Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1927 Nr. 6

Spalte:

141

Autor/Hrsg.:

Stolzenburg, A. F.

Titel/Untertitel:

Anthroposophie und Christentum 1927

Rezensent:

Adolph, Heinrich

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

141

Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 6.

142

ursprünglich eben kein Sakrament war, wie denn auch in der altchristlichen
Literatur zwischen der eigentlichen Sündennachlassung
in der Taufe und der späteren mühsamen Sündenabbüßung wohl
unterschieden wird. Von einer „Papst-Konsekration" (S. 39) wird
besser nicht gesprochen, und man kann auch nicht sagen, daß sie „mit
der Bischofsweihe zusammengenommen wird". Was eine „vollzogene"
Ehe ist (S: 41), weiß der Laie meistens nicht. Die Wendung S. 42
„Das Kreuzopfer auf Oolgatha ist nach katholischer Lehre geschehen
mit irgend einer Bezugnahme auf die katholische Messe"
scheint mir nicht glücklich zu sein, besser wäre eine umgekehrte Bezugnahme
. S. 90 ist die Anschauung geäußert, daß die Überordnung
der Kirche über den Staat der Schatten sei, den die urchristliche Enderwartung
in die späteren Jahrhunderte werfe. Dann hätte sich
dieser Anspruch aber auch in der griechisclien Kirche äußern und erhalten
müssen. In Wirklichkeit kommt er von der Entwicklung der
Papstgewalt und der Entdeckung, daß die Kirche eine societas perfecta
sei. Bei der „praktischen Lage" der katholischen Sittlichkeit
(S. 99 ff.) dürfte vielleicht erwähnt sein, daß die Kirchengebote vielfach
gewissenhafter beobachtet werden als die Gebote Gottes. Erst
kürzlich hat eine Gerichtsverhandlung wieder gezeigt, daß Diebe
oder Einbrecher sich ängstlich hüteten, am Freitag Fleisch zu essen.
München. Huß° Kocb~

Stolzenburg, Priv.-Doz. Lic. A. F.: Anthroposophie und

Christentum. Berlin: Speyer & Peters 1925. (VIII, 115 S.)

gr. 8° Rm.2.50.
Das Buch unterscheidet sich von ähnlichen Arbeiten dadurch,
daß es über bis jetzt nicht veröffentlichtes Material verfügt und somit
den Vorzug authentischster Quellenverwerrung besitzt. Damit ist
die Gewähr unbedingt exakter Darstellung gegeben. Mit der genauen
Kenntnis des Stoffes geht dessen geistige Durchdringung Hand
in Hand. Verf. hat sich mit der Anthroposophie innerlich auseinandergesetzt
und sie persönlich überwunden. Dies befähigt ihn
zu einer knappen und doch erschöpfenden Darstellung ihres Systems.
Die Hauptsache aber ist die Beurteilung, die schon äußerlich beinahe
zwei Drittel des Buches einnimmt. Sie bemüht sich vor allem
um grundsätzliche Tiefe. Die entscheidenden Unterschiede zwischen
Christentum und Geisteswissenschaft werden herausgehoben. „Wogegen
wir uns . .. wehren, ist der Versuch .. . die Ausweitung unseres
intellektuellen Horizontes, irgendeine Erweiterung unseres Weltbildes
... zum Zentrum und Schwerpunkt unseres Glaubens zu machen.
Und das geschieht in der Tat, wenn im Intellekt die entscheidende
Funktion der Psyche erblickt wird, wenn die Religiosität... ausschließlich
an der Erkenntnis sich entzünden soll, wenn das Christentum
aufgefordert wird, das Schwergewicht vom Soteriologischen auf
das Kosmologische, vom Religiös-Ethischen auf das Naturhafte zu
verlegen ..." Von diesen beherrschenden Leitgedanken aus, die auch
erkenntniskritisch unterbaut sind, schreitet dann die Kritik mehr ins
Einzelne fort. Die Lehren von Gott, Christus, der Sünde, dem
ethischen Handeln usf. werden durchgenommen. Vielleicht fühlt sich
mancher Leser durch die Breite der Auseinandersetzung etwas verwirrt.
Doch erhält er dafür eine Fülle von Gesichtspunkten. Es will uns
scheinen, als ob nun, nachdem schon so viel über Steiner geschrieben
worden ist, kaum etwas Neues gesagt werden könnte. Dadurch gewinnt
vorliegendes Buch, soweit dies im Fluß des Geisteslebens
möglich ist, die Bedeutung eines endgiltigen Abschlusses und letzten
Worte.

Gießen. Heinrich Adolph.

Sombart, Werner: Soziologie. Bearb. unter Mitwirkung v. H.
L. Stoltenberg. 3. Aufl. Berlin: Pan-Verl. R. Heise 1923.
(228 S.) 8°. = Quellenhandbücher d. Philosophie.

Rm. 3.60; geb. 4.50.

