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Ausgabe:

1927 Nr. 2

Spalte:

595-597

Autor/Hrsg.:

Kattenbusch, Ferdinand

Titel/Untertitel:

Das Unbedingte u. d. Unbegreifbare 1927

Rezensent:

Knittermeyer, Hinrich

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Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 25/26.

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ihr auch dieses Buch in der gegenwärtigen Lage schwerlich
als Wegweiser in das Land neuer, gegenwartsmächtiger
evangelischer Erkenntnis dienen können. Dennoch
haben die dogmatischen Aufsätze auch heute noch
ihre Sendung. Denn die Welt, deren Symbol Troeltsch
wie kein anderer Theologe war, an der er krankte, ist
noch nicht überwunden, sie lebt noch in uns allen. So
haben seine Bücher Aktualität, bis die evangelische Dog-
matik den Geist der Zeit wirklich überwunden hat. Und
sie sollen das Theologengeschlecht von heute mahnen,
sich diese Arbeit nicht zu leicht zu machen. Ein Zurück
hinter die Fragen, an denen Tr. als Theologe sich zerrieben
hat, gibt es für keinen. Seine Probleme müssen
in jeder kommenden Dogmatik „aufgehoben" sein.
Erlangen. P. Althaus.

Kattenbusch, Ferdinand: Das Unbedingte u. der Unbegreifbare.

Eine Studie z. Gottesgedanken. (Sonderdr. a. „Theo!. Studien
u. Kritiken" Jg. 98/99 1926, H. 3/4.) Gotha: L. Klotz 1927.
(IV, 103 S.) 8». Rm. 2.40.

Ein Altmeister der theologischen Systematik gibt
hier eine Antwort auf die Religionsphilosophie Tillichs.
Er gibt sie nicht in unangefochtener Abwehrstellung;
sondern er sucht die wirkliche Auseinandersetzung. Er
sucht nicht nur von sich aus zu verstehen; sondern er
geht so tief auf die Fragestellung ein, daß er sie verschärft
. Er ist radikaler als Tillich. Er legt das Verhältnis
von Philosophie und Theologie in seinen entscheidenden
Grundlagen bloß; er weist auf die Antinomien
hin, die da vorliegen. Aber er bemüht sich gleichwohl
um eine positive Antwort: das Unbedingte, das
als letztes Wort der philosophischen Gotteserörterung
hingenommen wird, muß von dem christlichen Theologen
überboten werden durch den Unbegreifbaren.

Der Weg, auf dem dies Ergebnis gewonnen wird,
ist kein ganz einfacher. Ein wahrer Überfluß von historischen
Reminiszenzen, systematischen Andeutungen und
weittragenden Fragen ergießt sich nicht nur in die zahl- !
reichen Anmerkungen, sondern durchdringt auch die [
Entwicklung im Text. Sie unter Verzicht auf die vielen
lockenden Seitenwege und offenbleibenden Fragen kurz
zu skizzieren, ist kein leichtes Wagnis. K. geht aus von
der Tatsache, daß der theologische Systematiker immer
mit der Philosophie Fühlung zu halten sich verpflichtet
fühlt und daß der Philosoph von einem bestimmten
Punkte an in seiner Deduktion sich als „verkappter"
Theologe gebärdet; und daß trotz oder vielleicht wegen j
dieser Lage eine wirkliche Zusammenarbeit nicht stattfindet
. K. glaubt vorläufig den Unterschied dahin for- |
mulieren zu können, daß der Theologe immer „auf dem
Grunde ,einer' Religion" denkt, während der Philosoph,
auch wenn er schließlich bei theologischen Problemen
endigt, doch frei seinen Ausgangspunkt sucht; eine
Trennung, die von Seiten der Philosophie durchgängiger j
Zustimmung begegnen wird, obzwar bei ihrer Annahme
die Philosophie gerade innerhalb der christlichen Geschichte
zu einer entscheidungslosen Angelegenheit würde
. Mit Bezug auf die in Geltung befindliche Philosophie
ist es aber zweifellos geraten, wenn K. von dem j
Theologen verlangt, daß er seine eigentümliche Aufgabe
nicht unter dem Druck philosophischer Vorurteile sich
nehmen lasse. Drei Punkte sollen den Theologen warnen
vor einer allzuengen Allianz mit dem Philosophen:
Macht in Bezug auf Gott ist immer oberste Macht; Gott
und Welt sind nur als Kontraste zusammengehörig; dies |
der Welt Widerstehende in Gott ist ein Jenseitiges, das die |
Welt nicht in sich befaßt, sondern das ihr offenbart I
werden muß.

