Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1927 Nr. 23

Spalte:

542-543

Autor/Hrsg.:

Urkunden und Akten des Württembergischen Staatsarchivs. 1. Abt., I.: 2. Teil

Titel/Untertitel:

5. - 7. Lfg 1927

Rezensent:

Bossert, Gustav

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

541

Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 23.

542

der schriftstellerischen Arbeit Alberts. Der dritte stellt
die Prinzipien seines Denkens dar. Der vierte,
ausführlichste, Teil handelt von dem Naturforscher
Albert. Strunz zeigt hier, wie man bei Albert neben alten
Vorurteilen neue Erkenntnisse findet: neben dem Glauben
an die Möglichkeit einer künstlichen Verwandlung
unedler Metalle in edle die Auffassung der Milchstraße
als eines aus vielen Sternen bestehenden Sternhaufens
, die Erklärung von Ebbe und Flut aus der
Anziehung des Mondes, ein Eintreten für die Lehre von
Antipoden, die Überzeugung von der Unbewohnbar-
keit der Gegenden an den Polen und dgl. m. Albert wird
besonders gewürdigt als der Neubegründer der Botanik
, der nicht bloß aus Aristoteles schöpfte, sondern
sein Leben lang die Pflanzenwelt selbst beobachtete,
sowie als Zoologe, der viele Tiere erstmals beschrieben
und sich hauptsächlich um die Insektenkunde verdient
gemacht hat. Überall wird seine empirische
Methode und sein fremden Berichten gegenüber
durchaus kritischer Sinn gebührend gewürdigt.
Strunz kommt zu dem Ergebnis (S. 122): „Was die
Scholastik Bedeutendes und Richtunggebendes auf dem
Gebiete der beschreibenden Naturwissenschaften geleistet
hat, wird durch Albertus Magnus repräsentiert."
Ein fünfter Abschnitt erzählt nach alten Sagen von dem
Albert, der in der Legende fortlebte.

Das schöne, auf gründlichem Quellenstudium beruhende
und mit zahlreichen Illustrationen versehene
Buch ist vortrefflich dazu geeignet, den mittelalterlichen
Menschen und Forscher Albert auch weiteren Kreisen
näher zu bringen.

Rinderfeld bei Mergentlieim. Walter Betzendörfer.

Helgason, Biskop Dr. theol. Jon: Islands Kirke fra dens
Qrundlaeggelse tll Reformationen. En historisk Fremstilling.
Kohenhavn: O. E. C. Oad 1925. (300 S. m. Abb.) gr. 8".

Ich habe keinen geeigneten Rezensenten für dies
Buch gefunden, so muß ich es, obwohl mir die isländischen
Geschichtsquellen nicht vertraut noch zugänglich
sind, selber besprechen. Eine geschichtliche „Schilderung
", nicht eigentlich Forschung oder große Historie
gibt FL Es ist die gemütvolle Erzählung eines mit den
Quellen und den Arbeiten zum Gegenstande gut vertrauten
, sein Land und seine Kirche liebenden Bischofs.
Das einzelne und das Persönliche tritt sehr stark hervor
; zum großen Teil ist es einfach Bischofsgeschichte,
und das Licht wird stärker gesehen als der Schatten. Die
Beziehung auf das Außerisländische ist möglichst sparsam
gehalten. Ein Literaturverzeichnis gibt weitere Wegweisung
. Das Vorwort betont, daß es die erste isländische
Kirchengeschichte auf dänisch ist. Der Band, der
die Geschichte von der Reformation bis auf unsre Tage
führt, ist schon zwei Jahre vorher im gleichen Verlage,
vom gleichen Verfasser geschrieben, erschienen; zur Besprechung
liegt er mir nicht vor.

