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Ausgabe:

1927 Nr. 2

Spalte:

46-47

Autor/Hrsg.:

Laun, Justus Ferdinand

Titel/Untertitel:

Soziales Christentum in England. Geschichte und Gedankenwelt der Copec-Bewegung, einführend dargestellt 1927

Rezensent:

Werdermann, Hermann

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Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 2.

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sein lutherisches Erbe gegen Agnostizismus und Romanismus
, die Gegensätze, die sich berühren. Man ficht
den Streit aus vom eignen Boden. Luther, die schwedische
Persönlichkeitsplrilosophie, Kierkegaard, haben
ihn tief durchpflügt. Nicht umsonst ist Bohlin in der
Uppsalenser Fakultät groß geworden. Einar Billings
und Nathan Söderbloms Erkenntnisse sind das Arbeits-
werkzeug, dessen sich ein reicher und eindringender
Geist bedient. Der Kampf der Konfessionen läßt sich
nicht länger in den Vordergrundstellungen führen. Der
Grundtypus der konfessionellen Einstellung muß herausgearbeitet
werden. Römischem Nomismus steht in herrlicher
Freiheit das geknechtete Gewissen gegenüber und

schnielzungsmystik könnt P., Augustin hierin unähnlich, nicht als
letztes Ziel der Frömmigkeit. Der verborgene Gott ist ihm immer der
— in der Geschichte, zuvörderst in Christus — offenbare. P.s Auffassung
von Leiblichkeit und Sünde ist nicht die katholische, auch
in den alten Formeln regt sich der andere Geist. Seine Ethik ist kein
Provisorium und kein geistliches Exercitium. Den neuplatonischen
Weg Augustins schlägt P. nicht mit ein. „Der Einfluß der Mystik hat
nie den Herzpunkt seines frommen Lebens erreicht. Sein starker biblischer
Offenbarungsglaube und sein herbes sittliches Pathos haben
die Mystik geläutert. Trotz, seiner religiösen Askese, seiner düstern
und weitabgewandten Lebensanschauung gehört er also in die Linie der
biblisch-prophetischen Frömmigkeit. Wie verständnislos und leidenschaftlich
feindlich er auch den Reformatoren gegenüber war, in
diesem Sinne steht er doch auf der gleichen Linie wie sie — gegen
, Augustin und all die großen katholischen Frommen!" Dogmatik und
errichtet sich seinen Bau nach eignem Gesetz. Nirgends , Et|lik des Theologen und Kirchenmanns sind echt katholisch, das

läßt sich das ungetrübter erheben als dort, wo ein leiden
schaftlicher Wahrheitsucher seine ganze Existenz einsetzt
, um Gottes und seiner Wahrheit habhaft zu werden.
Es ist kein Zufall, daß, gerade für Dogmengeschichte
und Philosophiegeschichte, wie wir sie betreiben möchten
, die Schreibtische, die Konzepte, die Tagebücher, die

„Herz." des Frommen ist erfüllt vom Geiste des evangelischen
Christentums (182). — Das letzte Kapitel ist voll feiner Hinweise,
so auf den Pascalschen Zug von A. Sabatiers Religionsphilosopbie.

Die Vorzüge des straffen Referates, der ohne viel
Gliederung männlich fortschreitenden Darlegung von
Leben und Wirken Pascals sind bei A. Langenskjölds

Stöße fragmentarischen Nachlasses sich auftun und uns Buch hervorzuheben. Es kann schon gelegentlich auf B
an der Arbeit und ihrem Ergebnis in vorher ungekanntem | Rücksicht nehmen. Es ist eine gediegene, mit der weit

Maße beteiligen. So finden wir hinter der Lehre das
„Herz", hinter den vielen Sätzen die „Setzung". Anstelle
der Münzstätten treten die Goldgräber, allerdings
mit der Aufforderung an uns, mit eignem ganzem Einsatz
die köstlichen Lebenssätze mit zu prägen. Die
Glieder der goldnen Kette der großen Herzensfrommen
werden primäre Quellen religiöser Erkenntnislehre.

Man wundert sich nicht mehr, daß der Kierkegaardforscher
B. sich vor Pascal gestellt sieht. Mit den abgetrennten
Noten sind seine zwei Bände, ausgezeichnet
ohne ängstliche Überknappheit erzählt, für den Forscher
wie den Gebildeten zugleich Gewinn. Man steht doch
der Zeit anders gegenüber und empfängt Wegleitung,
wenn man Jansenius, Port-Royal und hinter ihnen den
großen Schatten Augustins kennen lernt. Das Jahrhundert
und die Gegensätze des Weltmännischen und
Weltflüchtigen, zwischen denen es Pascal hin und her
reißt, vermitteln nicht nur geschichtliche Einsichten.

verzweigten Forschung nicht minder vertraute, Leistung
als B.s Buch. Daß ich den Hauptraum für die erkenntnistheoretischen
und typologischen Untersuchungen B.s
beansprucht habe, darf den Dank gegen die Eigenwerte
auch des kleinen Büchleins nicht mindern. Ich bin
kurz, auch weil ich in Kontroversen, wie über die Tragweite
von P.s „Skeptizismus" (L. S. 160 u. 190) nicht
obenhin den Richter spielen möchte. Die weitgehende
Übereinstimmung zwischen Wollen und Vollbringen
zeichnet beide im Temperament und Tempo verschiedenen
Gaben aus. Es liegt an B.s imponierend ausgreifendem
Gesamtwerk, daß der Theolog bei ihm gerne sich
Rates erholt und mit ihm gerne zum Grundsätzlichen
aufsteigt.

