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Ausgabe:

1927 Nr. 2

Spalte:

39

Autor/Hrsg.:

Schubart, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Palaeograpie. I. Teil: Griechische Palaeographie 1927

Rezensent:

Koch, Hugo

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39

Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 2.

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mischen Form gewählt. „Lasset uns den Herren preisen" (S. 33),
„An Wasserflüssen" (37) dagegen läßt man unwillig ausgeglichen
über sich ergehen. Und daß gegen Ende Luthers „Christ lag in
Todesbanden" in zurechtgestutztem Text auftritt, dazu in eigner Vertonung
, dient der Sache kaum. Neben einem Bachschen Satz (S. 50)
steht einer aus der Missionsharfe (S. 25). Das vorher erschienene

2. ist eine liturgische Gemeindefeier mit kleinstem Apparat.
Choralgesamg auf die Weise „Wachet auf" umrahmt die Feier. Dazwischen
kommt nach jeder Seligpreisung eine lutherische Auslegung,
darnach ein kürzerer Choral, manchmal mit Soli. Diese Fügung bedeutet
einen Gewinn.

Der Musiker ist schlicht-erfindungsfreudig, sein Satz gewandt und
leicht ausführhar, sinnfällig und würdig. Wo man seiner Gemeinde
keine alten Sätze meint bieten zu sollen, da tun diese in ihrer bescheidenen
Art erfreulichen Werklein einen guten Dienst. Ich könnte
mir denken, daß ein Dorfchor die 4 Teile von 1. für die Hauptfeste
studiert und dann nach Jahresfrist im Konzert zusammenfaßt.
Fahrenbach (Baden). Peter Katz.

Schubart, Wilhelm : Palaeographie. I. Teil: Griechische Palaeo-
graphie. München: C. H. Beck 1925. (VII, 184 S. m. 120 Abb.)
gr. 8°. = Handbuch d. Altertumswissensch. 1. Bd. 4. Abt.,
1. Hälfte. geb. Rm. 16—.

Die griechische Paläographie hat seit ihrem Schöpfer
Moutfaueon bis vor kurzem sowohl in demselben zeitlichen
Rahmen, wie auch, von neuentdeckten mittelalterlichen
Handschriften abgesehen, mit demselben Stoffe
gearbeitet. Dje aus dem Sande Ägyptens gewonnenen
Papyri aber haben ihr ein volles Jahrtausend neuerschlossen
und zugleich neue Fragen und Aufgaben
gestellt. So versteht es sich, daß der ausgezeichnete Papyruskenner
Schubart in der .Griechischen Paläographie',
die er in der bekannten, jetzt von Walter Otto herausgegebenen
Sammlung „Handbuch der Altertumswissenschaft
" vorlegt, den größten Teil darauf verwendet,
durch dieses Neuland die Wege zu weisen. Zugleich
rückt er die Seite der Schrift in den Vordergrund,
die man Stil nennt. Aus der am Anfange stehenden Schulschrift
entfalten sich drei Gattungen gleichen Rechtes
neben einander: die Schönschrift (Buchschrift), die Ge-
schäftssohrift (in Urkunden und Briefen) und die Kanzleischrift
der höheren amtlichen Stellen. Dazu kommt
noch in den Papyri die persönliche Handschrift. In
den Papyri tritt am häufigsten und am deutlichsten die
Geschäftsschrift hervor, und zeitlich sind die großen
Wendepunkte der Geschichte auch bezüglich der Schrift
von Bedeutung geworden: die Eroberung Ägyptens
durch die Römer, die dem Ptolemäerreich ein Ende
machte, und die Umwandlung der kaiserlichen Republik
in eine unbeschränkte Monarchie durch Diokletian, die
das byzantinische Reich einleitete. So veranschaulicht
Sch. die Gestaltung der Geschäftsschrift, der Schönschrift
und der persönlichen Handschrift in der Ptole-
mäerzeit, der Kaiserzeit und der byzantinischen Zeit
an 120 gut ausgewählten und wiedergegebenen Proben.
Hierauf kennzeichnet er kurz die Buchhandschriften
des Mittelalters und erläutert zum Schluß besondere
Zeichen und Systeme: Lesezeichen (Akzente, Interpunktion
), Initialen, Kürzungen, Tachygrapbie, Ziffern, Noten,
Stempelschrift. Beigegeben sind ein Verzeichnis der
Abbildungen mit Angabe des Ortes der ersten Publikation
und einer früheren Wiedergabe, und ein Register
(die Abkürzung BGU sollte das erstemal, S. 29i,
oder im Verzeichnis S. 180 erläutert sein). Sicher
wird sich das Buch als trefflicher Führer erweisen.
München. Hugo Koch.

Harnack, Theodosius: Luthers Theologie. Neue Ausg. Bd. I.
München: Chr. Kaiser (XII, 546 S.) gr. 8°. Rm. 13—; geb. 16—.

Dieser Neudruck zerfällt in zwei Teile, Haupttext
und Anhang. Der Haupttext druckt den alten
Text von Theodosius Harnack ab, ohne sachliche Änderung
(auch die Lutherworte haben die Gestalt behalten,
die sie bei Th. Harnack haben), aber mit folgenden
redaktionellen Abweichungen: 1) die von Th. Harnack
in Klammern seinen Zitaten beigefügten oder in Anmerkungen
rein ziffernmäßig gegebenen Stellenangaben

aus Walch sind gestrichen. An ihre Stelle sind bezifferte
Anmerkungen getreten, welche die Titel der Schriften
nennen. 2) Die zur Durchführung dieses Verfahrens
nötigen Umformungen der Anmerkungen sind vorgenommen
. 3) Die Bibelstellen sind alle nach der Zänl-
weiße der heutigen deutschen Bibel gegeben.

