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Ausgabe:

1927 Nr. 4

Spalte:

76-77

Autor/Hrsg.:

Baumgärtel, Friedrich

Titel/Untertitel:

Hebräisches Wörterbuch zur Genesis 1927

Rezensent:

Baumgartner, Walter

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75 Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 4. 76

den feindlichen Brüdern, dem Buddhatume und dem
jainatumc, zunächst dieses Überrennen und Niederzwingen
alt-vedischer Tradition und Gesellschaftsordnung
so weithin gelang, wodurch sie besonders Fürsten
und Regenten für sich gewannen und sich ihnen
empfahlen als brauchbar-praktische Staats-Religionen,
wodurch sie solange sich behaupten konnten, und wodurch
sie nach den größten Siegen und den festesten
Einwurzelungen, zugleich nach den unbezweifelbaren
Leistungen für Gesittung und Kultur dann wieder bis auf
so kleine Reste erlagen. Waren das wirtschaftliche, politische
oder sonst rationale Gründe des Zweckmäßigen
und des in veränderten Zeiten nicht mehr Zweckmäßigen
? Oder gibt es hier irrationale Gründe und Gesetze
großer Bewegungen der Völker- und Gesellschafts-
psyche, sich vollziehend in Jahrhunderte, ja ein Jahrtausend
umspannender actio und reactio, die wie- Fluten

verträgt sich dieser seltsame „Relativismus", diese
„Standpunktslehre", die wunderlich modernistisch anmutet
, mit dem scheinbar so trockenen, massiven Dogmatismus
und Rationalismus der Spekulation? Er muß
irgendwie in der religiösen Grundkonzeption verankert
sein. Und er ist im Jaina-System offenbar das Analogon
zu der sonderbaren Katharsis oder geistigen Purgativ-
methode, die der reifere Buddhismus durch seine Anti-
nomik hinsichtlich des vilkalpa treibt. Er ist nach meinem
Gefühle der letzte Überrest, mit dem sich die Anti-
logik ursprünglicher mystischer Konzeption wehrt
und behauptet gegen das Übergleiten in wirklichen Rationalismus
, dieses Kind, das die Mystik so oft hervorbringt
, um dann an seiner Geburt zu sterben. Und wenn
es so läge, so wäre eigentlich der Syad-väda, wie die
Jaina's selber offenbar fühlen, das Interessanteste am
ganzen System.

und Ebben sich gemäß ihrer Periode vollziehen? Noch auf eine andere Frage möchte man von dem

Vortrefflich klar ist die Darstellung der Lehre, nach
den beiden typischen Formen der im Jainatume aufgetretenen
Untersekten. Die Gestalt dieser „atheistischen
" Religion mit ihrem gleichzeitigen starken „Erlösungsverlangen
" und mit ihrer pedantisch streng und
rational entwickelten Erlösungslehre und Methode tritt

so berufenen Verfasser später einmal eine Antwort haben.
Ist eine Religion, die solange und so weithin in Indien
offenbar auch in weiten Kreisen geherrscht hat, wirklich
so unberührt geblieben von der mächtigen Bhakti-
strömung, die im übrigen alle indischen Systeme ergriffen
hat, und der insonderheit grade auch das Buddhabestimmt
heraus. Eine Seelenmystik, die die irrationalen i tum so weite Einräumungen gemacht hat? Wäre es
altindischen Urideen des Atman und seiner endlichen Be- j der Fall, so würde auch hier die verschiedene Geistes-
freiung aus dem Unheil von Welt und Samsära so massiv j art der beiden feindlichen Brüder noch einmal von einer

andern Seite her deutlich werden. Denn in der Tat

traktiert und so schulmäßig rationalisiert, daß zuletzt die
Erlösung fast ein mechanischer Prozeß wird: durch die
völlige Reinigung in Meditation und Askese von allen
sie beschwerenden Karman-Stoffen wird nämlich die
Seele zuletzt fähig, der ihr von Natur eignenden Bewegung
s richtung nach oben folgen zu können. Und
wie ein Flaschenkürbis, wenn er von allem Unräte befreit
ist, im Wasser nicht mehr untersinkt, sondern im Gegenteile
von dem Boden des Wassergefäßes aus von selbst
iq die Höhe steigt, so schießt auch die Seele, wenn
völlig erleichtert, im Nu von der Erde und aus dem
Leibe bis zum Gipfel des Weltalles in die Höhe. — Es
wäre lehrreich gewesen, von hier aus den Abstand gegen
den Geist der gleichfalls „atheistischen" buddhistischen
Erlösungslehre zu ermessen. Für den völlig verschiedenen
Geist der beiden Systeme, ist nichts so charakteristisch
als diese massive Verholzung einer mystischen
Grundkonzer"
Irrationalen

