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Ausgabe: | 1927 Nr. 5 |
Spalte: | 115 |
Autor/Hrsg.: | Siebeck, Werner |
Titel/Untertitel: | Der Heidelberger Verlag von Jakob Christian Benjamin Mohr 1927 |
Rezensent: | Ruprecht, Eberhard |
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Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 5.
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Sieb eck, Werner: Der Heidelberger Verlag von Jakob
Christian Benjamin Mohr. Ein Rückblick. Mit e. Bildnis u.
e. Urkunde in Faksimiledruck. Tübingen: J. C. B. Mohr 1926. (VIII,
114 S.) 8°. Rm. 4—; Hlwd. 6.50.
Es ist ein recht interessantes Stück deutscher Wissenschaftsgeschichte
, das sich mit dem Namen J. C.B.Mohr verbindet. IS04
übernahm Mohr die 1801 in Frankfurt von Aug. Hermann gegründete
Buchhandlung nebst Verlag. 1805 wurde die Heidelberger Filiale
gegründet, die bald zum Hauptgeschäft wurde. Die Universität Heidelberg
war damals nach der kurz vorher erfolgten Reorganisation in
großem Aufschwung begriffen. Die Blüte der Romantik fiel in jene
und die folgenden Jahre. So war es natürlich, daß sie dem Verlag
das Gepräge gab — Arnim und Brentano, GöTres, Jean Paul und
Maler Müller zählten damals zu den Autoren. — Später wurden besonders
Rechtswissenschaft, Philosophie und Theologie gepflegt. Der
Theologe Karl Daub und mancher andere verlegten damals ihre
Schriften bei J. C.B.Mohr. Von den Theologen, die in den späteren
Jahrzehnten in den Autorenkreis traten, seien besonders Friedrich
Hitzig, Daniel Schenkel und Richard Rothe erwähnt. — J.C.B.
Mohr gehörte zu den weitblickenden und tatkräftigen Verlegernaturen,
wie wir sie auch heute noch vielfach finden, denen ihre Verlagsarbeit
in erster Linie Dienst an der Wissenschaft ist und die auch
wirklich Opfer dafür bringen. Sein Wirken bedeutete eine wesentliche
Förderung des geistigen Lebens seiner Zeit. Es konnte hier nur
wenig darüber angedeutet werden. Aber es ist außerordentlich reizvoll
, an Hand der sorgfältig gearbeiteten und anregenden Schrift
Werner Siebecks dies Wirken zu verfolgen.
Göttingen. Günther Ruprecht.
Haack, Geh. Oberkirchenrat a.D. D. theol. Ernst: Führungen und
Erfahrungen. Lebenserinnerungen aus 70 Jahren. Mit e. Bildnis
d. Verf. Schwerin: Fr. Bahn 1925. (240 S.) 8°. Rm. 4—; geb. 6—.
Eine Autobiographie, die ihrer nächsten Bestimmung für die
Familie gemäß intimes Gepräge trägt. Indem sie den Lebensgang
eines in Schul- und Pfarramt, kirchenregimentlicher Stellung und
Leitung eines Predigerseminars erprobten mecklenburgischen Theologen
von bedeutender kirchlicher Wirksamkeit zeichnet, gibt sie
einen wertvollen Beitrag zur Geschichte seiner Heimatkirchc in den
letzten zwei Menschenaltern ihres Bestehens unter dem landesherrlichen
Summepiskopat. Auch der Geschichtsschreiber des Luthertums
in den letzten 100 Jahren, als dessen charaktervoller theologischer
Vertreter in den Spuren von Kliefoth und Philippi Haack sich
auoh wissenschaftlich erwiesen hat, wird diese Aufzeichnungen als
Quelle zu schätzen wissen.
Göttingen. Johannes Behm.
