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Ausgabe:

1927 Nr. 7

Spalte:

151-152

Titel/Untertitel:

Bibliotheca philologica classica. Bd. 48 - 50, 1921 - 23 1927

Rezensent:

Dibelius, Martin

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151

Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 7.

152

chene Hypothese, daß der Einsetzungsbericht als Fest-
haggada während der Mahlzeit, nicht in allen solchen
Mahlzeiten, aber häufig seinen Platz gehabt hat. Ebenso
konnte die feierliche Keduscha hier aus den feierlichen
jüdischen Mahlzeiten mit herüber genommen werden.
Damit kommen wir zu den letzten Schlüssen L.'s für die
apostolische Zeit. Er will hier den paulinischen Typ
und den judenchristlichen der ersten Zeit scharf unterscheiden
. Gewiß liegen dieser Beobachtung richtige
Momente zu Grunde. Es können in den paulinisch-
heidenchristlichen Feiern andere Momente schärfer in
den Vordergrund getreten sein als in Jerusalem und
Ägypten. Der Tod Jesu in seiner Heilsbedeutung kann
mehr zur Geltung gekommen sein, während in der
Jerusalemer Urform die Mahlzeit mit ihren frommen
Bräuchen noch weniger durchchristianisiert war. Da
aber auch L. daran festhält, daß Jesus selbst die Ur-
gleichung zwischen seiner Lebenshingabe und dem Brot
tatsächlich vollzogen hat — ich sehe nicht ein, warum
nicht auch mit dem Wein, — so ist hier ein festes
Gemeinsames gegeben, das bei Markus ebenso wie 1.
Cor. 11 sicher überliefert ist. Dagegen ist nun zu beachten
, daß das Brotbrechen an sich verbunden mit ,
dem Segensgebet auch in kleinsten Gemeinschaften
weiter üblich blieb ohne jedesmal zur evyaQiaxia
für den Tod Jesu zu werden. Wir werden uns eine viel
größere Mannigfaltigkeit einfacher und feierlicher Form
schon in ältester Zeit vorzustellen haben. L. geht leider
auf meine Forschungen über die Zusammenhänge
von Tischgebeten und Abendmahlsgebeten (vgl. T. U.
N. F. XIV, 2 b.) nicht ein. Ich wies damals auf die Urform
der vipwoig rjjc navayLag hin; auch kommen
bei L. die Christusepiphanien, das Reservieren des Platzes
für Jesus mit der [tolqa Xqiaxov nicht mit zur Untersuchung
. Hier zeigen sich noch andere Einzelzüge, die
dem Jerusalemtyp nahe stehen. Das Bedenklichste an
der letzten Konstruktion L.'s ist, daß Paulus zum Erfinder
der „Gedächtnisfeier des Todes Jesu" gemacht
wird. Es ist einfach unbegreiflich, wie das in
Jerusalem gefehlt haben soll. Hier wirkt doch wieder
, wie so oft die Methode ein, daß man die Typen, die
man für das zweite und dritte Jahrhundert als vollzogene
Gabelung konstatieren kann, stärker auf die j
Phantasiekonstruktion des ersten Jahrhunderts zurückwirken
läßt, als es die Quellen der apostolischen Zeit
zulassen. Meiner Meinung nach genügt es vollkommen,
wenn man im Rahmen der urchristlichen Mahlzeit das
stärkere Hervortreten des einen oder andern Moments
anzunehmen hat und daß dann unter Fortwirkung gegenseitiger
Beeinflussung verschiedene Grundtypen sich
herausbildeten, wie wir sie bei Hippolyt einerseits, bei
Didache-Serapion andrerseits erkennen können.

Diese meine Einwendungen, die hier nur angedeutet
werden konnten, belassen dem Buche L.'s seine
hervorragende Bedeutung. Es ist eigentlich die
erste Bearbeitung des Problems, die mit umfassender
Gelehrsamkeit und tiefem Eindringen in die Quellen
durchgeführt wird. Popularisiert sollten diese Erörterungen
freilich noch nicht werden; dazu sind sie in
ihrer einschneidenden Bedeutung noch nicht genug sicher
gestellt. Aber die altkirchliche Liturgik hat hier ein
ganz neues Fundament erhalten, die Erforschung des
Urchristentums einen sehr wertvollen Beitrag. Doch wie
in der Erforschung der Urgestalt des Neuen Testaments
so wird auch hier in der Geschichte des Abendmahls
klar, auf welch unsicheren Boden man kommt, wenn
man vom 3. und 2. Jahrhundert aus die letzten Schritte
bis zur apostolischen Zeit zurück tun will.

Greifswaid. Ed. von der Goltz.

Bibliotheca philologica classica. Beiblatt zum Jahresbericht über
die Fortschritte der klassischen Altertumswissenschaft. Hrsg. v.
Friedrich Vogel. Bd. 48, 1921; Bd. 49, 1922; Bd. 50, 1923.
Leipzig: O. R. Reisland 1925 u. 1926. (VII, 280, VI, 263 u. V,
309 S.) gr. 8°. je Rm. 8—.