U1.3C Uiaa^lVL VX.lllUJZ.Ullg tlllUl lllJZ>UOUlll,ll

.ption und die spekulative Abstreifung ihres
i bei den Jaina s. Und man versteht von

scheint mir das Buddhatum stimmungsmäßig und wesensmäßig
auf Bhakti angelegt zu sein und inr mit seiner
Wesensart entgegenzukommen. Dieser Umstand
würde durch Kontrast zum Jainatum sich stärker verdeutlichen
, und zugleich würde er auf das rätselhafte
Wesen der buddhistischen religiösen Grunderfahrung
ein bedeutsames Licht werfen. Auch auf die Frage, wie
weit diese beiden ketzerischen Religionen des Jina und
des Buddha auf die uralten Urketzer der „Vrätya's",
die durch Hauers Untersuchungen als die Urkonkur-
renten orthodoxen Brahmanentums immer mehr ins Licht
treten, zurückgehen, und ob und wie weit damit ihr
„Kshatriya-Charakter" zusammenhänge, hoffen wir, von
dem Verfasser einmal eine Antwort zu erhalten.

Marburg. Rudolf Otto.

Sellin, Einst: Wolf Wilhelm Graf v. Baudissin. Gedächtnisrede
, geh. am 17. Febr. 1920 in der Aula der Berliner Univ.

hier aus die buddhistische Polemik gegen den Atman. Gießen: A. Töpeimann 1926. (16 s.) gr. s". Rm. -80

Nicht Nihilismus sondern das Verharren im Irrationalen,
das heißt im eigentlich Mystischen ist es, was Buddhatum
vo.n Jainatum so fühlbar unterscheidet.

Die folgenden Kapitel zeigen dann, wie auch das
Jainatum es verstanden hat, sich das große alte Erbe
Indiens in Epos, Weltkonstruktion, Mythus und Ge-
schichts-Sage anzueignen und kultur- und gesellschaftsbildend
zu wirken. Gern hätten wir noch ausführlichere
Pnoben von seiner ethischen Spruchweisheit gehabt, und
eine Untersuchung darüber, wieweit von diesen Männern
wirklich ein versittigender, emporhebender Einfluß auch
auf die Massen ausgegangen ist. Mönchsleben, Kultus,
Ritus schließen sich an, und ein Ausblick auf das Verhältnis
zu andern Religionen beschließt das reichhaltige
und vorzüglich geschriebene Werk. — Etwas kurz weggekommen
ist die „Philosophie" der Sekte, über die
uns S. 143 ff. berichten. Besonders die ihr so charakteristische
Dialektik würden wir von dem kundigen
Verfasser später gern ausführlicher dargestellt haben.
Er betont selber, daß diese, nämlich der ganz seltsame
„Syäd-väda", den Jaina's selber so wichtig erscheine,
daß sie ihr ganzes religiöses System darnach benennen.
Und das scheint mir für das Verständnis der Sache außerordentlich
wichtig. Dieser „Relativismus" dieser alten
Schulen ist zwar häufig genug dargestellt worden, aber
hier genügt nicht einfach die Wiederholung der Termini
der Lehre, in verkürzender Auswahl. Sondern hier wäre
einzudringen in die religiösen Motive dieser Lehre. Wie

Ein ansprechendes, von warmer Pietät für den
heimgegangenen Vorgänger getragenes Bild der wissenschaftlichen
und menschlichen Persönlichkeit Baudissins.
Allen, die B. gekannt haben, vor allem den vielen
Hunderten, die in Straßburg, Marburg und Berlin zu
seinen Füßen saßen, wird Sellins Schrift die ihnen vertraute
Gestalt wieder lebendig machen. Das Einzige,
was man etwa noch wünschen möchte, wäre die Würdigung
von B.'s feinsinnigen und tief gemütvollen Schilderungen
einzelner ihm nahestehender Männer und Frauen.
Unter den Theologen sei an v. Orelli und Dillmann erinnert
. Hier tritt der Mensch und Edelmann in B. besonders
eindrucksvoll in die Erscheinung. Der sonst
rein sachliche Mann läßt hier tiefe Blicke in sein Innerstes
tun.

Leipzig. Rud. Kittel.

Baumgärtel, Prof. D. Friedrich: Hebräisches Wörterbuch
zur Genesis. Gießen: A. Töpeimann 1926. (VIII, 40 S.) gr. 8°.
= Einzelwörterbüchcr z. A.T., H. 1. Rm. 1.20.

Das Heft reiht sich den „Einzelwörterbüchern" zu
Jesaia (von Hempel) und den Psalmen (von Herrmann)
an, die hier 1925, Nr. 17 Sp. 389 f. angezeigt wurden.
Da die Genesis für viele Studierende die erste zusammenhängende
hebräische Lektüre ist, beschränkt es sich mit
Recht darauf, ihnen alles zum sprachlichen Verständnis
Nötige an die Hand zu geben, bietet dafür aber in
dieser Hinsicht wirklich soviel, als der knappe Raum