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Ausgabe:

1927 Nr. 2

Spalte:

32-33

Autor/Hrsg.:

Bauer, Theo

Titel/Untertitel:

Die Ostkanaanäer. Eine philologisch-historische Untersuchung über die Wanderschicht der sogenannten “Amoriter” in Babylonien 1927

Rezensent:

Gustavs, Arnold

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33 Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 2. 32

Schrift, die Geschichtsschreibung der Tibeter, Folklore
nicht erst ein und teile auch aus demjenigen über die
tibetische Übersetzungsliteratur, das zum Teil schon Bekanntes
bringt, nur mit, was Fr. über die Bedeutung
dieser für. das Volk sagt:

„Nur in wenigen berühmten Klöstern werden die alten Schriften
wirklich studiert, d. h. ihr Inhalt wird zu fassen gesucht. Sonst
«erden sie zwar auch gelesen, doch achtet dabei niemand auf den
Inhalt. Das Lesen soll als Zauber dienen und Gutes in bezug auf die
Ernte oder den Gesundheitszustand bewirken ... Dennoch sind die Tibeter
mit den Grundzügen der Buddhalegende bekannt. Fest sitzt bei
ihnen auch der Glaube an die Seelenwanderung, und dabei hat das
Volk eine Vorstellung von der Seele, die sich von der des Durch-
schnittseuropaers nicht unterscheidet . . . Allgemein bekannt ist auch
die Lehre von den sechs möglichen Arten der Existenz im Himmel,
Unterlümmel (asura), Menschenland, Tierreich, Gespensterreich (preta)
und Hölle .... Der volkstümliche Buddhismus der heutigen Tibeter
dreht sich namentlich um drei Gottheiten, welche in der Übersetzungs-
liiteratur, soweit mir bekannt, als Dreiheit verbunden, kaum eine Rolle
spielen. Es sind dies 1) Tschagdar, 2) Dschamjang und 3) Tschanrasig.
Ihnen gilt die dreiteilige Anrufungsformel, welche mit Om-mani-
padme-hum beginnt . . . Sie wendet sich an eine Gottheit, die in drei
Reichen herrscht: 1) im Himmel, 2) in der Luft durch Stimme und
Predigt und 3) in der Nixen- und Dämonenwelt durch den Donnerkeil
" (S. 19 f.).

Daß das eine vorbiiddhistische Anschauung ist, ergibt
sich daraus, daß sie in dem tibetischen Volksepos
com König Kesar wiederkehrt, das im übrigen bereits
einen Einfluß der Buddhalegende verrät. Ebenso hat
diese auf die Erzählung von Padmasambhava eingewirkt
, mit deren Ausbildung die Schaffung einer eigenen
buddhistischen Literatur der Tibeter begann. Aber besonders
wichtig sind die Ausführungen Fr.s über die
Bonreligion, die nach ihm ebenfalls vom Buddhismus,
und zwar der Mahayanalehre beeinflußt ist. Das zeigt
sich auch darin, daß das Leben ihres sagenhaften Stifters
Schenrab wieder ähnlich wie das Buddhas geschildert
wird:

„Wie Buddha, sah er sich erst vom Gipfel des Meru um nach
dem Land, dem Schloß und der Familie, in der er zu erscheinen
wünschte, und entschied sich für König Thod-kar und seine Frau
Gjalschadma, welche das Land Lung-rings beherrschten. In einem
weißen Lichtstrahl drang er in seinen Vater, und in einem roten in
seine Mutter ein. . . . Dann folgt die Geschichte des alten Sehers,
welche der buddhistischen Asita-Geschichte so ähnlich ist. ... Zu
einer Versuchung kam es schon bei Gelegenheit eines Besuches bei
den Göttern. . . . Auch für die Anhänger der Bonreligion gilt Lieblosigkeit
gegenüber den lebenden Wesen als die größte Sünde" (S. 40).

Den Schluß bildet ein Überblick über die christliche
Literatur in tibetischer Sprache, die hauptsächlich auf
Herrnhuter Missionare zurückgeht; vor allem aber bietet
die Schrift manche wertvolle neue Auskunft über die in
Tibet einheimischen Religionen. Jedem Kapitel sind
einige Proben aus dem betreffenden Literaturgebiet in
der Übersetzung Herrnhuter Missionare beigegeben;
außerdem bringt das Buch manche gute Landschaftsbilder
und zwei vom Verfasser gezeichnete Porträts
von Tibetern.

Bonn. Carl Clcmcn.

Obbink, Dr. H.W.: De Magische Beteekenis van den Naam
inzonderheid in het oude Egypte. Amsterdam: H. J. Paris
1925. (V, 143 S.) 8°. fl. 3.25.

Der Verfasser behandelt die „magische Bedeutung"
des Namens in 3 Abschnitten: Der Name als Teil des
Körpers, Der Name als Wort und Formel (gesprochen
und geschrieben), Der Name als Machtmittel. Der letzte
Abschnitt (S. 56—133) zerfällt wieder in 4 Unterabteilungen
: 1. Der Name als seinem Träger innewohnende
Kraft. 2. Der Name außerhalb seines Trägers
(gegen seinen Träger, zu dessen Gunsten und zu
Gunsten eines Dritten gebraucht). 3. Die Geheimhaltung
des Namens. 4. Namenänderung und Annahme eines
neuen Namens.