Meyer, Dr. phil. Jonas: Die Kastenlosen Indiens auf dem
Wege zur Freiheit. Zürich: Kanaresische Mission 1925. (138 S.
m. Abb. u. 1 Kte.) 8°. = Studien z. gegenwärt. Lage in Indien,
H. 3. Rm. 2—.
Nachdem der deutschen Mission die Tür zu dem
Wunderland Indien sich wieder geöffnet hat, kann
ein Buch, das in die dortige Missionsarbeit einführt, auf
Interesse rechnen. Für die Wissenschaft ist es besonders
die Geisteswelt Indiens mit ihren eigenartigen religionsphilosophischen
Spekulationen, die das Auge auf sich
zieht. Die Kastenlosen, in deren äußere und innere Lage
der Verfasser uns hineinblicken läßt, haben an diesem
Reichtum keinen Anteil. Die indische Geisteswelt hat
sich bislang bewußt vor diesen Ärmsten unter den
Armen versperrt. Die nationale Bewegung unter Gandhi
fängt an, das Unrecht Indiens an den mehr als 50 Millionen
Paria zu erkennen und bemüht sich, eine soziale
und geistige Hebung derselben zu erwirken. Die Mission
hat an diesem Ziel schon seit langem gearbeitet, und
nicht ohne Erfolg. Dr. Meyer, der der Kanaresischen
Mission in Zürich angehört, läßt uns einen tiefen Einblick
in die verschiedenen Arbeitszweige der Mission tun,
besonders auf dem Gebiet der Schule und der Gemeindepflege
. Die segensreichen Wirkungen dieser Arbeit werden
gebührend gewürdigt. Eine eingehende Berücksichtigung
finden die für die Kastenlosen Indiens charakteristischen
Massenbewegungen zum Christentum. Es
wird zugestanden, daß dabei vielfach soziale, wirtschaftliche
und allgemein geistige Beweggründe mitwirken.
Sie sind also durchaus nicht rein geistliche Erwcckungs-
bewegungen; doch fehlt in ihnen das religiöse Moment
keineswegs.
Das Buch ist einfach, frisch und anschaulich geschrieben
und eignet sich auch für einfache Leser. Aber
auch dem, der sich wissenschaftlich mit der Mission
beschäftigt, kann es einen Dienst leisten.
Hermannsburg. Chr. Schomerus.
Hurter, H.,S. J.: Nomenciator literarius theologiae catholicae.
Theologos exhibens aetate, natione, disdplinis. Tom. I, aetas
prima. Ab aerae christianae initids ad theologiae scholasticae exor-
dia (1109). Ed. quarta, cura Fr. Pangerl, S. J. Innsbruck:
Wagner 1926. (XV, 1099 S.) gr. 8°. Rm. 16—.
Der 1. Band des „Hurter" war seit längerer Zeit
vergriffen und wurde stark vermißt. Die Verlagsbuchhandlung
legt jetzt von ihm die 4. Auflage vor, die
jedoch nur ein, im Manualdruckverfahren hergestellter
, unveränderter Abdruck der 3. Auflage ist, eine
Tatsache, die unbedingt auf dem Titelblatt der neuen
Auflage hätte angegeben werden müssen. Ein demnächst
auszugebendes , Heft soll aus der Feder Fr. Pangerls
Addenda und Corrigenda bringen. Ihm wird auch das
Register beigegeben werden. Hoffentlich wird das
Heft auch einzeln an die Besitzer der 3. Auflage abgegeben
werden.
Göttingeil. Kurt Dietrich Schmidt.
Stieler, Georg: Nikolaus Malebranche. Mit Bildnis. Stuttgart:
F. Frommann 1925. (VII, 174 S.> 8°. = Frommanns Klassiker d.
Philosophie, 24. Rm.6—; geb. 7.50.
