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Ausgabe:

1927 Nr. 3

Spalte:

63

Autor/Hrsg.:

Erhardt, Franz

Titel/Untertitel:

Die Grundgedanken der reinen Vernunft 1927

Rezensent:

Paulus, Rudolf

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63

Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 3.

64

Thurneysen, Eduard: Christoph Blumhardt. München:
Chr. Kaiser 1926. (96 S.) 8°. Rm. 3—.

Die Abhandlung Thurneysens ist aus zwei Vorträgen vor dänischen
Studenten entstanden. Sic beschäftigt sich mit dem jüngeren
Blumhardt (1842—1919). Der Verzicht auf biographische Mitteilungen
erschwert das Verständnis. Der Verfasser will nur ,,Blumhardts Gedankenwelt
aus ihren eigenen Voraussetzungen heraus in großem Zuge
entwickeln". Wir erhalten zuerst ein Charakterbild des von Gott „berufenen
" Erben und Vollenders des Blumhardtschen Denkens. Unter
drei Stichworten wird das dem Vater und Sohn Blumhardt Gemeinsame
dargestellt: Gott auf Erden (Christologie), auf Erden Gott (Es-
chatologie) und das im hl. Geist. Der dritte Hauptartikel steht im
Mittelpunkt der Gedankenbewegung. „Nicht seinem Vater als Vater,
sondern dem Gott seines Vaters blieb Blumhardt II treu", als er fort-
schritt zu der scharfen Kritik, mit der er alles Gott unterwarf, die
Gottlosigkeit gerade in der Frömmigkeit, besonders der pietistischen,
bekämpfte und auch Kirche und Religion als „Fleisch" kennzeichnete;
mehr und mehr erschloß er sich der Welt. Die Begriffe: Reich Gottes
und Gehorsam gebrauchte Blumhardt, nicht Seligkeit und Glaube.
Die Unsicherheit und Zweideutigkeit der einzelnen Blumhardtischen
Formulierungen gibt Thurneysen zu, aber er wendet sich scharf gegen
alle theologischen und kirch'ichen Verdächtiger der Blumhardtschen
Denkweise, z. B. gegen Schäder; er behauptet, daß die beiden Blumhardt
eine bessere Vorstellung von Gericht und Gnade hatten als ihre
Kritiker, welche den Mangel an wahrer Sündenerkenntnis und tieferer
Einsicht in die göttliche Gnade meinen bei Blumhardt II feststellen
zu können. Reformierte und lutherische Auffassung ringen wieder einmal
miteinander in diesem und um diesen Württemberger. Die weitreichende
und doch wenig bekannte Wirkung des jüngeren Blumhardt
gerade auch auf Thurneysen und seine Schweizer Freunde gibt dem
Buch seine Bedeutung.

Horb. G. Bossert.

Frey tag, Willy: Über den Kantischen Idealismus. Nach der

Rede gehalten zur Kantfeier 1924 in der Aula der Univ. Zürich.

Leipzig: O. R. Reisland 1924. (37 S.) 8°. Rm. 1.20.

Erhardt, Franz: Die Grundgedanken der reinen Vernunft.

Rede, gehalten bei der Kantfeier der Univ. Rostock am 31. Mai

1924. Ebd. 1924. (26 S.) 8".

= Abhandlungen z. Philos. u. Pädagogik, 1. u. 2. Heft. Rm. ]—.

F r e y t a g unterscheidet in der Geschichte des
(theoretischen) Idealismus 2 Typen: den platonisch-realistischen
und den noininalistisch-sub:ektivist'schcn. Kants
Zurücksinken in den zweiten Typus habe ihn verhindert,
den ersten in seiner vollen Kraft zu erneuern. An der
Furcht vor der Transzendenz kranke Kants Erfahrungsbegriff
, an dem Schwanken zwischen Positivismus und
Ontotogie scheitere seine Begründung des Gottesgedankens
. Dies wird in interessanter Kritik der 4. Antinomie
(S. 21 ff.) zu zeigen gesucht. Ohne Metaphysik
keine Erkenntnisbegründung.

