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Ausgabe: | 1927 Nr. 2 |
Spalte: | 587-590 |
Autor/Hrsg.: | Garrelts, Heinrich |
Titel/Untertitel: | Die Reformation Ostfrieslands nach der Darstellung der Lutheraner vom Jahre 1593 nebst einer kommentierten Ausgabe ihrer Berichte 1927 |
Rezensent: | Cohrs, Ferdinand |
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Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 25/26.
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ist von dänischen und deutschen Forschern bisher je
nach ihrer Nationalität behandelt worden: während Bischof
Engelstoft für den dänischen Einfluß eintrat,
behaupteten P. Petersen und E. Michelsen den deutschen.
Nun beschäftigt sich die von Brandi in Göttingen
angeregte Arbeit von Jenny Schnell erneut mit dieser
Frage. Sch. macht es zunächst glaubhaft, daß wir in
dem sogenannten Udkast (Entwurf) vom Frühjahr 1537
den ältesten erhaltenen Text der K. O. zu erblicken haben
, nachdem ihm schon drei Entwürfe vorangegangen
waren, die aber verloren sind. Als Quellen für das Udkast
weist sie nach von dänischen: die Haderslebener
Artikel von 1528, die Kirchenordnung von Malmö von
1529, die „43 Artikel" von 1530, das Malmöer Messebuch
von 1535, das Gesuch .der Prädikanten von 1536,
das Kopenhagener Handbuch von 1537, endlich die
Verordnungen der dänischen Kanzlei; von deutschen:
Luthers formula missae, die deutsche Messe, den kleinen
Katechismus, die Kursächsischen Visitationsartikel, den
Unterricht der Visitatoren, die Lübecker, Hamburger und
Braunschweiger K. O. und die Augustama. Luther und
Bugenhagen nahmen einige Verbesserungen an dem Udkast
vor, dann wurde dieses nochmals revidiert, woraus
„die lateinische Ordinanz" entstand. Diese, abermals verbessert
, ist nun die K. O., die 1539 in Odense unter dem
Namen „den rette Ordinants" angenommen wurde und
später noch eine Revision bezw. Erweiterung in Form
der sogenannten Riper Artikel erhielt.
Sch. kommt zu dem Ergebnis, daß bei der Abfassung
der K. O. sowohl dänischer wie deutscher Einfluß
maßgebend gewesen sei, der dänische aber überwiege
. Die Frage nach dem Verfassungsort und Luthers
persönlicher Mitwirkung läßt sie offen.
In der methodischen und gründlichen Studie von
Sch. sehen wir eine wertvolle Bereicherung unserer
Kenntnis von der dänischen Kirchengeschichte und den
geistigen Beziehungen zwischen Deutschland und Dänemark
während der Reformation.
Münster i. W. Heinrich Kochendörffer.
Garrelts, Superint. Lic. Heinrich: Die Reformation Ostfrieslands
nach der Darstellung der Lutheraner vom Jahre 1593
nebst einer kommentierten Ausgabe ihrer Berichte. Anrieh: D.
Friemann 1925. (XVI, 194 S.) 8°. = Abhdlgn. u. Vorträge z.
Gesch. Ostfrieslands, Heft 22 u. 23. Rm. 4.50.
Superintendent Lic. Garrelts in Verden hat im Jahre 1915 eine
Lebensbeschreibung des Joh. Ligarius herausgegeben, hat damit den
Blick auf diesen fast vergessenen, für die lutherische Reformation Ostfrieslands
hochbedeutsamen Mann gelenkt und zugleich der Aufhellung
der ostfriesischen Reformationsgeschichte gedient. Es ist ihm aber vorgeworfen
worden, daß er einseitig verfahren sei, indem er zu sehr
von den lutherischen Berichten über die Reformation Ostfrieslands
sich habe leiten lassen. Das ist der Anlaß für ihn gewesen, die
lutherischen Reformationsberichte neu herauszugeben.
