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Ausgabe: | 1927 Nr. 23 |
Spalte: | 545 |
Autor/Hrsg.: | Stolze, Wilhelm |
Titel/Untertitel: | Bauernkrieg und Reformation 1927 |
Rezensent: | Schornbaum, Karl |
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545
Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 23.
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Original ergänzt wurde, weil dasselbe nicht aufgefunden
werden konnte. — Eine Miszelle gibt Aufschluß über das
auch in Fischer, Schwäbisches Wörterbuch 2, 206 ge- |
nannte Wort digen würst = geräucherte Würste bei W.
Köhler, das Buch der Reformation H. Zwingiis S. 88. —
Das Heft schmückt ein Bild der alten Schaffhauser
Lateinschule und ein Gedicht auf Zwingli von H. G. W.
Horb. G. Bosse rt.
Stolze, Wilhelm: Bauernkrieg und Reformation. Leipzig:
M. Heinsius Nachf. 1926. (127 S.) gr. 8°. = Schriften des Vereins
f. Reformationsgesch., Jahrg. 44, H. 2. Rm. 3.20.
Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen
Bauernkrieg und Reformation hat seit Jahrhunderten die
Forschung bewegt. Während die einen, besonders die
auf katholischer Seite stehenden, diesen nicht eng genug
sich denken konnten, wollten andere überhaupt davon I
nichts wissen. Stolze stellt sich auf die erstere Seite.
„Reformation und Bauernkrieg gehören untrennbar zusammen
" (S. 55). „Der Bauernkrieg ist geradezu ein
Bekenntnis zur Reformation" (S. 118). Aber indem er
dies tut, stellt er auch bereits den großen Unterschied
von der bisherigen Forschung fest. Der Verbindungs-
linien zwischen beiden Bewegungen sind nicht nur viel
mehr, sondern auch viel engere, viel tiefer in das Wesen
beider eingreifendere. Es ist nicht nur so, daß der gemeine
Mann sich deswegen erhob, weil er die von ihm
verfolgten Ziele, wie den Plan der Säkularisation des I
gesamten Kirchengutes, durch den Zusammenschluß der
kath. Stände vereitelt sah (S. 113), es waren vielmehr
auch rein religiöse Motive dabei wirksam. Die
Lehre von der Rechtfertigung allein durch den Glauben,
und von den guten Werken, soweit sie das Gemeinschaftsleben
umgestalteten gaben zumeist den Anstoß
(S. 118). Dies weiß der mit der ganzen Literatur wie
kein zweiter vertraute Verfasser spannend genug herauszustellen
. Schon die Schilderung der Bestrebungen des ;
gemeinen Mannes vor der Reformation rückt vieles in
neue Beleuchtung. Feinsinnig werden die vielen „Bäche
und Rinnsale" bloßgelegt, die auf dem Boden der
geistlichen Gebiete die Fülle von Unzufriedenheit erregten
, die dann im Bauernkrieg zur Entladung kam.
In diesem sieht er trotz aller Vielgestaltigkeit nur ein !
einheitliches Gebilde, das sich von selbst in 3 Gruppen
teilen läßt. Der Bauernkrieg in Franken und Thüringen
hebt sich deutlich ab von den andern Bewegungen,
denen immer die 12 Artikel Leitmotiv waren. Dem
Einfluß eines Thomas Müntzer schreibt er nur neben- !
sächliche Bedeutung zu, die beiden anderen Gruppen
aber sind nach ihm unverständlich, wenn nicht dem Geis!
der Reformation bei ihrem Austreten eine entscheidende
Bedeutung zuerkannt wird. So ist ihm auch der Bauernkrieg
nicht eine Katastrophe, sondern eine Feuerprobe
für dieselbe gewesen, die die Folge entscheidend beeinflußt
hat. Diese Gedanken kurz zu skizzieren muß hier
genügen. Es ist klar, daß sie die Erörterung des ganzen
Problems entscheidend beeinflussen werden. Der Forschung
sind neue Richtlinien genugsam gewiesen
worden.
Roth. Karl Schornbaum.
Holmquist, Prof. Dr. Hjalmar; Die schwedische Reformation
1523—1531. Leipzig: M. Heinsius Nachf. 1925. (146S.) gr. 8°. =
Schriften d. Vereins f. Reformationsgesch., Jahrg. 43, H. 2
(Nr. 139). Rm. 3.50.
H. sucht in seiner Darstellung zweierlei zu verbinden. Einmal
will er ein anschauliches Bild der Vorgänge selbst, der treibenden
Kräfte und der führenden Persönlichkeiten geben, zweitens
will er über die Quellen der Darstellung und die Fragen der schwedischen
Forschung unterrichten. Es war darum ein glücklicher Griff,
dies zunächst schwedisch für Schweden geschriebene Buch (1923) auf
deutsch zugänglich zu machen. Es bietet gerade das, was wir als
Einführung in das Studium der schwedischen Reformationsgeschichte
brauchen.
Kritisch Stellung zu nehmen zu der Darstellung bin ich nicht
in der Lage. Sie erweckt großes Zutrauen durch ihr stets maßvolles
und vorsichtiges Urteil und ihre redliche Herausarbeitung der Wittenbergischen
Einflüsse.
