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Ausgabe: | 1927 |
Spalte: | 43-44 |
Autor/Hrsg.: | Zimmermann, Joachim |
Titel/Untertitel: | Thomas Münzer. Ein deutsches Schicksal 1927 |
Rezensent: | Bornkamm, Heinrich |
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daß Th. Harnack wesentlich nicht Luthers Ausdrucksweise
, sondern die seiner ihn bearbeitenden Schüler und
Übersetzer wiedergibt. Auch wo es sachlich so ungefähr
richtig herauskommt, entsteht so doch der Form
nach Verschwimmendes und Verwirrendes. Darum kann
das Buch wohl den, der selbständig die Methoden der
neuen kritischen Lutherforschung zu handhaben weiß,
da und dort noch anregen. Der, der nicht Lutherforscher
ist, muß vor der Benutzung des Buchs einfach gewarnt
werden. Es ist, wie die Dinge nun einmal liegen, nötig,
das offen auszusprechen, damit nicht eine unangebrachte
Repristinierung der Anfangszeit der Lutherforschung
in unsrer Theologie und Kirche die sachlichen Erkenntnisse
verdunkele, die uns die mühsame Forschungsarbeit
zweier Geschlechter inzwischen errungen hat.
Göttingen. E. Hirsch.
Zimmermann, Joachim : Thomas Münzer. Ein deutsches Schicksal
. Mit 8 Tat. Berlin: Verl. Ullstein (1Q25). (207 S.) gr. 8°. —
Deutsche Lebensbilder.
Es ist eine Freude, nach mehreren wertlosen Tendenzschriften
(bes. Ernst Bloch, Th. M. als Theologe
der Revolution 1922, vgl. dazu Holl Th. L. Z. 1922,
401ff.), diese schöne, volkstümliche Lebensgeschichte
Müntzers (so ist er nach Böhmer zu schreiben) anzeigen
zu können. Schlichte Kraft der Darstellung und
Gerechtigkeit des Urteils vereinigen sich in ihr. So
kann man das auf breitem Hintergrunde gut und sympathisch
erzählte Buch Gebildeten, vor allem aber gebildeter
Jugend, als eine der lebendigsten Schilderungen
aus der Reformationsgeschichte in die Hände legen.
Zahlreiche, geschickt ausgewählte Quellenstücke im
Text zeigen die Vertrautheit des Verf. mit der Zeitgeschichte
. Leider sind ihm allerdings die wichtigen
Arbeiten von H. Böhmer, Studien zu Th. M. Refor-
mationsprogr. Leipzig 1922 u.: Th. M. u. d. jüngste
Deutschland (Allg. Ev.-luth. K. Ztg. 56. 1923 Nr. 8 bis
13) entgangen. So sind Einzelheiten zu berichtigen:
S. 7: M. ist nicht 1490, sondern vermutlich am 20.
oder 21. 12. 1488 oder 1489 geboren, sein Vater nach
dem 3. 9. 1524, seine Mutter wohl schon 1520 gestorben
. S. 17: M. war auf den Privatschulen in
Stolberg und Quedlinburg, 1508—12 Hilfsgeistlicher in
Aschersleben und Halle usw. Auch liegt in Böhmers
Arbeiten auch sonst noch allerlei interessanter Stoff
zur Charakteristik und Geschichte Müntzers. Aber das
sind Einzelheiten, die das Gesamtbild nicht beeinträchtigen
. Dessen Wert liegt neben dem Reichtum der
Schilderungen in der vorurteilslosen Einschätzung der
geschichtlichen Kräfte. Luther wird nicht nur als der
sittlich Überlegene geschildert — S. 56 wird eindrücklich
erzählt, daß M. in der Nacht vor dem 16. April
1521, an dem Luther in Worms einfuhr, heimlich aus
Zwickau entwich — sondern er ist auch der eigentlich
schöpferische Geist. Auf ihm ruht die Geistesarbeit
des späteren Deutschland (S. 207). Es ist sogar beinah
zu fragen, ob nicht M. etwas zu ungünstig gesehen
ist. In der Bestimmung des Buches, ein volkstümliches
Lebensbild zu geben, ist es begründet, daß der Theologe
M. zurücktritt. Darin aber liegt seine Kraft und Eigenart
. So bleibt mit Notwendigkeit am Gesamtbild eine
Lücke. Zur Ergänzung muß darum auf die schönste
und umfassendste Darstellung, die von Holl (Ges.
Aufl. 1 Luther S. 425 ff., 450 ff), die Arbeiten von
Böhmer und die ausgezeichnete Skizze von Karl
Müller, Kirchengesch. II, 1. S. 310 ff. verwiesen
werden.
Es liegt mir am Herzen, bei dieser Gelegenheit, das
mir aus persönlichen und sachlichen Gründen doppelt
schmerzliche Versäumnis wiedergutzumachen, dessen ich
mich in meinem Bericht: Mystik, Spiritualismus u. d.
Anfänge d. Pietism. i. Luthertum (Vortr. d. theol. Konf.
