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Ausgabe: | 1927 Nr. 23 |
Spalte: | 550 |
Autor/Hrsg.: | Leese, Kurt |
Titel/Untertitel: | Von Jakob Böhme zu Schelling. Zur Metaphysik des Gottesproblems 1927 |
Rezensent: | Heyken, Rudolf |
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Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 23.
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als die erste und entscheidende mit der Rede erzielen wollte, 2., daß Leese, Kurt: Von Jakob Böhme zu Schelling. Zur Metaphysik
Kierkegaard diese Wirkung für den Eck- und Grundstein jeder Er- : d. Gottesproblems. Erfurt: K. Stenger 1927. (72 S.) gr. 8°. =
bauung hielt, und 3., daß diese Wirkung nur darum so tief ist, weil Weisheit u. Tat, H. 10. Rm. 3—.
sie aus dem' Kontraste mit einer durch die Rede aufgeweckten heim- Die Absicht der Schrift ist, einen Beitrag zur Metaphysik des
liehen Sehnsucht nach Herzensreinheit entsteht, — dann wäre es Gottesprohlems bei dem späteren Schelling zu geben. Seine Idee von
gut gesagt; dann würde ja die tiefste Selbstironie in dem „davon aer „Identität der Gegensätze des Subjektiven und Objektiven, des
bin ich schlecht erbaut" stecken und den Leser wie mit einem j Realen und Idealen" (8), speziell von der „Natur in Gott" (6) wird
Stachel verwunden, und man entdeckte plötzlich ein geheimes Ein- in ihren verwandtschaftlichen Beziehungen zu J. Böhme und F. C.
Verständnis mit dem Schreiber. Aber leider, leider — Sehr, meint es j Oetinger dargestellt. Das Ergebnis läßt eine weitgehende Oberein-
nicht so, und so scheint er Kierkegaard mißverstanden zu haben, ge- ; Stimmung Schellings mit Böhme erkennen, während Oetinger als ein
rade indem er die richtige Wirkung erfuhr. Wieweit aber muß er teilweises aber bedeutsames Mittelglied zwischen beiden erscheint,
dann mit ihm auseinander sein! ( Aufgebaut auf Böhmes Ideen von der „Leiblichkeit Gottes",
Es bleibt nach dem allen nichts Übrig, als sich Über ! in Oetingers Ausgestaltung (40ff.), und von dem „Dämonischen in
die Gründe zu besinnen, warum Sehr.'s Kritik bei allem Gott" (43ff-) stellt sic!' Schellings „Wechseldurchdringung des Realis-
C„l-„„r„;„„ j„~i, rlac irnn ihm cplhst anerpo-phenp 7ipl lnI,s lmd Idealismus" (47) als „Gott-Geburt" (48ff.) mit den Rolari-
der ^ Durchführung^ ZU befreien und^sem leMeS^^faefSteS Die ^handelten drei Philosophen kommen in je 1 Kap. mit belegten
Zitaten reichlich seihst zu Wort. Es fragt sich jedoch, ob das
entworfene Bild, namentlich hinsichtlich Oetingers umfassend genug
ist. Bereits hei Böhme fällt auf, daß Bornkamms Buch nicht gegenüber
Hankamers verwertet, ja nicht einmal unter der übrigen Literatur erwähnt
wird. Bedenklich aber ist die Darstellung Oetingers, dem
eine Nebenabsicht der Abhandlung gerade zu verdienter Beachtung verhelfen
will (5). Der Verf. ist der Gefahr nicht entgangen, die behandelten
metaphysischen Ideen Oet.'s zu stark von ihrem gedanklichen
Grunde zu isolieren. Einerseits darf Schelling als das Ergebnis einer
geschichtlichen Entwicklung nicht insofern als Auswahlprinzip einer
rückblickenden Betrachtung genommen werden, daß allein die von ihm
verwerteten hingegen nicht die damit eng verbundenen von ihm unberücksichtigten
Gedanken Oetingers aufgezeigt werden. Es verzerrt sich
auf diese Weise das Bild Oetingers zur Unvollständigkeit. Andrer-
Wollen an den Tag zu bringen, nicht erreicht. Nun
scheint mir klar, daß eine Kritik an den Gedanken eines
andern von meinem Standpunkt aus nur dann solch Ziel
erreichen kann, wenn ich das Gleiche wie er und auf die
gleiche Weise wie er frage. Sonst kann eine solche
Kritik ja nur feststellen, daß wir über Ziel oder Weg
oder Ziel und Weg so verschieden denken, daß einer
vom andern fordern muß, seinen Standort preiszugeben.