Im Zusammenhang damit sieht K. es als die ent- j
scheidende Verkehrung an, daß der Mensch „von sich
aus" den Gottesgedanken meistern will. „Kein Wissenschaftler
hat sich der Vorstellung hinzugeben, daß er
die Religion, wenn sie nicht schon da wäre, zu schaffen
versuchen könne — — Tillich ist unbewußt durchaus
von solcher Idee erfüllt." Religion kann deshalb nicht |

als allgemeine Geisteshaltung aus systematischen Gesichtspunkten
heraus gefordert werden, weil sie grundwesentlich
auf Offenbarung beruht. Die Welt ist in einem
unleugbaren Sinne offenbar. Gott aber ist in
i einem so völlig andersartigen Sinne offenbar, daß ge-
j rade sein Geleugnetwerdenkönnen als Bestimmung seines
j Offenbarseins herangezogen werden kann, welches Können
natürlich in religiösem Betracht durchaus ein Nichtsollen
einschließt. Dies Sollen aber ist nur durch den
! Glauben zu rechtfertigen und insofern an das konkrete
Faktum Religion gebunden. Das philosophische
Bestreben, Gott im offenbaren Weltsein seine
I Stelle zuzuweisen, steht daher im schärfsten Gegensatz
j zu dem eigentlichen Gewißheitsgrund der Religion
! selbst. „Der christliche Glaube rühmt sich nie, den
Schleier vom Gott-Sein weggezogen zu haben . . . Und
gerade er kennt Gott d e n n o c h." Es ist begreiflich,
daß K. wegen jenes Wegsehens von dem konkreten
Faktum theologischen Religionsphilosophen wie
Troeltsch und Wobbermin vorwirft, daß sie nicht genug
„Religionshistoriker" sind. Freilich fordert dieser
I Vorwurf zu der Gegenfrage heraus, ob denn K. wirklich
in der historischen Mannigfaltigkeit der Offenbarungen
die Spuren des Deus absconditus und revelatus
oder aber nur die Spuren jener offenbaren Welt vorfindet
. Vor der Religionshistorie wird die Philosophie
das Feld nicht so leicht räumen, wie K. es zu wünschen
scheint.

Wo der Philosoph an den Gottesgedanken herantritt
, kann er allenfalls ein „das" erreichen. Wenn dies
„das" in der Gestalt des „Unbedingten" angenommen
wird, dann mag es anderen Gestalten gegenüber den
großen Vorzug besitzen, daß es die begriffliche Befreiung
vom dinglich Seienden einschließt. Niemals aber
kann dies „das" in ein „der" verwandelt werden. Wenn
man mit Tillich Gott unter dem Symbol des Unbedingten
fassen will, dann zieht man ihn in eine Dialektik hinein
, in der alle etwaigen Gegensätze wie Gnade und
Gericht zu bedingten opposita herabgesetzt werden und
als solche dann der Verherrlichung jener unbedingten
Koinzidenz dienen, in welcher vielleicht der philosophische
Dämon, aber nicht der christliche Gott sich
offenbart. In der Tat macht Tillichs Schrift über das
Dämonische es in jeder Zeile beinah deutlich, daß es ihm
immer nur um ein „es", und niemals um das „du" geht.
An diesem Punkt trifft die Kritik von K. ins Schwarze.
Daß die „Quasiherrenhaftigkeit" des Unbedingten in den
Vordergrund gerückt wird, ist ein deutliches Zeichen dafür
, daß darin das Schicksal, aber nicht der christliche
Gott sich kundgibt. Denn von diesem sagt ja die christliche
Dogmatik, daß er als Person sich aus Liebe dem
Menschen in Freiheit anbietet. Diese drei Prädikate des
christlichen Gottesbegriffs: Freiheit, Liebe, Personhaftig-
keit behandelt K. noch eingehender und findet sie
schließlich vereinigt in dem, was das N. T. als aydn-q
bezeichnet. Dies Wort ist „Einheitsprädikat für das
Inhaltliche des Wesens Gottes"; und ist zugleich nur in
der Beziehung auf Jesus ein entscheidendes Prädikat.
Nur im Hinblick auf die so bestimmte Offenbarung
Gottes „in Christo" gewinnt der Mensch den Mut, „zu
glauben, daß über der Welt als letzte Macht,
als ,Herr', ein Wille walte, dessen Inhalt d i e Liebe
sei, welche Jesus gehegt". Dieser Kernsatz wird noch
etwas schärfer bestimmt; und K. meint dabei, im Gegensatz
gegen die philosophische Unbedingtheit die theologische
Unbegreiflichkeit Gottes rechtfertigen zu können
. Dem „All-Belieben" des dämonisch-Unbedingten
mangelt es an der eindeutigen Verantwortlichkeit und
freien Nötigung der wirklichen Liebe. Der Gott der
Liebe kann nur der Unbegreifliche sein, der auf die
Versuchung des Allbeliebens verzichtet, damit die Liebe
an ihm offenbar werde. So allein ist Gott wirklich der
„ganz andere", da in der menschlichen Ordnung überall
und immerfort das Belieben anstelle der Liebe regiert.
K. meint dabei, „nicht in Spekulationen über Gott ge-