Als in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts die Besiedlung
Islands stattfand, war der entstehende freie Bauernstaat überwiegend
heidnisch. Die iroschottischen Mönche verließen, als die Siedler
kamen, das Land; die christliche Minderheit unter den Siedlern war
ohne jede religiöse Pflege und vermochte ihr Christentum auf die
Enkel kaum noch zu vererben; die auf Auslandsreisen getauften
oder doch mit dem Kreuz gezeichneten Isländer waren selber zunächst
allzu fragwürdige Christen, um einen Wandel in Island herbeizuführen.
g31—86 haben ein Isländer Thorwald und ein deutscher Missionsbischof
Friedrich zusammen die ersten Missionsversuche unternommen
und einige Familien gewonnen. Von 996 setzen dann, von Olaf
Trygvesson v. Norwegen veranlaßt, Missionsunternehmen in Norwegen
christlich gewordener isländischer Edelinge ein. Sie gewinnen auf
persönlichem Wege nur eine Minderheit; es droht Zerreißung der Einheit
. Unter norwegischem Druck gelingt eine gütliche Vereinbarung auf
dem Alting am 24. Juni 1000, nach der das ganze Volk das
Christentum annimmt mit der Verpflichtung zur Taufe für jedermann
, jedoch das Recht zu Kindesaussetzung und Genuß von Pferdefleisch
(sowie Straffreiheit für heimliche Verehrung der alten Götter
ohne Zeugen) vorbehält. Diese Vorbehalte werden auf dem Alting von
1016 preisgegeben.

Als Volkssache war das Christentum angenommen; was zunächst
erwächst, ist eine von außen kaum beeinflußte isländische

Volkskirche. Die Kirchen werden von den Goden und Großbauern
errichtet, soweit sie sich nicht selbst weihen lassen, mieten sie
Priester (Eigenkirchenrecht in radikalster Gestalt). Wandernde Bischöfe,
von Olaf d. Heiligen v. Norwegen geschickt, besorgen zunächst die
nötigen Weihehandlungen. Das geordnete, sässige Bistum entsteht als
nationale Einrichtung: das Alting errichtet die Bistümer — Skäl-
holt im Süden 1054, und Hölar im Norden 1106 — und wählt
die Bischöfe auf ähnliche Weise wie den obersten Rechtsrater des
Landes; die Weihe in Bremen und später in Lund ist Formsache;
weder Bremen noch Lund haben je in die Verhältnisse der isländi-
i sehen Kirche eingegriffen. Auch dem Papst kommt das zunächst nicht
| bei. Aus den in der Missionszeit und durch nie fehlende Auslandsstudienreisen
begabter Kleriker empfangenen geistigen Anregungen
schafft und erhält man sich auch in bescheidenem Maße
eignes kirchliches Schul- und Bildungswesen. Wenig Sinn hat man für
I Askese. Priester und Bischöfe sind selbstverständlich verheiratet.
Domkapitel sind unbekannt; bis 1133 gibt es kein Kloster. 1123 wird
ein nationales isländisches Kirchenrecht („das alte Kirchenrecht") aufgezeichnet
. Eigentümliche Leistungen dieses Christentums liegen nur
vor auf dem Gebiet der geistlichen Dichtung, da aber auch — wie
beigegebene Proben bestätigen — wirklich hervorragende.

Seit dem 12. Jahrhundert dringen nun allmählich neue Einflüsse
ein. 1152 wird die isländische Kirche dem neuen norwegischen Erzbistum
in Nidaros (Drontbeim) unterstellt. Unter Bischof Thorlak
Thorhallsson, v. Skälholt (1178—93) beginnt ein mit dem politischen
Interesse Norwegens an der Unterwerfung Islands zusammenhangendes
Interesse der norwegischen Erzbischöfe an der isländischen
Kirche; zugleich beginnt der Kampf der Bischöfe, zunächst in
Skälholt, gegen das Eigenkirchenrecht; auch regt sich stärker der
asketische Geist (bis 1200 fünf Klosiergründungen) sowie das Christentum
niederer Ordnung, der Heiligendienst. Doch bleibt es das
ganze 12. Jahrhundert noch wesentlich beim Alten. Die beiden isländischen
Nationalheiligen B. Thorlak (Thorhallsson) und B. Jon
(Ägmundsson), verdanken Heiligenwürde und Festtage Beschlüssen des
Altings von 1198 und 1201. Der letzte in gesetzmäßiger Ehe
lebende isländische Bischof ist erst Magnus v. Skälholt (1215—37).