An der gedankenreichen Ausführung scheint mir
dies der Fehler zu sein, daß Freytag zwischen psychologischer
Subjektivität und transzendentaler Ichheit (Vernunft
, Geist) nicht unterscheidet. Und doch liegt hier
die Überwindung des genannten Gegensatzes, wie eben
Kant und Fichte, und weiterhin die von Freytag selber
(S. 19. 29) als echte Fortsetzer der platonischen Linie
angesprochenen Leibniz und Hegel zeigen.

Die Rede von Erhardt gibt eine „gemeinverständliche
" Einführung in die Grundgedanken der Vernunftkritik
nach ihrer theoretischen Seite, mit der Beurteilung
von metaphysikfreundlichem Standpunkt aus.
Unter wesentlicher Anerkennung der Raum- und Zeitlehre
auch den neueren Anfechtungen gegenüber wird
die Analytik und Dialektik im Ganzen abgelehnt, -unter
Hinweis auf die ausführlichen Darlegungen des Verfassers
. Neue Gesichtspunkte wird man in diesem
Rahmen nicht erwarten.

Das Verhältnis von (erkenntnistheoretischem) Realismus und
Idealismus hei Kant ist (S. 19) einseitig formuliert.

Besigheim (Württ.). R.Paulus.

Dostal-Winkler, Prof. Dr. Josef: Lichtenberg und Kant.

Problemgcschichtl. Studie. München: Rösl 8t Cie. 1924. (68 S.) 8°.

= Bausteine zu einer Philosophie des „Als-Ob", Bd. 10.

Die kleine, aber interessante Abhandlung bedeutet in gewissem
Sinne, wenn auch nur dank „einem glücklichen Zufall' eine Gedächtnisschrift
sowohl zum Kantjubiläum wie zum 125. Todestag des I

1799 gestorbenen Göttinger Physikers und Satirikers Lichtenberg. Sie
bemüht sich, eine Parallele aufzuzeigen zwischen diesem und d<m
Königsberger Denker, wobei dieser ohne weiteres so verstanden wird,
wie es Vaihingers Als-Ob-Philosophie voraussetzt. In der Tat hat aber
die Philosophie Lichtenbergs, wie sich mit voller Deutlichkeit schon
aus den von dem Verf. gegebenen Zitaten ergibt, sehr viel mehr Verwandtschaft
mit dem Werk des Hallenser als des Königsberger Philosophen
, wobei ich von der Auffassung ausgehe, daß die Philosophie des
Als-Ob mit der kritischen Philosophie Kants nur sehr wenig gemein
hat und daß es vor allem nicht angeht, Kategorien und Ideen unter
den Begriff der Fiktion zu bringen, daß sie vielmehr beide eine so total
andere Aufgabe als diese haben, daß es ganz unmöglich erscheint,
sie als eine irgendwie nützliche, bewußte Unrichtigkeit aufzufassen.
So würde es mir wertvoller scheinen, von „Lichtenberg und Vaihinger"
zu handeln, zwischen denen eine innere Verwandtschaft in der Tat
wenigstens insofern bestehen dürfte, als beide eben positivistisch und
naturwissenschaftlich interessiert sind und beide vor allem von der
Bedeutung der „Idee" im Sinne Kants keine zutreffende Vorstellung
haben. So klingen zwar gewisse Wendungen bei Lichtenberg manchmal
überraschend an Kant an, so z. B. wenn er (vgl. den Verf. S. 46)
von den Ideen Gottes und der Unsterblichkeit sagt, daß sie „nur gedenkbare
, aber nicht erkennbare Dinge" seien; aber die Verschiedenheit
zwischen seinem und dem Denken Kants zeigt sich doch sofort,
wenn er weiter sie als „Gedankenverbindungen, Gedankenspie'e,
denen nichts Objektives zu korrespondieren braucht", bezeichnet. Denn
daß für Kant die Ideen eben keine „Gedankenspiele" oder Hirngespinste
sind, auch nicht etwa nützliche Fiktionen zu wissenschaftlichen
oder sonstigen Zwecken, sondern, trotz ihrer theoretischen
Unbeweisbarkeit, höchste Realitäten und daß, wenn dabei die „Imagination
" oder, wie wir heute sagen würden, die produktive Einbildungskraft
wirklich eine Rolle spielt, sie dies nur tut, soweit diese
Realitäten als Gegenstände, was sie nicht sind, gedacht werden,
darüber dürfte doch kaum ein Zweifel bestehen. Auch in Bezug auf
die Stellung zur Metaphysik dürfte die Sache nicht anders liegen;
denn wenn für Lichtenberg oder Mach oder Lange, oder etwa auch
Vaihinger die Metaphysik auf dem Glauben an eine oder mehrere
Annahmen beruht, die sich das menschliche Denken mittels des
„Schöpfungsvermögens" selbst schafft und infolgedessen wesentlich
„Begriffsdichtung" ist oder, wie Lichtenberg als Physiker sagt, „Erfindung
der logischen Phantasie" (vgl. S. 20) so bedeutet dies eben
einen Gegensatz und nicht eine Analogie zu Kant, der freilich die
dogmalische, ontologische Metaphysik ablehnt, aber keineswegs überhaupt
jede Metaphysik als dogmatisch angesehen und für unmöglich
erklärt hat. So können wir Lichtenberg vielleicht ais einen Vorläufer
des Begründers der Philosophie des Als-Ob betrachten, aber
kaum als einen Geistesverwandten Kants. Und vor allem müssen wir.
glaube ich, daran festhalten, daß Fiktion und Abstraktion, Fiktion
und Idee, Fiktion und Hypothese verschiedene Dinge sind, so verschieden
etwa, wie das fiduziarische Rechtsgeschäft von einem fiktiven
Rechtsgeschäft ist. Damit soll indessen nicht geleugnet werden,
daß die Abhandlung des Verf. für die Geschichte der Als-Ob-Philosophie
von erheblichem Interesse ist.