Göttingen. E. Hirsch.
Palm er, Frederic: Heretics, Saints and Martyrs. Cambridge:
Harvard University Press 1925. (256 S.) 8°.
Eine Sammlung von Aufsätzen, z.T. schon anderweitig veröffentlicht
, in die einen inneren Zusammenhang hineinzubringen, ich
mich vergeblich bemüht habe. Der erste lautet: The Anabaptists and
their relation to civil and religious liberty. Eine Kausalkette zwischen
Urchristentum und Täufer wird mit Recht abgelehnt, nur ein „revival
of conditions" angenommen, Luther wieder einmal schlechthin als
Fürstendiener im Bauernkrieg gebrandmarkt, ein Uberblick über die
Geschichte des Täufertums geboten, zu dem merkwürdigerweise die
Irvingianer in Beziehung gesetzt werden, zum eigentlichen Thema
aber nichts von Bedeutung gesagt. Als fundamental principle der
Täufer the immediate relation of the soul to God zu bezeichnen
und dann die Quäker als ihre Erben zu beirachten, schließlich „the
modern men of their time" in ihnen zu sehen, ist bestenfalls halb
richtig, ohne Umgrenzung aber falsch. Es folgt Joachim von Floris:
er soll als erster klar die beiden Kennzeichen der Mystik (Eingehen
des Besondern in das Allgemeine, Sensorium für die Unmittelbarkeit
der Gegenwart Gottes — ist das wirklich „Mystik"?) erkannt haben,
„and he may therefore be regarded as the founder of modern
mysticism" (wozu ich ein starkes Fragezeichen setzen würde, solange
nicht gesagt wird, was modern mysticism sein soll). Und wie
kann man sagen angesichts der Joachimiten: the vvonder is, that
Protestantism did not appear two or three centuries earlier (S. 87)?!
Schließlich wird Joachim (S. 93) noch mit den present-day-states
men in Beziehung gesetzt, unter dem Beziehungspunkt: onty the Coming
of a different spirit can make and preserve peace. Besser
wird Palmer mit Angelus Silesius fertig, der reichlich selbst zu Wort
kommt, auch in englischer Übertragung; am besten liegt dem Verfasser
Isaak Watts, dessen geistliche Liederdichtung in Wert und Unwert
gut getroffen wird. Es folgt eine Paraphrase der Passio Perpetuac
et Felicitatis, dann, ein Aufsatz über Mani and Dualism, dem die
moderne Fragestellung aber fremd geblieben ist, endlich ein nicht
sehr tief gehender Aufsatz über das Christusbikl bei den Synoptikern,
Paulus (der als „Prophet der Renaissance" erscheint!) und Johannes.
Der wissenschaftliche Wert des Buches ist gering, und daß die Kriegspsychose
(S. 36 f. das über die mutwillige Zerstörung der Kathedrale
von Reims Gesagte) noch lebendig ist, traurig.
Zürich. W. Köhler.
Ellinger, Georg: Angelus Silesius. Ein Lebensbild Mit 6 Bildern.
Breslau: W. G. Korn 1927. (XII, 260 S.) gr. 8».
Rm. 7—; geb. 9—.
ThLZ 1926 Nr. 8 Sp. 222 f. habe ich Held's Ausgabe
der Werke des Angelus Silesius besprochen. Sie
beruhte in den biographischen und literarischen Angaben
ihrer Einleitung auf Ellinger's Forschungen, deren
letzte ausführliche Zusammenfassung durch Ellinger
selbst damals noch ausstand, führte sie aber (und
darauf beruht, abgesehen von den abgedruckten Urkunden
, der Wert der Ausgabe) in einigen Punkten —
vor allem hinsichtlich der Quellen der „Sinnlichen Beschreibung
" — auch selbständig weiter. Abgesehn davon
hat die Schefflerforschung noch eine Bereicherung
erfahren durch K. Richtstätter, der in den Stimmen
der Zeit XI 361ff. über die Beziehungen Scheff-
ler's zu des Maximilian Sandaeus Clavis mystica (Cöln
1640) nach dem von ihm wieder entdeckten Handstücke
Scheffler's Bericht erstattet hat, nicht ohne von
Ellinger mit Recht abgelehnte übertriebene Folgerungen
zu ziehen. Beide Bereicherungen aufnehmend und sie
in das Ganze seiner eignen weitspannenden Forschungen
einordnend, seine kürzere Biographie in seiner Ausgabe
der Werke von 1924 erweiternd, schreibt nun Ellinger
die wohl abschließende Biographie.
E. zeichnet folgendes Bild. Die erste Bekanntschaft
und Liebe zur Mystik empfing Sch. während seines
Studienaufenthaltes in Leiden (etwa 1644—47), wo
er in den mystischen „Winkeln" (= Konventikeln), in
denen sich Mennoniten und Kollegianten berührten, verkehrt
hat; hier in Holland hat er auch Jacob Böhme
kennen gelernt. Bei der Rückkehr als Doctor von Padua
1649 hat er in Breslau sofort Anschluß an den
mvstischen Kreis des Daniel Czepko v. Reigersfeld, und
durch dessen Vermittlung dann, als er noch 1649 Leib-