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Ausgabe:

1927

Spalte:

73-76

Autor/Hrsg.:

Glasenapp, Helmuth von

Titel/Untertitel:

Der Jainismus. Eine indische Erlösungsreligion 1927

Rezensent:

Otto, Eckart

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Theologische Literaturzeitung

Begründet von Emil Schürer und Adolf von Harnack
Herausgegeben von Professor D. Emanuel Hirsch unter Mitwirkung von
Prof. D. Dr. G. Hölscher, Prof. D. Hans Lietzmann, Prof. D. Arthur Titius, Prof. D. Dr. G. Wobbermin

Mit Bibliographischem Beiblatt in Vierteljahrsheften, bearbeitet von Priv.-Doz. Lic. theol. Kurt Dietrich Schmidt, Göttingen
Jährlich 26 Nrn. — Bezugspreis: vierteljährlich Rm. 9—. Verlag: J. C. Hinrichs'sche Buchhandlung, Leipzig.

|„u,„ M_ i Manuskripte und gelehrte Mitteilungen sind ausschließlich an Professor D. Hirsch in Oöttlngen, in cp|.r|.nr IQ?7

OL. Jdlirg. riX. t> Bauratgerberstr. 19, zu senden, Rezensionsexemplare ausschließlich an den Verlag. 1 cul ual i5»fcf •

Spalte

Grabmann, Des Ulrich Etißelberti von
Straßburg O. Pr. (t 1277) Abhandlung

De pulchro (von Walter).........

S nett mann, Die Erkenntnislehre der
BaumK?rtet, Hebräisches Wörterbuch zur _ mittelalterlichen Franziskanerschulen von

Bonaventura bis Skotus (Ders.)...... 86

Spalte

Glasenapp, Der Jainismus (Otto) .... 73
Sellin, Wolf Wilhelm Graf von Battdissin
(Kittel)................... 76

Genesis (Baumgartner).......... 76

Kohde, Psyche (Dibelius)......... 77

Meyer, Geschichte der alten Philosophie

(Moog)................... 77

de Vuippens, Le Paradis terrestre au
troisieme ciel (Peterson).......... 78

Dibeli us, Geschichte der urchristlichen
Literatur (Bultmann)........... 80

Bugge, Das Problem der ältesten Kirchenverfassung
(Eltester)............ 83

Zeitschrift für Kirch engeschichte (Schmidt) 84

Mitter er, Geschichte des Ehehindernisses
der Entführung im kanonischen Recht

seit Gratian (Koch)............ 87

Luther (Meckel)............. 87

Thomas Murners Deutsche Schriften (Petsch) 88
Oehler, Nietzsche-Register (Hirsch) ... 89
Ders., Nietzsches philosophisches Werden
(Ders.)................ 90

T r a u b , GlaubeundGeschichte(Wobbermin) 90

Farnell, The Attributes of God (Ders.) 91

Spalte

Heath, Religion und öffentliches Leben

(Thimme)................. 92

Johannsen, Kulturbegriff und Erziehungswissenschaft
(Niebergall) .... 93
Schuster, Altertum und deutsche Kultur

(Ficker).................. 93

Fraenkel, Die Stelle des Römertums in

der humanistischen Bildung (Dibelius) . . 94
Schmitz, Vom Wesen des Ärgernisses (Bussmann
) ..................

Ders., Wie werde ich mit dem Leben fertig ? 94

(Ders.)...................

Schrenk, Christusglaube (Ders.).....

Bezzel, Der erste Glaubensartikel (Bornemann
) ................... 95

Erklärung (Meinhold)............ 95

Glasenapp, Helmuth v.: Der Jainismus. Eine indische Erlösungsreligion
. Nach den Quellen dargestellt. Mit 3 färb. u. 28 schwarzen
Taf. Berlin: A. Häger Verl. 1925. (XV, 505 S.) 4°. = Kultur und
Weltanschauung. Eine Sammlung von Einzeldarstcllgn., hrsg. von
H. v. Glasenapp, Bd. 1. Rm. 25—; geb. 30—.

Glasenapp hatte schon 1915 in einer Einzelstudie
eine außerordentlich gründliche Darstellung der Karman-
lehrc der Jaina's gegeben. Und in seinem umfassenden
Werke über „den Hinduismus" 1921, und noch ausführlicher
in seinem Werke: „Brahma und Buddha",
hatte er auch das Jainatum im Zusammenhange der
übrigen indischen Religionssysteme behandelt. In seinem
oben genannten Werke gibt er eine umfassende, alle
Seiten des Jainatumes berücksichtigende Darstellung desselben
. Das glänzend ausgestattete Werk ist die Arbeit
eines Mannes, der zur Zeit wohl als der beste abendländische
Kenner dieses Sondergebietes der indischen
Religionsgeschichte und Kulturgeschichte bezeichnet werden
muß. Zugleich ist die Absicht des Buches, den
Gegenstand nicht nur für die Sonderforschung zu behandeln
, sondern ihn allgemeinverständlich darzustellen.
Und das ist ihm vortrefflich gelungen. Auch wer nicht
besondere ELnzelkenntnisse hinsichtlich der Umwelt
dieser eigentümlichen Religionsbildung mitbringt, wird
das Buch ohne Schwierigkeiten lesen.