Göttingen. J. Binder.

Riehl, Alois: Philosophische Studien aus vier Jahrzehnten.

Leipzig: Quelle & Meyer 1925. (VII, 346 S. m. e. Bildnis d. Verf.)
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Realistische Grundzüge 1. Moral und Dogma 61. Ober Begriff
u. Form der Philosophie 91. Die englische Logik der Gegenwart 175.
Kausalität und Identität 202. Der Raum als Geschiehtsdarstellung 219.
Über wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Philosophie 227.
Ober den Begriff der Wissenschaft bei Galilei 254. Bemerkungen zu
den Problemen der Form in der Dichtkunst 266. Der Beruf der Philosophie
in der Gegenwart 304. Die geistige Kultur und der Krieg 313.
Von der Freiheit des Geisteslebens 320.

Die Studien, deren Ausgabe mit dem Tode des
ehrwürdigen Verfassers nahezu zusammenfiel, geben
ein getreues Bild von dem Bestände und der allmählichen
Wandlung seiner Ideen. Bemüht, der Philosophie
dem Naturalismus gegenüber ein eignes Feld zu sichern,
erblickt er dies zunächst in der logischen Bearbeitung
der Voraussetzungen der Naturerkenntnis, aber sein Ziel
ist von Anfang an „der Umbau des absoluten Idealismus
auf realistischer Grundlage" (339), und zunächst zögernd,
dann mit immer größerer Siciierheit nimmt er neben
der allgemeinen Wissenschaftslehre auch die Philosophie
der Geschichte, der geistigen Werte in den Aufgabenkreis
der Philosophie auf. Allerdings begrenzt er seine
eigne Arbeit nach wie vor auf Erkenntnistheorie und
Logik, wovon die vorliegende Sammlung einige Kabinettstücke
, Muster klarer und präziser Darstellung, enthält
; dem ästhetischen Gebiete gehört nur eine, sehr