Im 13. Jahrhundert aber kommt die Wendung. Wilde Kämpfe
um das Eigenkirchenrecht unter Bischof Gudmund v. Hölar (1203
bis 37) führen zum Verlust der kirchlichen Selbständigkeit; der Erz-
bischof v. Nidaros kann sein Gericht durchsetzen und auch — da nach
den 1215 neu eingeschärften Bestimmungen stets ein Domkapitel wählen
soll, in Island aber keins vorhanden ist — die Wahl der isländischen
Bischöfe nach Nidaros ziehen; 1238 erhalten, was dann bald
die Regel wird, zum ersten Mal Ausländer (zunächst Norweger) die
isländischen Bischofsstellen. 1262/64 muß sich Island auch politisch
dem norwegischen Könige unterwerfen, der durch künstliche Schürung
von Zwietracht zwischen den Edelingen den Bauernstaat dem
Verfall im Bürgerkriege entgegengeführt hat. Damit sind dann die
Faktoren gegeben, die zum Abbau des eigentümlichen Kirchenwesens
führen. Die norwegische Zeit (1264—1387) ist dann in kirchlicher
Hinsicht ausgezeichnet durch den Kampf des neuen päpstlichen
Kirchenrechts mit dem nationalen. 1275 wird für Skälholt, 1354 für
Hölar ein dem päpstlichen Rechte (1269 ist ein Exemplar des
Dekretalienrechts nach Island gekommen), gemäßes „neues Kirchenrecht
" angenommen. Doch hat der Koncubinat der Priester, welcher
nun an stelle der Ehe trat, im Volksgefühl als Ehe gegolten. 1327
kommts in der Eigenkirchenfrage zu einer für die kirchlichen Anschauungen
noch nicht ausreichenden mittleren Lösung. Die Bischöfe
gewinnen alles in allem doch vermöge des kanonischen Rechts eine
Herrenstellung in Island, fühlen sich aber meist als Große des norwegischen
Reichs, in dessen Rcichsrate sie sitzen.

Mit der dänischen Zeit (1387) beginnt dann vollends der
Niedergang. Die das Verfügungsrecht für sich nehmenden dänischen
Herrscher besetzen die isländischen Bistümer lediglich unter finanziellen
oder hochpolitischen Gesichtspunkten; soweit aber der Papst
providiert, werden vollends ungeeignete Männer, z. B. 1448ein Schwindler
und Betrüger, 1460gar ein englischer Seeräuber, zu isländischen Bischöfen
ernannt. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrh.s kommt das
eine, zu Anfang des 16. Jahrh.s das andre Bistum in isländische Hände
zurück. Die Bischöfe im Jahrh. vor der Reformation sind in Gericht
und Finanzen strenge Verwaltungsbeamte von großer Stellung in dem
durch zweimalige Pest und englische Seeräuberei verarmten Lande,
aber ohne eigentlich geistlichen Charakter. Von geistigem Leben,
auch von Dichtung, ist im 15. Jahrh. nicht mehr viel zu spüren;
kirchlich treu ist das Volk trotz allem geblieben. Die päpstlichen
Ablässe hat es gerne und gläubig gekauft.

Göttingen. e. Hirsch.

Urkunden und Akten des Württembergischen Staatsarchivs.

1. Abt. Württ. Regesten v. 1301—1500. Hrsg. v. d. Württ.
Staatsarchiv in Stuttgart. I.: Altwürttemherg, 2. Teil, 5.-7. Lfg.
Stuttgart: W. Kohlhammer 1927. (V. u. S. 367—462.) 33X24,5 cm.

Rm. 3.60.

Die Fortsetzung der Württ. Regesten erscheint auf
I das Tübinger Universitätsjubi'äum. 23 Ämter von Heu-