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Ausgabe:

1927 Nr. 21

Spalte:

499-500

Autor/Hrsg.:

Haitjema , Th. L.

Titel/Untertitel:

Karl Barths „kritische“ Theologie 1927

Rezensent:

Heinzelmann, Gerhard

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499

Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 21.

500

zu reden, erwiesen? Es handelt sich natürlich bei der ;
Beantwortung dieser Frage um mehr, als um die Ausdrucksweise
; es handelt sich um die sachlichen Belange, j
Da möchte ich in erster Linie mich ganz und gar mit
dem Interesse Webers zusammenfinden, das er an der
Lebendigkeit und dem Geheimnischarakter des Glaubens
nimmt. Gewiß; niemals ist Glaube nur Lebensgrundsatz
oder Ähnliches. Moralistisches Mißverständnis des Glaubens
ist völlig abzuweisen. Ebenso scheint mir durch die
starke Betonung des Zusammenhanges von Wort und
Glaube das Mißverständnis ausgeschlossen, als wolle der
Verf. mit seiner Glaubensmystik irgendwelchen nicht- j
evangelischen Schaugelüsten Vorschub leisten. Dagegen j
kann ich meine Bedenken gegen die Weise, wie die i
Mystik mit dem Glauben zusammengeschaut wird, nicht j
unterdrücken. Es geht m. E. nicht an, hier einfach |
das Schema von „Sehnsucht und Erfüllung" zu Grunde
zu legen. Bezeichnender Weise fügt der Verf. S. 61
selbst die „Zurechtstellung" als Kategorie hinzu. Christlicher
Glaube erfüllt nicht nur mystisches Sehnen, er I
verurteilt es wegen seiner Fragwürdigkeit. Ist wirklich I
die Mystik nicht nur ein formales Moment an aller
Religion, sondern ein Ausdruck für ein zielmäßiges Gerichtetsein
des religiösen Aktes, also inhaltlich bestimmte j
Religiosität — und das scheint mir die Schrift von j
Weber zuzugestehen — dann muß auch der Unterschied j
von Glaube und Mystik hervortreten, wie ihn ja der '
Verf. tatsächlich klarstellt. Eine paradoxe Wortverbindung
dient dann aber nicht der weiteren Klärung, sondern
schließt sich selber aus.

Es stellt sich auch nach E. Webers, der Sache j
feinsinnig nachspürender, Studie das Problem immer j
noch so: Handelt es sich bei der Mystik um einen
rein formalen Begriff, wie etwa der Begriff Religion
formal gefaßt werden kann, oder um eine bestimmte
Religionsweise? Im letzteren Fall müßte der Begriff
„Glaubensmystik" preisgegeben werden.

Basel. Oerh. Heinzelmann.

Haitjema, Th. L.: Karl Barths „kritische" Theologie. J

Deutsche Ausg., besorgt von Peter Schumacher. Wageningen
(Niederlande): H. Veenman & Zonen; Alleinvertr. f. Deutschland: 1
G. Lunkenbein, Leipzig 1926. (169 S.) gr. 8°.

Rm. 5—; geb. 6.50.

Th. L. Haitjema, o. Prof.. a. d. Reichsuniversität
Groningen, möchte mit diesem Buche, dessen deutsche I
Ausgabe Pet. Schumacher besorgt hat, der Wegbereiter ]
für den Einzug der Botschaft K. Barths in die Kreise
der niederländischen Theologenwelt sein. Er sieht in
K. B. einen neuen Schleiermacher [ natürlich höherer
Ordnung], wenn nicht einen Propheten von alttesta-
mentlicher Größe erstanden und ist der Meinung, daß |
die niederländischen Theologen trotz ihres reichen Erbes
, ja gerade wegen des geschätzten Erbbesitzes, den
Bußruf K. B.'s nötig haben.

Das Buch behandelt in 6 Kapp.: I. K. B. als Zeugen j
der Offenbarung, II. seine Theologie, III. K. B. „als j
Kind seiner Zeit", IV. seine Gesinnungsgenossen, V.
seine Kritiker, VI. K. B. und die Theologie in den I
Niederlanden. Allseitig und umsichtig wird der Leser
unterrichtet, teilweise auf Grund persönlicher Informationen
. Neben K. Barth kommen auch Ed. Thur-
neysen, Fr. Gogarten und E. Brunner zu kurzer Darstellung
und Würdigung. H. bietet so eine kurze Einführung
in die „dialektische" Theologie überhaupt.

In der Auffassung hält sich der Verf. streng an |
die glaubensmäßige Interpretation der Schriften K.
Barths, d. h. nicht philosophisch-allgemein, sondern
theologisch-konkret muß K. B. nach ihm verstanden
werden. Das Paradox göttlichen Redens und die Not
menschlichen, existenziellen Erfassens im Glauben stehen
im Vordergrund. Gut wird der Gegensatz des theol.
Erkennens zum rein gegenständlichen Urteilen als erkenntnistheoretische
Grundvoraussetzung der neuen
Richtung betont. Kritische Bemerkungen fehlen trotz

der hohen Begeisterung für die Theologie K. Barths,
nicht ganz. K. B. ist dem Verfasser noch zu sehr „Kantianer
" und „Individualist". Die Bedeutung der Para-
doxie der „Kirche Christi" ist von ihm noch nicht voll
erkannt (S. 70 und 85). Wie sich freilich in diesem
Sinne eine Korrektur der Theologie K. B.s ohne Durchbrechung
der dialektischen Voraussetzung vollziehen
lassen soll, wird bei H. nicht ersichtlich. Man hat überhaupt
den Eindruck, daß der Verf. dem übermächtigen
Eindruck K. Barths kritisch noch nicht gewachsen ist.

