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Ausgabe:

1927 Nr. 22

Spalte:

521-524

Autor/Hrsg.:

Lietzmann, Hans

Titel/Untertitel:

Petrus und Paulus in Rom. Liturgische und archäologische Studien. 2., neubearb. Aufl 1927

Rezensent:

Koch, Hugo

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Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 22.

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aber nicht schließen. Auch das Lob, das dem korrekten
Druck und der vornehmen Art der Drucklegung gebührt
, soll nicht das letzte Wort sein. Denn wer wird
das Kleid preisen, wenn der Mann Bewunderung verdient
! Ich schließe lieber mit dem Bekenntnis, daß ich
überzeugt bin, ein philologisch und textkritisch besser
unterrichteter Referent würde auch dies Buch Souter's
eindrucksvoller rühmen, als ich es vermochte.

Halle a. S. _Friedrich Loofs. ;

Lietzmann, Hans: Petrus und Paulus in Rom. Liturgische u.

archäologische Studien. 2., neubearb. Aufl. Mit 13Taf. Berlin: W. de |
Qruyter & Co. 1927. (VIII, 315 S.J gr. 8». = Arbeiten z. Kirchen- j
gesch., hrsg. v. Karl Holl u. Hans Lietzmann, 1.

Rm. 17—; geb. 19—.
Die 1915 erschienene 1. Auflage dieses Buches
hat v. Dobschütz in dieser Ztg. 1916, Sp. 219 ff. zustimmend
angezeigt. Die als Nr. 1 der „Arbeiten zur
Kirchengeschichte" erscheinende 2. Auflage nennt sich
mit Recht eine Neubearbeitung. Der Umfang ist bei
gleichem Drucke von 177 Seiten ohne Anhang auf
247 S., bezw. mit Anhang von 189 auf 316 Seiten angewachsen
. In allen Kapiteln ist die erneute Durchforschung
und Überprüfung des weitverzweigten Stoffes
sowie die Heranziehung der neuesten Forschungen wahr- i
zunehmen. Besonders ersprießlich war es, daß Lietz- j
mann im Oktober 1924 mit Erlaubnis der zuständigen
kirchlichen und staatlichen Stellen die seit 1914 erfolgten
Ausgrabungen von San Sebastiano aufs Neue prüfen
und dabei einen im Aufnehmen antiker Bauwerke so
bewährten Meister, wie den zweiten Sekretär des deut- j
sehen archäologischen Instituts zu Rom, Armin von
Garttan, als Mitarbeiter gewinnen konnte. Von diesem
stammt die wertvolle Beilage I (S. 248—301) mit Tafeln
I—VII, die die christlichen Anlagen unter San
Sebastiano vortrefflich erläutern und wiedergeben. Beilage
II bespricht die in den Tafeln VIII—X wiedergegebenen
Malereien des Grabes X. Von den weiteren
Beilagen — es sind im Ganzen sieben, — sei noch her-
vorgenoben Nr. V mit dem durch O. Marcati vermittelten
Abdruck eines lateinischen Berichtes über die Ausgrabungen
unter der Peterskirche i. J. 1626.

Die Grundgedanken des Lietzmann'schen Beweisganges
sind dieselben geblieben. Nach mühevoller Wanderung
durch kalendarisches und liturgisches Gestrüpp,
durch das der Weg mit scharfsinniger Kritik und Verbindungsgabe
gebahnt werden muß, schließt er aus dem
nach dem Martyrol. Hieron. richtig gestellten Text des
Filokalus i. J. 354 einerseits und der Aussage des
römischen Priesters Gaius (um 200) andererseits, daß
die Gebeine der beiden Apostel i. J. 258 vom Vatikan
bezw. von der Straße nach Ostia „ad Catacumbas",
d. h. nach dem späteren San Sebastiano, übergeführt
worden sein müssen, was durch eine Damasusinschrift
bestätigt werde, während allerdings die Ausgrabungen
nicht die geringste Spur eines Apostelgrabes daselbst zu
Tage gefördert haben. Für die Zuverlässigkeit der Angaben
des Gaius spreche der Umstand, daß damit das
Petrusgrab auf einen heidnischen Friedhof verlegt werde
, der noch 150—300 in ständigem Gebrauche gewesen
sei, und daß die exzentrische Lage des Grabes
in der konstantinischen Basilika auf sein Vorhandensein
vor deren Bau schließen lasse. Ebenso mache auch
die Verlegung des Paulusgrabes an die Straße nach
Ostia nicht den Eindruck der Erfindung, und die Grabstelle
sei dort noch mit größerer Sicherheit älter als
die von Konstantin erbaute Basilika. Damit sei die
Überlieferung über die beiden Gräber bis auf etwa 200
zurück gesichert. Der Tod Petri und Pauli in Rom
aber sei u. a. in der bekannten Stelle des 1. Klemensbriefes
bezeugt, deren gewöhnliche Deutung mit einer
gewissen Abwandlung gegen die Ansicht Adolf Bauers
verteidigt wird, und der abgebrochene Schluß der Apostelgeschichte
könne nicht dafür ins Feld geführt werden
, daß ihr Verfasser von dem römischen Martertod
Pauli nichts gewußt habe. Ein Erfinder um 170 aber

hätte die Gräber nicht an den Vatikan und die Straße
nach Ostia, sondern in eine der vielen christlichen Anlagen
oder wenigstens in deren Nähe verlegt.

