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Ausgabe: | 1927 Nr. 4 |
Spalte: | 90-91 |
Autor/Hrsg.: | Traub, Friedrich |
Titel/Untertitel: | Glaube und Geschichte 1927 |
Rezensent: | Wobbermin, Georg |
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Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 4.
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ja alle wirklichen Verbrecher von seiner Musterung aus,
sie gehören eben in die „Schelmenzunft". Aber auch die
Narren sind Sünder oder vom Teufel besessen und bedürfen
einer Art Exorcismus, der nun freilich ins
Komisch-Dichterische gewendet wird. Nicht in der Art
der Kirchenpraxis will er gegen den Narren vorgehen:
Percutiatur flagellis, immergatur aquis frigidis, stranga-
letur stola. Nur die Geißel des Spottes soll ihn treffen.
Wo Brant grämlich-lehrhaft und mit dem schweren
Rüstzeug aufdringlicher Gelehrsamkeit vorgeht, da folgt
Murner seiner spielenden, mimischen Laune und erhofft
von seiner treffsicheren Satire nur um so kräftigere
Wirkung: zum Lachen gereizt, werden die Narren mindestens
seinen Worten zuhören müssen. Was die literarische
Einkleidung anlangt, so verhält sich Spanier
mit Recht skeptisch gegenüber den Ableitungen der
Formen unseres großen Gedichts aus volkstümlichen
Spottliedern auf die einzelnen Stände und aus Fastnachtsumzügen
, aus dem Brauch des „Narrenaustreibens
" usw. Dergleichen mag gelegentlich vorgeschwebt
und bei der Ausformung mitgewirkt haben,
konstituierende Bedeutung für die Form der Satire hat
es nicht gehabt. Dagegen wirkt hier wie bei Brant
augenscheinlich die Form der satirischen „Revue" mit
ein, die so manches unserer älteren Fastnachtsspiele beherrscht
und die sicherlich eine sehr lange literarische
Vorgeschichte hat. Es handelt sich hier um eine ursprüngliche
Form des Reihen-Mimus, die denn auch ihr
eigenes Recht fordert. Brant hat mit dieser Form wenig
anzufangen gewußt, aber wie belebt in bester mimischer
Art, mit Dialogen, Anreden, volkstümlichen Bildern und
Wendungen ist allenthalben Murners Darstellung!
Die Anmerkungen enthalten auch reiches und zu-
es muß hier Grenzen geben; denn ohne Auswahl würde
ein Register dieser Art uferlos werden. So ist z. B. die
eben angeführte Stelle unter Instinkt nicht gebucht.
Da es nun für den Gelehrten wichtig ist, die Grenzen ganz
scharf sich bewußt zu machen, gebe ich noch zwei Beispiele für
sie: «) Jenseits 54 (Werke VII,78) ist verzettelt unter Philosophie,
Sachgruppe Philosophie und Religion mit folgendem Satze: „Die
ganze neuere Philosophie ein Attentat auf die Grundvoraussetzung
der christlichen Lehre." Nun ist als diese Grundvoraussetzung von
Nietzsche der Se e 1 e n begriff genannt; man wird aber unter Seele
den Aphorismus nicht finden. Die andern wichtigen Stichworte des
Aphorismus, nämlich Skepsis und Subjekt, sind auch nicht
bedacht. Die Erwähnung der Vedantaphilosophie aber ist nicht einmal
im beigegebenen Namenregister, das doch vollständig sein sollte, verzeichnet
. — ß) Werke XIV, 250 steht der Aphorismus, in welchem
Nietzsche die kommune Moral der bordellbesuchenden europäischen
Männerwelt ganz als seine eigene bekennt. Der rohe Satz hätte vor
allem auch unter Weib, Sachgruppe Mann und Weib, verzettelt gehört
; er ist aber nur unter Mann, in verkürzter Gestalt, aufgenommen.
So wird jeder, der mit diesem Register arbeiten
will, unter möglichst vielen Stichworten nachschlagen
müssen, und keiner wird — zum Glück für die Sache!
— sonderlich gut fahren, wenn er es als Eselsbrücke benützt
. Um so mehr wird man R. Oehler für die unsäglich
mühevolle Arbeit aufrichtigen Dank sagen müssen.
Als Kontrolle der eigenen Sammlungen und als Hilfsmittel
, ein Wort, das man kennt aber nicht notiert hat,
schnell wiederzufinden, wird es jedem unschätzbar sein,
der sich mit Nietzsche abgibt.
Göttingen. E. Hirsch.
Oehler, Dr. Richard: Nietzsches philosophisches Werden.
Vortrag. Frau Dr. phil. H. C. Elisabeth Förster-Nietzsche
als Festgabe zum 80. Geburtstag dargeboten vom Verlag u. v.
,..^V~ 7"^" *"7^'""r>-L"*i" j" Verfasser. München: Musarion-Verlag 1926. (29 S.) 4°. Rm. 2.50.
yerlassiges Material für das Fortleben der' Bibel, der n- m. kostharom Panipr ^ *kte. nur in soo stück in der,
Die auf kostbarem Papier gedruckte, nur in 300 Stück in den
Handel kommende Festgabe zeigt ebenso wie das Nietzsche-Jahrbuch
den Obergang der um das Weimarer Archiv sich sammelnden offiziellen
Nietzsche-Gruppe zur ästhetischen Hochkultur. Es ist nicht Oehler's.