Und so liegt es nun einmal zwischen Schrempf und
Kierkegaard. Einmal, Kierkegaard hat seine tiefste
Lebensbewegung darin, das Christentum (und zwar das
im wesentlichen lutherisch verstandene Christentum des
Neuen Testaments) mit ganzem Ernste innerlich anzueignen
; Sehr, hat Sie darin, den Anspruch des Christen- f s verlieren be, einer so komplexen Erscheinung wie Oet. zen-
"* ' ' ' . , ' , .__. I trale Gedankenkreise wie der Gottesbegriff wesentlich an Lebendigkeit,
tums darauf, von uns angeeignet zu werden, auf seine , wen„ ,hf Zusammenhang innerhaib einer ungewöhnlich geschlossenen
Berechtigung zu prüfen. Sodann, Kierkegaard ist: SUD- | Gedankenwelt nicht gewahrt bleibt. Der Verf. beachtet nicht, daß,
jektiver Denker im Sinne Hamanns, er meint, _ daß^ nur J wejl Oet. in höherem Maße ein Schüler Bengels als Böhmes, d. h.
in erster Linie Biblizist war, sein lebendiges Verhältnis zur Schrift die
Grundlage bildete, auf der die anderen Einflüsse wie Böhme, die
Kabbala usw. bei ihm wuchsen bzw. nicht gediehen. Ohne Rücksicht
auf solche individuellen Beziehungen ist es nicht möglich — was der
Verf. deshalb bedauerlicherweise auch nicht unternimmt —, zu erklären
, warum z. B. der Begriff des Dämonischen in Böhmes
Gottesbegriff bei Oet. nicht, wohl aber bei Schelling trotz Oet. fortwirkte
. Und allein in Verkennung jenes Tatbestandes — die sich
auch darin zeigt, daß der Verf. zu Oet.s „wichtigsten Schriften" (22)
keine seiner exegetischen und prinzipiellen über die Schrift und keine
Predigten zählt (nebenbei auch nicht die Inquisitio in sensum com-
munem) — kann Oet. bzgl. seiner Christologie und Rechtfertigungslehre
mit Lavater auf die gleiche Stufe gestellt werden (3b). Es
bleibt auf jeden Fall ein unzulängliches Unternehmen, an Oet. mit
Maßstäben des dt. Idealismus heran zu treten. Weist Oet. auch viele
mystisch-ästhetische Züge auf, so hat er doch in zahlreichen Schriften,
die die vom Verf. isoliert angezogenen von Haus aus ergänzen und
fundieren, das lutherisch-paulinische d. i. das ethische Christentum auf
das bestimmteste als seine Grundhaltung bekundet.
Die Abhandlung behält ihren Wert als ein Hinweis auf wichtige
und gewöhnlich verkannte Probleme und beachtliche Lösungen:
zu einer durchgreifenden Bearbeitung in diesem Umfange und auch
in der eingenommenen Richtung dürfte der gesteckte Rahmen nicht
genügend Raum geboten haben.