L. nimmt für seinen Beweisgang im Ganzen nicht
geschichtliche Gewißheit, aber recht hohe Wahrscheinlichkeit
in Anspruch. In der Tat wird sich dem schweren
Gewicht seiner Gründe niemand verschließen können
, der sie unbefangen auf sich wirken läßt. Wenn
man aber dann die Darlegungen v. Gerkans in Beil. I
S. 297 ff. liest, dann wachen die Zweifel, wie Geister
von Erschlagenen, wieder auf. Gewiß war es i. J. 258
„für den mächtigen und reichen Bischof der Weltstadt
wirklich kein schweres Ding", zwei Kistchen mit den
Gebeinen Petri und Pauli von ihren alten Begräbnisstätten
weg „ad Catacumbas" schaffen zu lassen (L.
S. 168) — man könnte beifügen vielleicht weniger
schwer, als es für Leo XIII war, die Gebeine Inno-
cenz III in nächtlicher Fahrt in einem Eisenbahnabteil
von Perugia nach der Laterankirche bringen zu lassen
—, allein v. Gerkan zeigt, in welche Schwierigkeiten
und Merkwürdigkeiten die Annahme einer Translation
führt. Sein eigener Erklärungsversuch ist freilich, wie
er selber sagt, „in hohem Maße rationalistisch gedacht",
und L. versäumt nicht, darauf die Hand zu legen. Aber
mir scheint, daß in der römischen Kirche selber alles,
was einen kirchenpolitischen Einschlag hatte — und
was hatte für Rom keinen kirchenpolitischen Ein -
schlag? —, „in hohem Maße rationalistisch gedacht"
war und ebenso ausgeführt wurde. So spitzt sich die
Frage der Translation im Grunde zu der methodologischen
Frage zu, ob man den Baubefund nach der
„Überlieferung" oder diese nach dem Baubefund zurechtlegen
soll. Beim allgemeinen Vertrauen auf den
Spaten scheint es mir aber nicht ganz folgerichtig zu
sein, ihn da auf einmal hintanzusetzen, wo er die
Überlieferung im Stiche läßt oder ins Unrecht setzt.
Hatte 258 eine Translation stattgefunden, so wußte
man nach den Darlegungen v. Gerkans beim Bau der
Basilica Apostolorum an der Appia unter Konstantin
nicht mehr, wo die Gebeine der Apostel bis zu ihrer
Rückführung geruht hatten. Verliert da nicht die Annahme
an Wahrscheinlichkeit, daß man die älteren Ruhestätten
am Vatikan und an der Straße nach Ostia noch
ganz genau gekannt habe? Ist aber die Translation
trotz der Überlieferung und der ad Catacumbas haften
gebliebenen Apostelverehrung zweifelhaft, so verliert
i auch die Angabe des Gaius an Kraft: wie dort, so
kann auch hier die allgemeine Meinung unbegründet
gewesen sein. Daß die TQi'tTtaia bei Gaius dem Zusammenhang
nach die Grabstätten bedeuten, steht wohl
fest. L. bemerkt mit Recht, daß die Äußerung des
Gaius eine Erwiderung ist auf den montanistischen Hinweis
auf die Gräber des Philippus und seiner vier prophetisch
begabten Töchter in Asien, und er verweist
auch auf den Vorgang im zweiten Osterfeierstreit. Es
wäre nur noch zu ergänzen, daß auch in diesem Osterfeierstreit
allem nach nicht die römische, sondern die
kleinasiatische Kirche es gewesen war, die sich auf die
Gräber ihrer großen Ahnen berufen hatte. Ich glaube
dies in der ZNW 19 (1919/20) S. 174 ff. wahrscheinlich
gemacht zu haben, habe aber damit bisher wenig
Erfolg gehabt oder auch nur Beachtung gefunden: proprium
iam negotium passus meae opinionis, um mit
Tertullian zu sprechen. Nur Dieckmann S. J. ging in
der ZKTh 1921, S. 627 ff. auf meine Darlegungen ein
und gab die Möglichkeit meiner Deutung zu, glaubte
aber doch, daß die hergebrachte Ansicht die richtige sei.
Ist aber dies der Fall, dann hätte die römische Kirche
sich für ihre Paschafeier auf Petrus und Paulus berufen
, obwohl sie sich nachher von ihrem Verehrer
Irenäus sagen lassen mußte, daß diese ihre Paschafeier
doch erst unter dem zweiten Vorgänger ihres jetzigen
Bischofs Viktor, vor noch nicht dreißig Jahren, eingeführt
worden sei. Welche Möglichkeiten eröffnen sich
dann für die Entdeckung von Apostelgräbern! L. ver-