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Ausgabe:

1927 Nr. 24

Spalte:

558-559

Autor/Hrsg.:

Spörri, Theophil

Titel/Untertitel:

Der Gemeindegedanke im ersten Petrusbrief 1927

Rezensent:

Behm, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 24.

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genommen sein soll, obschon diese Lieder außer dem
Namen Salomo nichts boten, was sie von andern ihresgleichen
unterschied und ihr allegorisches Verständnis
nahelegte, und obschon die allegorische Deutung doch
wirklich nicht leicht durchführbar war. Ich habe immer
das Gefühl gehabt, daß hier irgend ein Zwang gewirkt
haben müsse, dem man sich nicht entziehen konnte, und
daß dieser Zwang allein in dem Namen Salomo gelegen
haben sollte, leuchtete mir nie recht ein. Diese
Schwierigkeit würde bei der neuen Erklärung fortfallen,
da es sich von vornherein um ein kultisches Buch
gehandelt hätte (doch s. unten). Auch die an sich nur
mögliche, aber keineswegs besonders naheliegende Be- I
Stimmung der allegorisch gedeuteten Liedersammlung
zur Megilla des Passahfestes wäre leidlich gut erklärt.

Jedoch meine Bedenken überwiegen. Der Verf. hat
zwar unendlich reiches Material beigebracht, das seine
Deutung notwendig machen oder wenigstens stützen
soll; aber es kommt nicht auf die Masse des Beweismaterials
, sondern auf seine Stichhaltigkeit an. Nun liegt
fast überall die Sache so, daß die Züge, die W. durch
Parallelen aus dem Gebiet des Tammuz-Ischtar-Kultus
erklären will, von andern durch ebenso massenhafte
Parallelen aus profanen Liebesliedern erläutert sind.
Die neue Deutung tritt in diesen Fällen höchstens als i
eine mögliche rieben die andere, ebenso leicht durchführbare
. Nur wenige Züge bleiben übrig, bei denen die
neue Erklärung mehr leistet als die bisherige; dafür versagt
sie an anderen, wo die bisherige vollkommen zureicht
, z. B. bei 8, 11. 12, wo der Sprecher und seine I
Geliebte nicht als Hierodulen erklärt werden können.
Besondere Bedeutung scheint mir W. seiner Erklärung
der Namen Sulammit und Död beizulegen. Aber daß die
Bezeichnung „die Sulammitin" auf den ursprünglichen
Gottesnamen Schulmanitu zurückgehe, ist nicht erweisbar
und wäre nur dann als eine Vermutung annehmbar,
wenn der Ischtarcharakter der Geliebten durch andere j
Gründe wirklich erwiesen wäre. Daß Död im Hohen-
liede Gottesname sei, folgte aus 5, 9 selbst dann nicht,
wenn die Exegese des Verf.s richtig wäre; denn in der
Frage „Wer anders ist dein Geliebter als Död?" müßte t
zwar Död vielleicht ein Eigenname sein, aber nicht notwendig
der eines Gottes, zumal da "|H als Gottes- I
n a m e nicht nachgewiesen ist, sondern nur als a p p e 1 -
lativische Gottesbezeichnung (dein Död, sein Död
usw.), daneben aber in der Aussprache (fäwid als Eigenname
eines Menschen. Ferner legt W. augenscheinlich
besonderes Gewicht darauf, daß das Motiv des
Suchens und Findens (3, 1 ff. vgl. 5, 2 ff.) aus dem
Adonismythus und dem Mythus von der Höllenfahrt der
Ischtar besonders gut verständlich werde. Ich sehe da- I
von ab, daß er das 5, 2 vollkommen deutliche Traum- [
motiv ohne weitere Begründung durch Streichung be- |
seitigt, um einen realen Vorgang zu gewinnen. Nur
darauf möchte ich hinweisen, daß das, was im Mythus
und Kult besonders hervortritt, der Tod des Adonis und
die Klage über ihn, weder in diesen beiden Liedern |
noch in irgend einem andern Liede der Sammlung er- |
wähnt wird.

Entscheidend aber ist für mich doch etwas Anderes.
Mit meinen Vorstellungen von dem Verlauf des Kampfes
des Jahwismus gegen den Synkretismus und von der
Schärfe des Gegensatzes gerade gegen die unzüchtigen
Astartekulte kann ich es nicht reimen, daß man ein ;
Liederbuch des Ischtarkultus, das man als solches noch
kannte, in den Kanon der Jahwegemeinde aufgenommen
haben sollte. Das erscheint mir noch viel schwerer vor- j
stellbar, als daß man ein profanes Buch mit Liebes-
Uedem in den Kanon aufnahm. Nur rein formal ist die
Oben erwähnte Schwierigkeit fortgefallen, wenn das
Buch von vornherein kultischen Charakter hatte; inhaltlich
aber ist die Schwierigkeit gewachsen, wenn man
ihm nicht profanen, sondern offenbar stark heidnischen
Charakter zuschreibt. Ich halte daher lieber an der profanen
Deutung des Hohenliedes fest, indem ich an- !

nehme, daß irgendeine uns unbekannte Tatsache die allegorische
Deutung und die Aufnahme in den Kanon
veranlaßte, als daß ich dem Jahwismus die Selbstverleugnung
zutraute, ein Ischtarkultliederbuch zu sanktionieren
. Dazu kommt, daß ich es trotz der Ausführungen
auf S. 216 f. bei meinen Vorstellungen von der Geschichte
der hebräischen Sprache nicht fertig bekomme,
das Hohelied dem 7. oder 8. Jahrhundert zuzuweisen.