Lehre und System, Geschichte der Lehre und der
Sekte selbst, Gestaltung der Frömmigkeit und ihre
Äußerungen in Ritus und Kultus, Beziehung zu den konkurrierenden
Systemen, und die Bedeutung für das indische
Geistesleben und die Kulturgestaltung werden behandelt
und treten zu einem großen, anschaulichen und
sehr interessanten Bilde zusammen. Wie schon Glase-
napps erste Schrift über die Karmanlehre zeigte, steht
dem Verfasser eine umfassende Kenntnis der Literatur
der Sekte zur Verfügung. Dazu kommt, daß er in persönlicher
Beziehung steht zu den Vertretern, Lehrern
und Fuhrern der Sekte selbst. Reiches und gutes Bildwerk
ist zur Veranschaulichung — teils in farbigen
Wiedergaben — beigegeben: von den Bildsäulen der
Jina's, von den gewaltigen und glänzenden Tempel-
nauten (unter diesen besonders eindrücklich die gewaltige
Tempelburg auf dem Gipfel des Satrunjaya), von den
texten und figürlichen Darstellungen, von den religiösen
^ " Und Heiligenbildern, und — besonders interessant
— auch von heute lebenden Vertretern und Reli-

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giösen der Sekte. Gern hätte man, grade gegenüber
diesen wohlgelungenen Wiedergaben eine Ausführung
über das Besondere der Jainistischen Kunst und ihre
Beziehung zur indischen Kunst überhaupt gewünscht:
ein Gegenstand, der einer besonderen Behandlung wohl
wert wäre, und den der Verfasser hoffentlich noch einmal
geben wird. Und um gleich einen andern Wunsch
anzufügen: Auch die Jaina's haben das eigene, daß sie
als Sekte zugleich weithin eine besondere soziale Gruppe
ausmachen mit einer besonderen Funktion. Sie sind
hauptsächlich Kaufleute, Bankiers, Männer des Geldes
und des Geldverkehrs. Sie sind durch diese-ihre gesellschaftlich
-wirtschaftliche Funktion fast ebensosehr charakterisiert
, wie der altgläubige russische Kupetz, der
Quäker, der Jude, der Parse. Und für die unter uns
gängigen Fragen über diese „wirtschaftlichen" Zusammenhänge
mit sektarischem Charakter würde es uns
lehrreich gewesen sein, die geschichtlichen Faktoren
kennen zu lernen, die hier aus einer Glaubensgemeinschaft
eine spezifische Standesgemeinschaft gemacht haben
. Die Frage wäre auch wichtig für die bei uns schon
beinahe Dogma gewordene behauptete Zusammengehörigkeit
von „Calvinismus" und „Kapitalismus", und
für die angebliche kapitalbildende Kraft der „Prädestinationslehre
". Die Juden, die russischen Altgläubigen,
die Parsi und Jaina in Indien 9ind unschuldig an der
Prädestinationslehre und wurden dennoch die Geldhändler
, Kaufleute und Vorbereiter und Förderer des Kapitalismus
und sind es heute noch. Wie sind hier die wirklichen
Zusammenhänge an Stelle der konstruierten?

Glasenapp zeichnet zunächst Aufstieg, Ausbreitung
und dann Zurückweichen der Sekte. Aus ähnlichem
Milieu wie das Buddhatum steigt sie auf. Wie dieses so
hat auch das geschichtliche Jainatum bereits seine Vorläufer
. Gl. zweifelt nicht, daß auch die sagenhafte Gestalt
Pärshva's, als Vorgängers des Mahävlra, geschichtliche
Grundlagen hat. Das Vordringen fast über den
ganzen indischen Kontinent wird anschaulich vorgeführt.
Ihm folgt die allmählich einsetzende Niederlage gegenüber
dem Hindutum, das heißt gegenüber dem Siege
vedischer Tradition in ihrer mannigfachen Mischung mit
alten bodenständigen Kulten. Gern würden wir auch
hier etwas tiefer geführt werden. Wir möchten in die
geschichtlichen Mächte hineinblicken, in die Motive und
zeitgeschichtlichen Notwendigkeiten, durch die den bei-

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