Wir erhalten in einer sorgfältigen, mit erklärenden Anmerkungen
versehenen Ausgabe zunächst den „Wahrhaftigen Gegenbericht der
rechtgläubigen Prädikanten Ostfrieslands" nebst der „Antwort . . auf
die Missive oder Schändebrief", sodann mehr anhangsweise einige
aus den Reformationsstreitigkeiten hervorgegangene Urkunden, das
„Schreiben der Prediger auf dem Lande" v. J. 1583, die Antwort des
Grafen Edzard und endlich eine besondere Erklärung der Lutheraner
von Norden über den Verlauf der Reformation in ihrer Stadt. Als
Verfasser der beiden ersten Stücke, um die es vor allem sich handelt,
gilt — und zwar mit Recht — Joh. Ligarius; sie sind gerichtet gegen
die von reformierter Seite ausgegangenen Darstellungen der Reformationsgeschichte
: den Emder Abendmahlsbericht mit der Vorrede
von Christoph Pezel und die schon genannten „Missive oder Sendbriefe
etlicher gutherzigen und gelehrten Studenten". Der Abendmahlsbericht
ist 1591 in Herborn, die Missive sind 1592 wahrscheinlich
in Bremen gedruckt; beide sind wohl gemeinsame Arbeiten der Prediger
zu Emden, die Vorrede Pezels, der damals führender Theologe
in Bremen war, hat aber neben ihnen selbständigen Wert.
Auch die Darstellungen von lutherischer Seite sind gedruckt
mit denselben Anhängen, mit denen Garrelts sie neu abgedruckt hat,
im Jahre 1593 bei Joh. von Oldersum in Emden; es scheinen aher
nur noch zwei Exemplare des Originals und ein Exemplar eines
Nachdrucks von 1594 vorhanden zu sein, so daß ein Neudruck des
wichtigen Buches sich rechtfertigt. Garrelts hat bei der Wiedergabe
sich eng an den Urdruck angeschlossen, auch in der Druckeinrichtung
; gern hätte man gesehen, daß er zu dieser sich etwas freier
gestellt hätte, denn die Drucke des 16. Jahrhunderts leiden nicht gerade
an Übersichtlichkeit. So sind z. B. im Neudruck die Hauptabteilungen
S. 105 u. S. 113 durchaus nicht sonderlich und nafnent-
lich nicht einheitlich markiert, und die wiederholten gleichartigen
Bezifferungen zwischendurch verwirren mehr, als daß sie die Übersicht
erleichtern.
Der Wiedergabe der Schriften sind nun sorgsame Untersuchungen
und eine kurze Darstellung der ostfriesischen Reformationsgeschichtc
aufgrund dieser Untersuchungen beigegeben. Der Lage der Dinge
hätte es am besten entsprochen, wenn die alten Berichte das Buch begonnen
hätten, wenn dann die Untersuchungen gefolgt wären und die
eigene Darstellung das Buch beschlossen hätte. Wir erhalten diese
drei Teile nun gerade in umgekehrter Folge. Das ist dadurch veranlaßt
, daß Lic. Garrelts die Darstellung und die Untersuchung schon
1916 der Theolog. Fakultät in Rostock als Inaugural-Dissertation
vorgelegt und den Abdruck der alten Darstellungen erst 1925 hinzugefügt
hat. Jedenfalls empfiehlt es sich, die Teile des Buches in
umgekehrter Folge zu lesen.
Wir haben schon erkannt, daß es bei den alten Darstellungen
sich um Streitschriften handelt. Daß es bedenklich ist, diese als
Grundlagen objektiv geschichtlicher Abhandlungen zu wählen, hat
Garrelts klar ausgesprochen (S. 47). Aufgrund seiner Untersuchungen
gibt er dann aber den lutherischen Darstellungen das Zeugnis, daß
sie nicht nur, wobei er sich Bertram, Parerga (Bremen 1735), S.
148, anschließt, für die ostfriesische Reformationsgeschichte wichtige
Quellenschriften sind, sondern daß sie die Geschichte auch durchaus
zuverlässig darstellen; das letztere Urteil schränkt er freilich selbst
etwas ein, indem er hinzufügt: „von den wenigen schwachen Stellen
abgesehen" (S. 95). Dem ersteren Zeugnis vermögen wir mit
Garrelts eigenen Worten: „niemand darf an den lutherischen Berichten
vorübergehen, der sich ein richtiges Bild von der ostfriesischen Reformationsgeschichte
machen will", ohne weiteres zuzustimmen; hinsichtlich
des letzteren Zeugnisses möchten wir jedoch über die von
Garrelts schon selbst angedeuteten Einschränkungen hinausgehen.