Es bedarf eigentlich keines Wortes, um diese Bände als sehr

nützlich zu kennzeichnen. Für den Theologen sind die Abschnitte,

die sich nicht mit der Literatur der Christen befassen, fast noch
nützlicher als die sein eigenes Fach behandelnden. Denn gerade
sprach- und literaturgeschichtliche Aufsätze aus den Nachbargebieten,
die ihm „gut und nützlich zu lesen sind", bleiben für ihn bisweilen
„apokryph", weil sie in Zeitschriften, die er nicht regelmäßig ansieht
, erschienen sind, oder als Dissertationen überhaupt nur eine
beschränkte Publizität erreichen. Was nun die Arbeiten über christliche
Themen anlangt, so muß man wissen, daß sie teils in dem
Abschnitt „Religionsgeschichte" unter Urchristentum, teils in dem
Abschnitt „Schriftsteller" — hier meist, aber nicht ausschließlich
Exegetisches — gesucht werden müssen, und in diesem letzteren
auch unter Testamentum; Biblia, Christiana und Patristica, und «laß
diese beiden Artikel wieder unter dem Obcrtitel „Sammlungen und
Anthologien" stehen, wo man sie nicht gerade von vorn herein
vermutet. Der Schaden wäre noch geringer, wenn es etwa bei den
Schriftstellern unter Paulus einen allgemeinen Hinweis gäbe. Freilich
ist diese Literatur schwer zu rubrizieren, aber diese bibliographische
Schwierigkeit ist der Ausdruck einer literarhistorischen
Tatsache, und darum darf man ihr auch bibliographisch Rechnung
tragen.

Heidelberg. Martin D i b e 1 i u s.

Stachnik, Dr. Richard: Die Bildung des Weltklerus im
Frankenreiche von Karl Martell bis auf Ludwig den Frommen.

I Eine Darstellg. ihrer geschichtl. Entwickig. Paderborn: F. Schö-
ningh 1926. (X, 103 S.) gr. 8°. Rm. 6—.

Nach einer kurzen Einleitung über die Bildung des
Klerus zur Zeit der Merowinger schildert der Verf. das Einsetzen
der Bestrebungen zu wissenschaftlicher Schulung
des Klerus in der ersten Karolingerzeit. Bei dem Mangel an
Quellen läßt sich nur feststellen, daß wenn auch die Organisation
der Kirche im Frankenreich zerbrochen war und
der Staat, anstatt aufbauend einzuwirken, durch sein gewalttätiges
Eingreifen die Kirche immer mehr verwundete,
doch im Schöße derselben noch alte aus der merowih-
gischen Nachblüte aufgespeicherte geistige Kräfte und
Einrichtungen vorhanden waren, die dem Klerus ein
gewisses Maß von Bildung vermittelten. Von der angelsächsischen
Kirche ging dann die Regeneration des
Klerus aus, die von Austrasien nach Neustrien übergriff
und, mit den dortigen Ansätzen sich verbindend, die karo-
lingische Renaissance vorbereitete. Im 2. Kapitel wird
dann die Entfaltung des Kleriker-Bildungswesen unter
Karl d. Gr. behandelt. Hier fließen unsere Quellen reich-
j licher. Eine neue Epoche der Gesetzgebung für das
Klerikerbildungswesen beginnt durch die persönliche Initiative
Karls d. Gr. Er fordert dabei ausdrücklich das
Studium der Profanwissenschaft zum Zweck des besseren
Verständnisses der theologischen Wissenschaft. Es sollen
Vorbereitungsschulen an allen Klöstern und Bischofssitzen
und höhere Seminare an den Diözesanzentren errichtet
werden. Das 3. Kapitel ist den Bemühungen
Ludwigs des Frommen und seiner Bischöfe um die
Bildung des Klerus gewidmet. Wenn auch in dieser
Zeit der Episkopat mehr als in der Zeit Karls neben
dem Herrscher in den Vordergrund trat, so wäre es doch
verfehlt anzunehmen, daß Ludwig die Sorge für die
Bildung des Klerus vollständig aus der Hand gegeben
hat. In den letzten Zeiten seiner Regierung von 828—840
hatte allerdings der Episkopat das Klerikersohulungs-
wesen ganz in seine Hand genommen. Die Klosterschulen
von Fulda, Reichenau, St. Gallen und andere
überflügelten in dieser Zeit die Stiftsschulen. Wenn
auch der Verfasser nicht zu überraschend neuen Resultaten
in seiner gründlichen, die vorhandenen Quellen
vollständig ausnutzenden Darstellung gelangt ist, so hat
er doch die Bildungsbestrebungen, die dabei wirkenden
Faktoren und die Erfolge der Bemühungen im karolin-
gischen Zeitalter klargelegt.

Münster i. VC. O. Grützmacher.

Kurfess, A.: Altchristliche Literatur des Abendlandes.

Ausgewählt u. hrsg. Leipzig: B. G. Teubner 1926. (32 S.) 8°. =
Eclogae graecolatinae, fasc. 17. Rm. —80.

Auf zwei Bogen werden zusammengepreßt Altchristliche Prosa
(1. Die ältesten Quellen über die Christen; 2. Tertullians Apologeti-
cum; 3. Minucius Felix [ausgiehig]; 4. Lactantius; 5. Ambrosius und
i Symmachus über die ara Victoriae) und Altchristliche Poesie (Gloria,