Göttingen. Rudolf Heyken.
in einer Leidenschaft und Verzweiflung, die den Men
sehen als ganzen bewegt und jedes Räsonnement untergehen
läßt in der Umwandlung des Herzens, wir ein
Verhältnis zur Wahrheit gewinnen; Sehr, ist subjektiver
Denker bloß im Sinne Lessings, er meint, durch Rechnen
, Erwägen und Überlegen über die Wahrheit und
sein Verhältnis zu ihr ins Reine zu kommen, er hat eine
bei keiner Bewegung des Herzens übergebene unüberwindliche
Bergfeste nüchternen Räsonnements in sich.
Es kann also bei aller Kritik nichts andres herauskommen
, als daß Kierkegaard etwas andres und auf
andre Weise als Sehr, gewollt hat.
Zu dem allen tritt noch ein andrer Punkt. Kierkegaard
hat eine ihn verstrickende und von einem normal
menschlichen Leben ausschließende schwere psychische
Belastung als eigene Tat und Schuld vor Gott übernommen
und sie sich in Glaube und Gebet durch Gottes
Wundergnade auflösen lassen, fruchtbar machen lassen
zu gesegnetem Werke. Einen solchen Lebenskampf kann
man nicht vergleichend messen an einem Maße, das für
andre gilt. Sehr, aber stellt mit unbarmherziger Unwiderleglichkeit
fest, worin und wie Kierkegaard's Handeln
unsern normal-menschlichen Begriffen nicht entspricht
. Er bleibt damit zurück hinter dem Gerichtsrat
Wilhelm Kierkegaards, der eine Ahnung besitzt von der
Existenz der Ausnahme. Hat Sehr, denn nicht einmal
Erklärung.
In seiner Anzeige meiner kleinen Schrift „Schleiermacher und
das von Kierkegaard gelernt, daß die gewöhnliche auf- I Ritsehl in ihrer Bedeutung für die heutige theologische Lage und
Aufgabe" (Nr. 19 S. 445) zieht Ferd. Kattenbusch den von mir
geklärte Gesetzesmoral nicht ausreicht, ein einziges tieferes
Lebensproblem ethisch zu bewältigen ?
Mit dem allen ist nicht geleugnet, daß es für den,
der Kierkegaard kennt, eine zwar verdrießliche, aber nützliche
und ihn fördernde Beschäftigung ist, sich mit Sehr,
herumzuschlagen. Denn es gibt wenige Blößen an
Kierkegaard, auf die er nicht scharfsinnig und ernsthaft
den Finger gelegt hätte. Kierkegaard hat eine
Art, einen in den Bann seiner Betrachtung zu ziehen,
die einen zur Kritik an ihm nicht leicht noch kommen
läßt; und da kann es eine heilsame Zucht sein, so von
einem ganz fremden skeptischen Standort her auf ihn zu
schauen.
Göttingen. E. Hirsch.
an ganz anderer Stelle und in ganz anderem Zusammenhang gebrauchten
Ausdruck „verekeln" heran. Ich bemerke dazu Folgendes:
1. In dem betreffenden Aufsatz der „Christi. Welt" habe ich
diesen Ausdruck nicht primär auf Kattenbusch, sondern auf die Behandlung
Schleiermachers durch die dialektischen Theologen, speziell
durch E. Brunner, angewandt.
2. Daß ich den Ausdruck dann schweren Herzens — der Not
gehorchend, nicht dem eignen Triebe — doch auch auf Kattenbusch
mitbezogen habe, war dadurch veranlaßt, daß sich Studierende immer
wieder für ihre radikale Ablehnung jedes Schleicrmachcr-Studiumx
nicht nur auf Brunner, sondern auch auf Kattenbusch beriefen.
3. Aber nur die Tatsache, keineswegs den „Willen" dazu habe
ich behauptet. Doch bedaure ich heute die Übertragung des Ausdrucks
auf Kattenbusch auch in dieser Form. Ich hätte ihn auf jenes
andere Kampfgebiet beschränken sollen, dem er entstammt und dem
er entspricht.