Die Berichte leiden an Schwächen, die doch eine noch weitergehende
kritische Nachprüfung als nötig erscheinen lassen. Wir führen
nur Folgendes an, um zu zeigen, daß den Berichten die volle geschichtliche
Klarheit fehlt:
Es ist den Lutheranern äußerst wichtig, die lutherische Reformation
als die ordentliche und anfängliche (S. 105) nachzuweisen; es
kommt ihnen deshalb viel darauf an, das Luthertum in Ostfriesland in
die erste Zeit der Reformation zurück datieren zu können: „zu wissen,
die Kirche Christi zu Norden, Haga, Arle . . . sind vom Jahre 1520
j an bis auf den heutigen Tag rein und der Augsburgischen Konfession
j mit Wahrheit verwandt" (S. 106); der Emder Katechismus ist ihnen
um seiner Jugend willen verächtlich: „wie alt ist er denn?" fragen
| sie spöttisch (S. 111). Daneben aber sprechen sie aus, daß „die
Gemeinde zu Emden gleich anderen evangelischen Kirchen nicht alsbald
im Anfang alles gewußt" (S. 114), und daß „ein jeder es mit
dem Kirchendienst und Zeremonien, auch etlichen Punkten der Lehre
gemachet nach seinem Verstände" (S. 101). Hier etwa örtlich zu
scheiden und z. B. Norden und Emden einander gegenüberzustellen,
geht schwerlich an, da die Reformierten Norden und Emden ganz,
j gleichmäßig für sich in Anspruch nehmen (S. 172) und das jedenfalls
! auch nicht ohne Grund tun. Offenbar hat überall die konfessionelle
j Richtung vielfach gewechselt. Gelegentlich betrachten die Lutheraner
solchen Wechsel als Entwicklung zum Rechten und gliedern dann die
Zwinglische Bewegung der „ordentlichen" Reformation ganz zwanglos
ein, dann aber werfen sie sie wieder mit den wiedertäuferischen Einflüssen
zusammen und bezeichnen alles der lutherischen Reformation
gegenüber als Deformationes (S. 105). Aber diese Deformationes
! unterdrücken die lutherische Reformation zeitweilig vollständig (S.
102 f. 110 f.) und widersprechen dem Anspruch der Lutheraner, die
i Ersten gewesen und die Führenden geldieben zu sein. Statt indessen
das störend zu empfinden, heben die Berichte mit konfessionellem Abscheu
es noch nachdrücklich hervor, ja wollen es noch ausdrücklich
beweisen (S. 107) und merken in ihrem Eifer nicht, daß sie damit
Waffen gegen sich selbst schmieden. Gelegentlich führen sie, um die
evangelische Tradition festzuhalten, den Zwinglianer Aportanus als
einen der Ihrigen an (S. 107) und beklagen seinen Tod, der einer
„beständigen gemeinen Reformation" hinderlich gewesen sei (S. 101),
und dann verleugnen sie Ereignisse, die sie ihrer Sache hätten
dienstbar machen können und spielen sie dem Gegner in die Hände:
so wollen sie von dem Religionsgespräch zu Oldersum, wo Aportanus
mit dem ausgesprochenen Lutheraner Stephanus (S. 170) einig war,
nichts wissen und sprechen verächtlich davon, daß „anfänglich nach
Verwerfung des Papsttums gute Einigkeit gewesen" (S. 105); sie verwerfen
das gemeinsame Bekenntnis von 1528 (S. 106) und mißverstehen
dabei Pezel, der gerade das Bekenntnis von 1528 zu seinem
Bekenntnis macht (S. 113).
Die lutherischen Darstellungen sind Dokumente des Konfessionalismus
am Ausgang des 16. Jahrhunderts. Ihr Verfasser und die
mit ihm auf einem Boden stehen, sind der rechten Lehre so gewiß
daß „Gemeinde" nur da ist, wo sie ist. Deshalb können sie die Ein-