In jedem Abschnitt werden zunächst einige Beispiele
aus dem Gebiet der „primitiven" Völker und der
semitischen Kulturvölker (vor allem Babylonien und

Israel) angeführt und dann die entsprechenden Erscheinungen
aus dem alten Aegypten, die sorgfältig und
mit einer anerkennenswerten Einarbeitung in die umfangreiche
und verstreute ägyptische Literatur zusammengestellt
sind, eingehend besprochen. Als „Name" gelten
dabei nicht nur Eigennamen (von Göttern, Dämonen,
Menschen) sondern auch die Namen von Dingen.

Das Ergebnis von Obbinks Untersuchung ist kurz
dieses: Bei den Aegyptern wie bei den „Primitiven"
ist die Auffassung des Namens ein Teil der nicht logischen
sondern mystisch-magischen Gesamt-Weltanschau-
ung. Der Name ist hier wie dort seinein Wesen nach
ein konkreter Gegenstand, ein geradezu körperhafter
Teil vom Gesamtwesen seines Trägers (wie etwa Haare,
Nägel, Speichel), der stärker oder weniger stark sein
kann; seiner Form nach ein Wort, vor der Geburt schon
in den Leib des Trägers gelegt, das ausgesprochen oder
aufgeschrieben auf die Außenwelt zum Guten wie zum
Bösen wirken kann. Kenntnis des Namens bewirkt darum
Macht, über den Träger des Namens wie über andere,
die man mit Hilfe eines besonders starken Namens „beschwören
" kann. Das einzige Mittel gegen solchen
Zauber ist hier wie dort das Geheimhalten des Namens.
Für Aegypten eigentümlich ist die Bedeutung des Namens
für das Leben nach dem Tode. Während bei den
„Primitiven" der Name der Verstorbenen nicht genannt
werden darf, ist die Nennung des Namens seiner verstorbenen
Angehörigen für den Aegypter geradezu
Pflicht, die für das Weiterleben nach dem Tode unumgänglich
notwendig ist. Bemerkenswert ist auch die
geringe Verwendung des Namenzaubers in der ägyptischen
Medizin. — Wenn man auch nicht in allen Einzelheiten
der Auffassung des Verfassers wird folgen können
, und wenn auch eine zeitliche Sonderung der Belege
für die verschiedenen Vorstellungen fehlt, die vielleicht
zur Erkenntnis einer Entwicklung dieser Vorstellungen
hätte dienen können, so ist doch Obbinks
durchaus selbständige und eindringende Arbeit als ein
wertvoller und anregender Beitrag zur Namenforschung
sowohl wie zur vergleichenden Religionsforschung mit
Dank zu begrüßen.

Heidelberg. Hermann Ranke.

Bauer, Theo: Die Ostkanaanäer. Eine philologisch-historische
Untersuchung über die Wanderschicht der sogenannten „Amoriter"
in Babvionien. Leipzig: Verlag d. Asia major 1926. (VIII, 94 S.)
4°. Rm. 20—.

Bekanntlich tragen die Könige der ersten Dynastie
von Babel großenteils Namen, die von dem üblichen
Typus der akkadischen Personennamen wesentlich abweichen
. Auch in den Geschäftsurkunden dieser Zeit
finden sich zahlreiche Namen, welche dieselben un-
akkadischen Eigentümlichkeiten aufweisen. Charakteristisch
ist für diese Namen: das rnrHa- gebildete Imperfektum
; die Bestandteile (h)abdi, arah, bahlum,
b/punu, ditana, hamm/» izi, sumu, samsu; die Partikeln
ka(ma), la; die Verbalwurzeln ntn und sub. Man hat sich
gewöhnt, diese Namen als westsemitisch zu bezeichnen
und einem Volke der „Amoriter" zuzuschreiben, das
man sich in der Steppe zwischen Mesopotamien und
Syrien wohnend dachte und dessen Rest man in den in
der Amarna-Zeit im Libanongebiet sitzenden Amurru
erblickte. Der amerikanische Assyriologe A. T. Clay
hat sich in mehreren Schriften bemüht, die Bedeutung
und Reichweite der Kultur dieser „Amoriter" bis zu
phantastischen Ausmaßen zu steigern. Doch sind die
Arbeiten von Clay zu diesem Thema ein Zeugnis davon
, wie leicht man auf dem Gebiete der Ethnographie
ein Opfer seiner Hypothesen wird.

Da bedeutet das Buch von Theo Bauer eine Rückkehr
zur Nüchternheit. Das Verdienst von Bauer besteht
vor allem darin, daß er erst einmal das Material vollständig
und übersichtlich zusammengestellt hat. In der
Tat ist die von ihm gegebene Namenliste das morceau de
resistance seines Werkes, das seinen Wert behalten wird,