Wenn man auf Grund des vorgelegten Parallelenmaterials
eine Beziehung zwischen dem Ischtarkult der
synkretistischen Zeit und dem Hohenliede anzunehmen
hat — das erscheint mir als sehr wohl möglich — dann
doch nur in der Weise, daß man einen Einfluß der
Tammuz-Ischtar-Lieder auf die profanen Liebeslieder der
gleichen Periode annimmt, der dann in der Liebespoesie
der folgenden Jahrhunderte nachwirkt und so auch im
Hohenliede noch zu spüren ist.

Ich kann die Besprechung des vorliegenden Buches nicht
schließen ohne in aller Kürze noch ein paar weitere kritische Bemerkungen
anzufügen. Der Verf. scheint mir stark zu übertreiben,
wenn er überall Spuren des Ischtarkultes findet, wo nur ein einziger
Ausdruck dafür eine Handhabe bietet. Mehrfach vermißt man die
nötige Sorgfalt, z. B. S. 14 Note 1: „Jephta = Kaie vgl. HL 1, S.
Name der mit Ischtarzügen gezeichneten Jungfrau selbst?" Also
Jephta (sie! hebr. Jiphtach] i~iPD'1 uad dieses Fem. zu "^M
S. 25: als Zeugnis für die Hochzeit von Sonne und Mond in der
Neumoudnacht wird angeführt Henoch 45, 1, weil dort ein Schwur
zwischen Sonne und Mond erwähnt werde; von eidlicher Verpflichtung
beider ist da zwar die Rede, aber nicht von einem Eid
zwischen beiden (beachte den Zusammenhang!). Häßlich
wirken die vielfach recht ungenauen Transkriptionen (z. B.
nur statt nahr S. 100) und die wiederholt vorkommenden falschen
Schreibungen von Eigennamen (z. B. Ooldzieher, Kautsch, Rotstein,
auf S. 217 nur zum kleinsten Teil korrigiert). Störend wirken auch
sonst viele Druckfehler. Schmerzlich vermißt man ein Sachregister
und ein Verzeichnis der Abkürzungen, zumal da der Verf. darin zum
Teil eigene Wege geht. Da er bei Anführung von Parallelen in der
Regel im Telegrammstil schreibt und nur Stichworte angibt, hat man
oft Mühe, zu verstehen, was er meint.

Breslau. C. Steuernagel.

Spörri, Lic. Theophil: Der Gemeindegedanke im ersten
Petrusbrief. Ein Beitr. z. Struktur d. urchristl. Kirchenbegriffs.
Gütersloh: C. Bertelsmann 1925. (384 S.) 8°. = Neutestamentliche
Forschungen, Reihe 2: Untersuchungen z. Kirchenproblem d. Urchristentums
, H. 2. Rm. 9—; geb. 11—.

Der Verf. dieser Studie, einer münsterschen ev.-
theol. Lizentiatendissertation, hat es sich zur Aufgabe gemacht
, die Anschauung des 1. Petr. von der Gemeinde
in ihrer inneren Struktur, aus dem Wesen der Sache
heraus, zu erforschen und darzustellen. Das Wort
h.-A.'krpia kommt zwar in dem Briefe nicht vor, aber die
Sache ist ihm darum nicht minder gegenwärtig und
wesentlich. Sp. sammelt und sichtet in einem 1. exegetischen
Teil (S. 11—156) das reiche von der Quelle
dargebotene Material und ordnet es unter die Gesichtspunkte
: das Entstehen der Gemeinde, der sie konstituierende
Heilsbesitz, ihr Beruf, ihre Stellung zu den gegebenen
Formen und Ordnungen menschlicher Gemeinschaft
, ihre Organisation (Gesamtgemeinde und Einzelgemeinde
, Amt, Autorität und Freiheit), Sünde in der
Gemeinde, a.t.liche und n.t.liche Gemeinde, die Hoffnung
der Gemeinde. Die Disharmonien, Kontraste und
Spannungen in dem so erarbeiteten Gedankengut (Gemeinde
und Einzelpersönlichkeit, Gemeinde und Welt,
Gemeinde und Israel, die Gemeinde unter der Gnade
und unter dem Gericht Gottes usw.) führen auf die
Frage, in der Sp. das eigentliche Problem sieht, ob die
Gemeindeidee des Briefes sich als eine innere Einheit
begreifen läßt. Die Lösung des Problems gibt der
2. Teil (S. 159—266) — nach einer Kritik der unbefriedigenden
Versuche, logisch gegensätzliche Aussagen
in dem Briefe vermittelnd auszugleichen oder textkritisch
zu beseitigen — durch den Nachweis eines letzten Einheitspunktes
, einer Grundanschauung, in der die gegensätzlichen
Gedanken organisch verwurzelt sind, und von
der aus auch die soziologische Struktur des Gemeinde-