Diese soziologische „Anthologie" wird von Sombart
mit einer kurzen, aber gehaltvollen Einleitung be-
vorwortet. Er unterscheidet die eigentliche oder wissenschaftliche
Soziologie als empirisch von der philosophischen
Soziologie oder Geschichtsphilosophie als
systematisch, auf das sich Wiederholende, Typische bezogen
, von der Geschichtswissenschaft. Als die beiden
möglichen Richtungen kennzeichnet er sodann die seelwissenschaftliche
, psychologische und geistwissenschaftliche
, noologische Soziologie. Jene löst alles objektiv
Geistige (Sprache, Religion, Staat, Kunst, Wirtschaft)
in seelische Elemente (Gefühl, Instinkt, Trieb) auf und
sucht nach den psychologischen Gesetzen, die den Aufbau
des Kulturlebens aus diesen letzten Grundtatsachen
regeln. Diese erkennt das Geistige in seiner Selbständigkeit
und stellt das große Geschichtsphänomen, daß
Geist Seele wird, als einen sich in bestimmten typischen
Formen gesellschaftlichen Lebens abspielenden
Prozeß dar, ohne den Versuch zu machen, die verschiedenen
kulturellen Ausprägungen des Geistes auf
einen Generalnenner zu bringen, woraus sich ein ganz
neuer Begriff des Verstehcns (statt psychologischer Einfühlung
Sinn- und Bedeutung-Verstehen) und der Gesetzmäßigkeit
(nicht kausale, sondern Sinngesetzmäßigkeit)
ergibt. In der trefflichen Auswahl zusammenhängender,
grundlegender Abschnitte aus den Werken bedeutender
Soziologen des 19. Jahrhunderts bis hin zur Gegenwart
(es sind vertreten A. Comte, G. A. Lindner, H. Spencer,
A. Schäffle, F. Tönnies, G. Le Bon, R. Stammler, G.
Tarde, O. v. Gierke, L. F. Ward, K. Breysig, W.
Wundt, G. Simmel, O. Spann, M. Scheler, M. Weber)
kommt sowohl die ältere psychologistische, den westlichen
Kulturkreis noch durchaus beherrschende, als
auch die neuerdings in Deutschland sich emporringende
„noologische" Soziologie, zu der sich auch Sombart bekennt
, ausgiebig zu Worte. Vergleicht man diese charakteristischen
, nach der zeitlichen Reihenfolge, nicht
nach sachlichen Gesichtspunkten zusammengestellten,
sich meist scharf von einander abhebenden Beiträge, so
fragt man sich doch, auch wenn man das grundsätzliche
Recht der geistwissenschaftlichen Betrachtungsweise würdigt
und sich an der größeren Gedankentiefe und Eigenart
der spezifisch deutschen Soziologie freut, ob nicht
auch jene feinsinnigen kausal-psychologisch orientierten
Untersuchungen etwa eines Le Bon oder Simmel ihren
Wert und ihre Wahrheit haben, ob nicht in der Soziologie
neben den geistigen Richtungsprinzipien auch jene
seelischen Triebkräfte berücksichtigt werden können und
müssen, mit andern Worten, ob nicht eine Ergänzung,
womöglich Durchdringung der beiden Methoden anzustreben
wäre.

Iburg. W. Thimme.

Söderblom, Erzbischof Nathan: Der evangelische Begriff
eines Heiligen. Eine akadem. Vorlesung. Greifswald: Ratebuchh.
L. Bamberg 1925. (24 S.) gr. 8°. Rm. 1.20.

Im Gegensatz zu dem katholischen Begriff des Heiligen und
dem der hausbackenen Biederkeit entwickelt S. den evangelischen.
Jener, der Kultus und Mirakel hetonx, fällt unter die Linie des Evangeliums
auf den Standpunkt der Primitiven hinab; dieser, der nur
auf die Übereinstimmung mit einem fertigen Muster von Tugenden
sieht, verkennt das Recht des Heroischen und die Bedeutung der
Kraft Gottes, die in den Schwachen mächtig ist, — das ist das Recht
des katholischen Begriffes.

Marburg. F. Niebergall.

Ranke, Leopold von: Aus zwei Jahrtausenden deutscher Geschichte
. Zusammengefaßte Darstellungen der großen Entscheidungen
deutscher Geschichte von Cäsar bis Bismarck hrsg. von Prof.
Gustav Roloff. 1.—19. Tausend. (Sonderband d. „Blauen
Bücher".) Königstein im Taunus: K. R. Langewiesche 1924
(286 S.) kl. 8». Rm. 3.30.

Es war Ranke nicht vergönnt, eine deutsche Geschichte als
selbständiges Werk aus einem Guß zu schreiben. Aber er hat umfangreiche
Abschnitte der deutschen Geschichte in großen und kleineren
Arbeiten behandelt und ihrer in der Geschichte der Päpste, in der
französischen Geschichte, in seiner „Weltgeschichte" so oft gedacht
daß es möglich ist, sich aus seinen Werken eine Vorstellung von
dem Gesamtverlauf der deutschen Geschichte, wenigstens in ihren
wichtigsten. Epochen, zu bilden. Der Gießener Historiker Roloff
hat mit geringen eigenen Zusätzen und Erläuterungen Rankes Stücke
am Faden aufgereiht und damit ein Buch geschaffen, das freilich
eine gewisse Kenntnis vom Gesamtvcrlauf und den entscheidenden
Tatsachen unserer Geschichte bedingt, aber ohne gelehrte Voraussetzungen
dem Leser zeigt, wie R. die bedeutendsten Ereignisse im
Leben unseres Volkes angesehen hat. Wer das Buch zu Ende gelesen
bedauert gewiß, daß unausfüllbare Lücken (Der Tag von Worms, Freiheitskriege
, Bismarcks politisches Werk) bleiben, bekommt aber
starken Antrieb, sich in des Meisters vollständige Werke zu vertiefen.
Hannover-Kleefeld. H. Schuster.

Aehretl aus der Garbe. Kleines Jahrbuch des Matthias-Grünewald
-Verlags 1926. Mainz: Matthias - Griinewald - Verl. • Auslieferung
: H. Rauch, Wiesbaden). (XVI, 264 S.) kl. 8°. = 'christi
Reich im Osten. kart. Rm 3_

Den Gegenstand dieses Bandes bilden die geistige Bedeutung

Wladimir Solowjews und die inneren Voraussetzungen zur Wie-