Gießen 44. 1926) S. 6 durch Übersehen von K. Müllers
Darstellung schuldig gemacht habe. Er ist tatsächlich
der erste, der die Selbständigkeit von Müntzers Mystik
erkannt hat. Ich möchte darum hier ausdrücklich auf
seine Darstellung, die, wie es scheint, nicht nur mir
bei meinem Vortrag aus dem Gedächtnis gekommen war,
sondern auch sonst in der Forschung nicht genügend ge-
würdigt worden ist, aufmerksam machen.
Tübingen. Heinrich Born kämm.
Rapp, Prof. Adolf: Die Bedeutung der Konfession in der Geschichte
Württembergs. Vortr. geh. auf der Jahresversammlung
d. Vereins f. Wurtt. Kirchengesch. in Tübingen 14. Juli 1921).
Tübingen: J. C. B. Mohr 1926. (18 S.) gr. 8°. = Sammlung gc-
meinverständl. Vorträge u. Schriften aus d. Gebiet d. Theologie-
u. Religionsgeschichte, 120. Rm.1.20.
Auf der Tagung des Vereins für württembergische
Kirchengeschichte am 14. Juli zog der Profanhistoriker
A. Rapp in Tübingen einen Längsschnitt durch die Geschichte
Altwürttembergs seit der Reformation. Zuerst
betonte er die Völker verbindende und trennende Kraft
der Religion und die Bedingtheit der Politik durch konfessionelle
Gesichtspunkte einst und heute. Dann wies
er diesen Gedanken in der württembergischen Geschichte
nach. Bei der Zurückführung Herzog Ulrichs durch
Landgraf Philipp finden sich die Fürstenopposition und
die lutherische Bewegung zusammen. Die Kultur und
Politik Württembergs sind von da an konfessionell
bestimmt, sowohl im Zeitalter der Orthodoxie wie des
Pietismus. Von Bedeutung war das Fehlen des land-
sässigen Adels in Altwürttemberg. Auch die katholischen
Herzöge des 18. Jahrhunderts änderten an
dem protestantischen Charakter des Landes nichts,
sondern verstärkten durch manchen schweren Anstoß
den Trotz auf das gute alte Recht. In einem
Joh. Jak. Moser verkörpert sich das evang. Bewußtsein,
die ständige Rechtsgesinnung und der Bürgerstolz des
Württembergers. Dem evangelischen Bürgerhaus des
kleinen Landes entsproßten Heroen deutschen Geisteslebens
wie Schiller und Hegel. Erst der Zuwachs
katholischer Gebiete in der napoleonischen' Zeit und
das demokratische Wahlrecht brachten langsam eine
Änderung des Volkscharakters. Aber selbst noch der
großen „Seuche" des Marxismus hat neben anderem
auch die evangelische Überzeugung des Volkes entgegengewirkt
. Bei der Frage: kleindeutsch oder groß-
deutsch, trat der konfessionelle Gedanke hinter der
Abneigung gegen die preußische Strammheit zurück.
Zum Schluß stellt Rapp die Frage, ob der evangelische
Glaube noch eine Sendung im Leben Deutschlands habe,
und erhofft eine Gesundung des Volkslebens nicht vom
I deutschen Gedanken allein, sondern in der Verbindung
, mit starker Staatsorganisation und der Sittlichkeit des
■ Christentums.
j Horb. G. B o s s e r t.
! Bohlin, Torsten: Blaise Pascal. 1. Hans levnad och striden med
jesuiterna; II. Hans tankar över rcligionen och hans personlighet.
Stockholm: Sveriges Kristl. Studentrörelses Förlag 1920/1. (292 u.
248 S.) 8". schw. Kr. 7.75 und 6—.
Langenskjöld, Agnes: Blaise Pascal. Helsingfors; Holger
Schildts Förlagsaktiebolag 1922. (192 S.) S° finn. Mk. 40—.
Es gibt mehr als einen Anlaß, sich heute mit Pascal
zu beschäftigen. Je entschiedener Philosophie und Reli-
! gionswissenschaft ihre letzten, hinter das Bewußtsein
; zurückgehenden, Grundlagen nachprüfen, desto schärfer,
J schmerzender prägt sich das Problem Pascal ein. Von
j dieser Seite betrachtet, trifft sich das sachliche Anliegen
der Wissenschaft mit dem persönlichen. Wir wollen vom
Denkergebnis zurück in die Werkstätte, die es bereitet
hat. Ja, man kann sagen, der Kampf um letzte Erkenntnisse
muß uns sichtbar werden, damit wir ihnen trauen,
ja, damit wir uns nur recht mit ihnen auseinandersetzen
können. Dem Welterkennen der Philosophie ordnet sich
immer deutlicher das Ringen, das Leiden über, das sein
Mutterschoß ist. Es liegt auf der Hand, wieviel da bei
Pascal zu holen ist, vor dessen vorausweisendem Blick
die übergreifende Einheit unverlierbar auftaucht.
Besondere Voraussetzungen noch bietet dazu das
| schwedische Sprachgebiet. Es tritt in den Kampf um