Bestreben, Neues zu sagen. Er stellt bewußt sich sammelnd die
allereinfachsten Grundzüge von Nietzsche's Werdegang von der Hinwendung
zu Schopenhauer an bis zum Ende möglichst anschaulich
heraus. Das Eigentümliche ist darum wesentlich in der von viel
seiner" ^BS^maHS^ x^sikl^. Recht' von lieh I ^m^_T!5„Feingrfüh! zeugenden Auswah' dcr Zitate aus Nietzsche
sagen, was so mancher Mitarbeiter an den Veröffent-
Legende und kurzen Geschichte, auch der Erzählungen
aus dem Morgenlande im Reformationszeitalter. Sie
greifen auch tief hinein in die religiösen Lebensformen
und in die kirchlich- und biblisch-sprachlichen Wendungen
des 16. Jahrhunderts. Spaniers streng gelehrte
Beigaben verraten ein feines Verständnis für diese dichterischen
und volkstümlichen Werte, und er darf am Ende
Hebungen des „Wissenschaftlichen Instituts der Elsaß-
Lothringer im Reiche" empfinden wird: „Es waren
glückerfüllte Stunden, in denen sich mir durch das Vertiefen
in dieses Schrifttum das Gefühl wieder verstärkte
von dem überquellenden Reichtum volkstümlichen deutschen
Kulturgeistes im Elsässischen Gebiete".
Hamburg. Robert Petsch.
Oehler, Dir. Dr. Richard: Nietzsche-Register. Alphabethisch-
systematische Obers, zu Nietzsches Werken nach Begriffen, Kernsätzen
u. Namen. Im Auftr. d. Nietzsche-Archivs ausgearbeitet.
Leipzig: A. Kröner 1926. (VII, 468 S.) gr. 89. = Nietzsches
Werke, Bd. XX. Rm. 20-; geb. 24—.
R. Oehler hat an diesem Register ein Jahrzehnt gearbeitet
. Es ist kein Index, sondern ein Sachregister,
wie es dem Theologen z. B. aus der Erlanger Lutherausgabe
bekannt ist. Unter den alphabethisch geordneten
Stichworten stehn, nach Band- und Seitenzahl
geordnet, Stichsätze. Wo es sich um sehr häufig vorkommende
Stichworte handelt, sind die Stichsätze auf
Sachgruppen verteilt. Eine synoptische Tabelle macht
die Arbeit für jede Nietzsche-Ausgabe, abgesehn von
der Musarion-Ausgabe, brauchbar. Die Verweisungen
sind zuverlässig und ohne Fehler.
Solch Register wird natürlich gearbeitet, indem
man jeden Gedankenabschnitt auf Stichsatz und Stichwort
festlegt; und die Frage ist, wieweit es da auch die
. Ungedanken mit zu erfassen in der Lage ist. Man
F h ■ U BearDeiter das Zeugnis geben, daß er mit der
tinoeziehung der Nebengedanken ziemlich weit gegangen
ist. So ist Genealogie 263 (Werke VII 249) unter
«ang, Ehrfurcht und Bibel verzettelt. Aber natürlich,
selbst zu suchen.
Göttingen. E. Hirsch.
Traub, Prof. Friedrich: Glaube und Geschichte. Eine Untersuchung
über d. Verhältnis von christl. Glauben u. histor. Leben-
Jesu-Forschung. Gotha: L. Klotz 1926. (V, 61 S.) 8°. Rm. 2.50.
Eine kleine, aber sehr feine und inhaltreiche Schrift,
ausgezeichnet durch Klarheit und Schärfe der stetig fortschreitenden
Gedankenführung. Mir ist sie um so interessanter
und wertvoller, als sie sich in der Problemstellung
vollständig, in der Stellungnahme wenigstens
in beträchtlichem Maße mit den Ausführungen berührt,
die ich soeben im VII. Kapitel des III. Bandes meiner
Systematischen Theologie („Wesen und Wahrheit des
Christentums") gegeben habe.
Traub beginnt mit dem Nachweis, daß die Position
der sog. „dialektischen" Theologie für den in Frage
stehenden Problemkreis keine Förderung bedeutet, sondern
in Unklarheiten und inneren Widersprüchen stecken
bleibt. Er zeigt sodann, daß rationalistische, spekulative
und mystische Theologie das Grundproblem nicht zu
seinem Recht kommen lassen, daß es erstmalig Schleiermacher
ernsthaft angefaßt hat, um es freilich sogleich
wieder fallen zu lassen, und daß es dann erst Ritsehl
nachdrücklich ins Bewußtsein gehoben hat. Aber auch
Ritsehl ist nicht bis in seine letzte Tiefe vorgedrungen;
er begnügt sich bei vorschnellen und unbegründeten
Verabsolutierungen. Die Kontroverse zwischen Martin
Kähler und Wilh. Herrmann hat die letzte Tiefe des
Problems aufgedeckt, ohne daß doch einer von beiden
der Schwierigkeiten wirklich Herr geworden wäre. An
diesem Punkt sei also die theologische
Diskussion wieder aufzunehmen und weiterzuführen
. Soweit stimme ich Traub rückhaltlos