Gelegentlich entstehen bei diesem Verfahren Undeutlichkeiten.
Ich gebe ein Beispiel. Th. Harnack gibt S. 152 ein langes Zitat aus
dem verunechteten Kommentar zu Hosea, fügt im Schluß in Klammern
bei: „(6, 1971 ss; Wittenb. Ausg. IVf. 464b)" und sagt in einer Anmerkung
: „So auch im großen Bekenntnis v. J. 1528; W. 20, 1376."
Die neue Ausgabe wiederholt S. 115 einfach das Zitat ohne Fundort
und bemerkt in der Anmerkung: „Zu Hos. 13,9? u. Vom Abendmahl
Chr. Bekenntnis: 1528." Dazu ist — abgesehen von dem später
sachlich zu Bemerkenden — zu sagen, daß jemand, der nicht den
alten Text vor sich hat, nicht leicht begreifen wird, daß das „u."
lediglich auf eine zweite Ähnliches sagende Stelle verweisen will:
er wird eher eine kombinatorische Zusammensetzung zweier Lutherstellen
zu einem Ganzen vermuten. — Manchmal hat sich der Bearbeiter
, um solchen Undeutlichkeiten zu entgehen, so geholfen, daß
er die von Theod. Harnack gegebenen Zitatenketten nur in dem gleich
zu erwähnenden tabellarischen Anhange aufzählt. In diesem Falle
aber kann man aus dem Haupttexte nicht ersehen, daß Th. Harnack
mehrere Unterlagen für seine Behauptung zu besitzen glaubt. Als beliebiges
Beispiel ist Alte Ausgabe S. 373 mit Neue Ausgabe S. 285
Anm. 10 zu vergleichen.

Im Anhang werden dann unter den Paragraphen-
und Anmerkungsziffern Tabellen gegeben, welche in der
ersten Reihe die Stellenangabe Harnack's aus Walch, in
daneben gestellten andern Reihen die Übersetzung in
Weimarer, Erlanger (1. u. 2. Aufl.), Bonner und Braun-
schweig-Berliner Ausgabe enthalten. Diese Tabellen
füllen 84 Seiten. Jede Seite weist etwa 20 bis 30 Zitate
für die genannten Ausgaben nach. In diesen Tabellen
steckt die eigentliche für die Neuherausgabe geleistete
Arbeit. Sie scheinen nach der Genauigkeit der
Ziffern hin sehr sorgfältig zu sein; meine freilich beschränkten
Stichproben haben mir nur einen Druckfehler
geliefert (S. 480 § 12 Ziffer 2 muß es in der
Reihe der Erlanger Ausgabe heißen: 54,21 ff.). Die
sofort dem Kundigen auffallende Nichtberücksichtigung
der Enders'schen Ausgabe des Briefwechsels aber ist,
wenn ich richtig gezählt habe, nur an sechs Stellen
schädlich geworden, da Th. Harnack Luther's Briefwechsel
nur zufällig benutzt hat.

Jeder Gelehrte wird nun fragen, wie sich der Bearbeiter
in den zahllosen Fällen der verunechteten Zitate
, der irrigen Titel- und Zeitangaben bei Th. Harnack
verhalten hat. Man wird feststellen dürfen, daß seine
Anmerkungen da auch einiges Material bieten. So sind

1) den Titeln, die im den bezifferten Anmerkungen des
Haupttextes geboten werden, meistens Jahreszahlen beigefügt
: man kann also bei den zahllosen Predigtzitateu
Th. Harnack's das Jahr, in dem die betreffende Predigt
gehalten wurde, mit einem Blicke ersehen (soweit ich
geprüft habe, erwiesen sich die Angaben brauchbar).

2) ist bei einer beschränkten Anzahl von Zitaten —
nämlich bei denen aus den Vorlesungen zu den kleinen
Propheten, die die Hineinfälschung der melanchthoni-
schen Prädestinationslehre in Luther enthalten und von
Th. Harnack immer wieder mit besondrer Begeisterung
als für Luther charakteristisch zitiert werden — durch
Setzung eines Fragezeichens in der Anmerkung des
Haupttextes dem Leser angedeutet, daß hier etwas nicht
ganz in Ordnung ist. — Aber das, was so geschehen
ist, ist bei Weitem nicht genug. Denn einmal hat
das Urteil des Bearbeiters in einigen Fällen, wo einfaches
Aufsuchen in der Weim. Ausg. nicht das Richtige
lieferte, versagt. Zweitens hat seine Pietät gegen Th.
Harnack ihn verhindert, offenbare Unrichtigkeiten auch
nur in solchen Außendingen klar anzumerken. Drittens
hat er bewußt darauf verzichtet, durch irgendein Zeichen
darauf hinzuweisen, wenn der von Th. Harnack deutsch
benutzte und zitierte Text ursprünglich lateinisch ist
(in allen diesen Fällen findet nämlicn eine „Oszillation
des Gedankens" statt, wie der Bearbeiter selber im Vorwort
gesteht). Viertens aber, und das ist das