Fahrenbach (Baden). Peter Katz.

Laun, Lic. theol. Priv.-Doz. Justus Ferdinand: Soziales Christentum
in England. Geschichte u. Gedankenwelt der Copec-Be-

Wieder bwäh'rt die Wfcder^be "iu^iwi^Sb^ai] j wegl,,,R' dnfuhrend dargest' Ber,in: Furche-Verl- 1920 ('49 S)J"

der wenig gelesenen, die Gewalt der bis heute unver- c . t dne dcr zahlreichen heute gebräuchlichen

minderten Gegensatze über das Herz und seme .maus- | Abkürzungcn. An diesem Wt,rt tritt deutlich hervor, wie
we.chhche Entscheidung. unerfreulich, wie nichtssagend, ja irreführend solche

Eine Probe der Art, wie B. an der Welt der Pensees systematische
Arbeit leistet, gibt sein Aufsatz „Die religiöse Bedeutung des
Herzens bei Pascal" (Z. f. syst. Th. II, 224—234), ein verkürzter Auszug
aus Bd. II, 97—122. Wie hier gegen Laros, so wehrt er sich
anderswo, z. B. gegen Bornhausen wider vorschnell modernisierende
Eintragung neuer erkenntuistheoretischer Gedanken und überzeugt. Die
olle Höhe des Werks erreichen die drei letzten Kapitel: V. „Pascal als
religiöse Persönlichkeit. Seine .Ethik'", die Zusammenfassung; VI.
..Katholizismus und evangelisches Christentum bei Pascal" und VII.
..Pascal in Geschichte und Gegenwart". Man fühlt sich an B.s großes
Kierkegaardbuch erinnert, wenn er die psychologisch-religiöse apologetische
Linie und die historisch-dogmatische auseinandertreten sieht
(II, 168). „Tatsächlich hat er eine gefährliche Gleichsetzung zwischen
dem Glauben ans Christentum als die göttliche Antwort auf das Erlösungsbedürfnis
des Menschen und dem katholischen Lehr- und

Kürzungen sind. Das Kennwort ist entstanden aus Conference
on Christian Politics, Zfconomics and Citizenship,
nur daß eben bei der Kürzung das wichtigste Wort,
nämlich „Christian", gar nicht zur Geltung kommt.
Aber daraus ist der vorliegenden „einführenden Darstellung
" nicht der geringste Vorwurf zu machen, die
das Wort einfach übernehmen mußte; vielmehr ist die
Schrift durchaus geeignet, ein innerliches, geschichtlich
begründetes Verständnis des sozialen Chistentums in
England zu erwecken. Nach einer Einleitung über
Deutschtum und Engländertum, über Luthertum und
Calvinismus folgt: die Geschichte der Copec-Bewegung
und die Begründung der Copec-Bewegung aus der
Kirchensystem vorgenommen. Er hat die Dogmen als Sakrament an- Kirchengeschichte, Wobei die Grundelemente des eng-
qenommen, anbetend mit gebeugtem Haupte. Sein ,Herz' hat das | lischen Christentums, die protestantischen und auch die

Christentum in erhabner religiöser Innerlichkeit gelebt. Aber seine
Vernunft hat es als in der Kirche offenbartes unfehlbares dogmatisches
System betrachtet. Die Offenbarung fällt ihm mit der Kirche zusammen
. In diesem Sinn kann niemand katholischer sein als Pascal,
mag er auch durch vereinzelte Äußerungen mit sich selber in Streit
kommen. Wenn er anerkennt, die wahre Religion finde sich überall,
wo die Liebe im Geist und in der Wahrheit lebe, hat er, ohne sich
dessen selbst bewußt zu sein, seine dogmatische Gebundenheit gesprengt
. Sein ,Hcrz', nicht der katholische Apologet, hat diese Worte
geschrieben."

„Er war dogmatisch echter Katholik, doch sein ,Herz' vergeistigte
und verinnerlichte ihm diesen Dogmatismus. Die Religion
war ihm nie unpersönliche Lehre oder äußerlicher Kult. Seine leidenschaftliche
Frömmigkeit ist wie eine lebendige Seele im starren Organismus
des katholischen Dogmatismus" (169).

Dasselbe Ergebnis erwächst B. Ps Ethik gegenüber. Er verdeutlicht
es an Hand von Heilers Vortrag „Evangelisches Christentum
und Mystik", der auch schwedisch vorliegt. Das Ergebnis ist: Ver-

katholischen Elemente der Copec behandelt werden.
Der zweite Hauptteil umfaßt die „Gedankenwelt der
Copec-Bewegung" und zwar das christliche Ideal, die
soziale Frage und die Wege zum Ziel. Wir brauchen
in Deutschland solche Darstellungen. Das Weltkonzil
von Stockholm ist vorbei. Aber es muß sich erst auswirken
. Die dort gewonnene Fühlung muß erweitert und
vertieft werden. Wir haben, besonders in den letzten
zwölf Jahren, zu abgekapselt gelebt. Wir brauchen
Kenntnis und Verständnis von dem, was in anderen
Ländern vorgegangen ist. Und das geschieht durch
solchen Versuch, wie er hier exakt und gründlich in der
Methode vorliegt. Der Verfasser hat 1924 persönlich an
der bedeutsamen oben erwähnten Konferenz im April
1924, einem Höhe- und Knotenpunkt der sozialen Entwicklung
in England, teilgenommen. Er stellt die Ge-