen Literatur vom Reformationszeitalter
bis zum Ausgang des 19. Jh.'s auf Äußerungen
über englisches Staats- und Volkswesen hin abzuhorchen
, um ein Urteil darüber zu ermöglichen, wo
und wann uns bestimmte Auffassungen des englischen
Wesens, die später im deutschen Volk und in seiner
Literatur typisch wurden, zum ersten Male begegnen. —
In streng chronologischer Ordnung berichtet M.also zu
diesem Zwecke, was sich an einschlägigen Bemerkungen
bei den Scnriftstellern des genannten Zeitraumes findet.
Er macht sich seine Arbeit nicht leicht. Obwohl er