Vielleicht ist es garnicht nötig, auf dem Umweg über den wieder
sehr modern gewordenen Leibniz für Malebranche zu werben, wie
der Verf. es tut. Für mich ist die Recherche de la verite immer das
einzige Werk gewesen, das mir den Geist des Rationalismus in einer
Weise hat vermitteln können, die die Lektüre nicht zu einer pflicht-
mäßiig getriebenen Sache sondern zu einem immer in innerer Spannung
haltenden Ereignis machte. Davon gibt aber in der Darstellung
Stielers höchstens die Einleitung einen Begriff. Augustin geht doch
nicht nur erkenntnistheoretisch in Malebranche ein, so wie man das
von Descartes sagen könnte. Sondern in Malebranche lebt etwas von
der Augustinischen Gewißheit, und das steht in einer eigenartigen
Spannung zur rationalistischen Gewißheit, die die Form der Darstellung
endgiltig bestimmt. Im Übrigen vermittelt die Darstellung
des Verfs. einen Überblick über das Leben, die Lehre und die historische
Nachwirkung des Malebranche. Sie ist brauchbar, um einen
allgemeinen Überblick über den tatsächlichen Lehrgehalt und seine
historische Auswirkung zu gewinnen. Zu beanstanden wäre höchstens,
daß das Problem der Ootteserkenntnis dabei zu kurz kommt. Das
hängt aber mit der Beschränkung auf die mehr vermittelnde als ursprünglich
erfassende Art der Behandlung zusammen. Auf jeden
Fall füllt das Buch eine Lücke aus, da bekanntlich sogar Dilthey auf
die Einbeziehung von Malebranche in seine Forschungen über das,
16. und 17. Jahrhundert verzichtet hat.
Bremen. H. K n i t te r m ey e r.
Cohn, Jonas: Die Philosophie im Zeitalter des Spezialismus.
(Nachkantische Philosophie, zweite Hälfte.) [Geschichte der Philosophie
, 7. Teil.] Leipzig: B. G. Teubner 1925. (130 S.) kl. 8°. =
Aus Natur u. Geisteswelt, Bd. 747. geb. Rm. 2—.
Verf. stellt die Philosophie des 19. Jahrhunderts — soweit
Deutschland in Betracht kommt, seit Hegels Tode — unter dem Gesichtspunkt
dar, daß sie vorwiegend bedingt ist durch die empirische
Wissenschaft und ihre Spezialisierung. Deren siegreiches Vordringen
war Ursache, daß die älteren Systeme der Zersetzung verfielen
(Kap. I; franz. Positivismus, engl. Utilitarismus, Auflösung der
Hegel'schen Schule in Deutschland). Soweit für Philosophie Interesse
übrig blieb, schien sie nur möglich in Abhängigkeit von Naturwissenschaft
, bzw. als ihre Ergänzung (Kap. II; Spencer, Fechner, Lotze,
Hartmann), oder aber bei erneuter Anknüpfung an Kant als logische
Fundicrung und Durchleuchtung der Erfahrungswissenschaft, nämlich
sowohl der Natur- als auch der Geschichtswissenschaft (Kap. III;
Neukantianer einerseits, Dilthey, Windelband, Rickert andrerseits),
oder endlich unter Verleugnung ihres eigentlichen Wesens als willkürliche
(Kierkegaard), pragmatische (James), dionysische (Nietzsche,
intuitionistische (Bergson) Lebensphilosophie (Kap. IV). Die gegenwärtige
Lage der Philosophie ist dadurch gekennzeichnet, daß sowohl
der Neukantianismus — durch H. Cohens Nachfolger — als
auch die Lebensphilosophie — durch Simmel — über sich selbst
hinausgewachsen sind und ein Ringen um die Philosophie in ihrem
echten und umfassenden Sinne eingesetzt hat, womit das Zeitalter des
Vorherrschens des Spezialismus abgelaufen sein dürfte. — Eine, wie
mir scheint, noch mehr als das erste Bändchen („Der deutsche
Idealismus, Nachkantische Philosophie. I. Hälfte") durch Klarheit und
selbständige Stoffbeherrschung ausgezeichnete Einführung.
Iburg. W. Thimme.