Aber als E i n f ü h r u n g in die Theologie K. Barths
und seiner Freunde ist sein Buch bestens zu empfehlen.
Basel. Gerh. Heinzelmann.

Stammler, Wolfgang: Deutsche Literatur vom Naturalismus
bis zur Gegenwart. Mit 32 Bildnissen. Breslau: F. Hirt 1924.
(144 S.) 8°. = Jedermanns Bücherei. Abt. Literaturgeschichte.

Rm. 2.50.

Auf so engem Raum kann man keine erschöpfende Darstellung
der jüngsten deutschen Dichtung erwarten: wir müssen zufrieden sein,
wenn der Verf. von seinem besonderen Gesichtspunkte aus ein geschlossenes
Bild zu entwerfen vermag. Stammler will die Dichtung
der Gegenwart hauptsächlich von der weltanschaulichen Seite her
behandeln, und so gewinnt sein Büchlein besonderen Reiz auch für
die Leser dieser Zeitschrift. Der Verf. setzt freilich dabei schon
eine gründliche Kenntnis von den geistigen Strömungen der letzten
Jahrzehnte voraus und muß sich häufig genug mit Schlagworten
begnügen, die denn auch wohl einmal an der Sache vorbeitreffen.
Wir hätten u. a. eine genauere Darlegung der Bedeutung von E.
Machs Philosophie für das Drama des Impressionismus für angebracht
gehalten, hätten auch gern die eigentlich tragische Note in
Hauptmanns Dichtung aus dem Ineinandergreifen eines materialistischen
Pessimismus und eines starken Sehnens nach dem Siege der
Persönlichkeit (im Sinne Nietzsches) kräftig herausgearbeitet gesehen.
Zu kurz kommt die eigentlich künstlerische Seite der jüngsten Dichtung
, aber gerade das hängt mit der äußerlichen Beschränkung am
deutlichsten zusammen. Was aber dem Büchlein seinen ganz besonderen
Wert gibt und es für den Forscher fast unentbehrlich macht,
ist die sorgfältige dokumentarische Begründung seiner allgemeineren
Kapitel durch die programmatischen Äußerungen der Dichter und
ihrer sozusagen authentischen Erklärer. Auch der sorgfältig angelegte
Bilderanhang gereicht dem gut ausgestatteten Büchlein nicht
bloß äußerlich zur Zierde.

Hamburg. R. Petsch.

Grunewald, Rechtsanwalt Dr. J.: Die Rechtsverhältnisse an

Kirchenstühlen in ihrer grundsätzlichen Auffassung nach staatlichem
u. kirchlichem Recht, besonders in Preußen. Paderborn: F. Schö-
ningh 1927. (VII, 72 S.) gr. 8°. - = Görres-Gesellschaft z. Pflege
d. Wissensch, im kath. Deutschland, Veröffentlichungen d. Sektion
f. Rechts- und Sozialwissensch., H. 49. Rm. 3.80.

Der Verf. behandelt in seiner bereits 1920 entstandenen
Arbeit nach einer kurzen Darstellung der geschichtlichen
Entwicklung der Kirchenstühle die Rechtsverhältnisse
dieser Einrichtung zunächst nach ihrer allgemeinen
Seite und sodann nach den einzelnen möglichen
Benutzungsarten. Im ersten Abschnitt werden die
Kirchenstühle als ein Teil des Verwaltungsvermögens
der Kirchengemeinden charakterisiert, das als Zubehör
der Kirchengebäude grundsätzlich deren Rechtsstellung
teilt. Im zweiten Abschnitt lehnt der Verf. hinsichtlich
der allgemeinen Befugnis zur Benutzung der Kirchenstühle
jeden Rechtsanspruch ab, während er das Sonderrecht
auf Benutzung einzelner Kirchenstühle als ein
subjektiv-öffentliches Recht anspricht. Man wird dem
Verf. darin beitreten müssen, daß diese Auffassung modernen
Anschauungen mehr entspricht als die bisher im
Schrifttum und in der Rechtssprechung vorherrschende
Auffassung von dem privatrechtlichen Charakter derartiger
Berechtigungen. Es wäre zu wünschen gewesen
, daß der Verf. seine Darlegungen auch im
übrigen noch mehr der neuzeitlichen Rechtslage an
gepaßt hätte. Die Frage, wie sich der Grundsatz des
Art. 137 der Reichsverfassung von dem Selbstverwaltungsrecht
der Religionsgesellschaften auf das Kirchstuhlrecht
auswirkt, ist in der Schrift nicht berührt; die
Frage hätte um so weniger umgangen werden dürfen,
als das Kirchstuhlrecht nach unserer Auffassung gemäß