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Ausgabe:

1927 Nr. 21

Spalte:

498-499

Autor/Hrsg.:

Weber, Hans Emil

Titel/Untertitel:

Glaube und Mystik 1927

Rezensent:

Heinzelmann, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 21.

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Legenden und Volkssagen, die sich an ihn knüpfen; ein Anhang stellt
kirchliche Hymnen auf ihn zusammen. Die kritische Arbeit ist
wohlerwogen und besonnen, die Darstellung flüssig und sehr klar
angeordnet, das Ganze ein wertvoller Beitrag zur Kirchengeschichte
der Merovingerzeit.

Tübingen. H. Dannenbauer.

Lange, Pfarrer Dr. theol. Hennann: Geschichte der christlichen
Liebestätigkeit in der Stadt Bremen im Mittelalter.

Münster i. W.: Aschendorff 1925. (XVI, 204 S.) gr. 8». = Münsterische
Beitr. z. Theologie, Heft 5. Rm. 9.50.
Durch sorgfältiges Quellenstudium unterbaut, gibt das Buch
einen bis dahin fehlenden, klaren und ins Einzelne gehenden Oberblick
über das Wachsen der reichen vorreformatorischen Liebestätigkeit
Bremens. Dabei müssen in ihrer Bedeutung für diese Entwicklung
, abgesehen von den Anfangszeiten, Erzbischof und Orden
naturgemäß in der aufblühenden Handelsstadt gegenüber dem Bürgertum
zurücktreten, dessen Gemeinsinn und Religiosität als Motive
seiner Liebestätigkeit aufgezeigt werden. Über die Bedingtheit dieser
Liebestätigkeit durch geistige, wirtschaftliche und soziale Verhältnisse
hätte man nach der Ankündigung im Vorwort gern noch mehr
gelesen, als die Abschnitte 1 und 3 des III. Teiles bringen, zumal
dies den überlokalen Wert des Buches erhöhen würde.

Bremen. B°do Heyne.

Mehlis, Prof. Dr. Georg: Die Mystik in der Fülle ihrer Erscheinungsformen
in allen Zeiten und Kulturen. München:
F. Bruckmann. (244 S.) gr. 8Ü. Rm. 6—; geb. 7—,

Georg Mehlis hat in gelegentlichen Aufsätzen im
Logos wertvolle Beiträge zum Verständnis des Wesens
der Mystik geliefert. Man versteht, daß es ihn lockte,
in umfassenderer Darstellung einmal die Gesamterscheinung
der Mystik zu behandeln. Das vorliegende Werk
stellt einen solchen Versuch dar. Allerdings hat der
Verf. darauf verzichtet, die Form der gelehrten Untersuchung
zu wählen, er wendet sich mit seinem Buch
vielmehr gleich an ein weiteres gebildetes Publikum,
dem er „das Kulturphänomen der Mystik in seiner eigentümlichen
Schönheit und Tiefe vermitteln möchte" (vgl.
Vorwort). Seine im besten Sinn populäre Aufgabe löst
er nicht in erster Linie durch Belehrung sondern durch
eine fesselnde, edle Darstellung. Man muß das für die
Beurteilung im Auge behalten, um zu verstehen, warum
hier auf jede Angabe von Literatur und Quellen verzichtet
ist.

Natürlich weiß der Autor sehr wohl, daß es heute
eigentlich einem einzelnen Forscher noch unmöglich ist,
die ganze Fülle des historischen Materials zu verwenden,
weil es unübersehbar groß sich vor uns weitet. Es ist
auch im einzelnen sehr deutlich zu spüren, wo der Darsteller
gut, und wo er weniger gut unterrichtet an die
Wiedergabe der mystischen Anschauungen herantritt.
Am schwächsten erscheint mir die Charakteristik der
Stellung der Reformation zur Mystik. Auch daß über
die hl. Therese kaum etwas Nennenswertes gesagt ist,
mag verwundern. Laotse und Qankara fallen ganz aus.
Der Titel: „Die Mystik in der Fülle ihrer Erscheinungsformen
in allen Zeiten und Kulturen" darf also nicht
allzu streng genommen werden.

In wissenschaftlicher Hinsicht ist die entwickelte
Auffassung vom Wesen der Mystik und der Versuch einer
Skizze ihres Werdens von Wichtigkeit. M. tritt der
Auffassung bei, daß es sich bei der Mystik um eine
Sonderform der Religion handele (vgl. S. 15 u.
öfter). Drei Merkmale kennzeichnen diese Sonderform:
1) die Irrationalität der Gottheit, 2) die ,reine' Seele,
3) die Einheit zwischen beiden (S. 20). Die Realisierung
des mystischen Erlebnisses bleibt mehr Sehnsucht als
sie Erfüllung wird. Diese Sehnsucht gehört wesentlich
mit zur Mystik hinzu (S. 21). Aber der Wunsch, ja die
leidenschaftliche Forderung der Überwindung der Distanz
zwischen der irrationalen Gottheit und der reinen
Seele schon in diesem Leben verstummt nicht. Das
mystische Hochziel liegt über Ethik und soziale Empfindung
hinaus. Auch das Persönliche geht darin unter.
Hier zeigt sich freilich eine Unausgeglichenheit bei
Mehlis, sofern das eine Mal gerade der persönliche Umgang
der Seele mit Gott für die Mystik entscheidend
i sein, das andere Mal die klassische Form" der Mystik
darüber hinaus zur unpersönlichen Verschmelzung führen
soll (vgl. S. 50 mit S. 72). Die Mystik ist nicht auf
die Religion begrenzt, sie strahlt über auf Philosophie
und Kunst, wovon die beiden letzten Teile summarisch
handeln. Bezüglich des Werdens der Mystik erblickt
der Verf. in Plotin und Meister Ekkehart den eigentlichen
Höhepunkt des Prozesses und konstruiert neben
den Elementen der Mystik in aller möglichen Religion
Vorformen der Mystik im Brahmanismus u.
Buddhismus sowie in den griechischen Mysterien, bei
j Heraklit, Empedokles, Plato!

Das Gezwungene dieser „Geschichte" der Mystik
leuchtet bald ein. Was Mehlis Elemente nennt, sind in
Wirklichkeit schon ganz echte Äußerungen der Mystik,
und die Vorformen sind in Wirklichkeit Spezialformen
(Brahmanismus!). Es geht nicht an, Ekkehart einfach
zum Normaltypus der Mystik zu nehmen. Mag man
auch an ihm die letzte Intention der Mystik, wie mir
scheint, gut erfassen. Mystik ist, wie R. Otto am besten
bisher gezeigt hat, überall dasselbe und doch überall
verschieden. Ihre „Entwicklung" aus Elementen und
Stadien läßt sich schwerlich aufzeigen.

Basel. Gerh. Heinzelmann.

Weber, D. Dr. Hans Emil: Glaube und Mystik. Gütersloh:
C. Bertelsmann 1927. (75 S.) gr. 8°. = Studien des apologetischen
Seminars, H. 21. Rm. 2.80.

Eine klare begriffliche Bestimmung der Relation
zwischen evangelischem Glauben und mystischer Frömmigkeit
gehört immer noch zu den ungelösten Aufgaben
der systematischen Theologie. Der Grund liegt in der
j fortschreitenden Erkenntnis der Mannigfaltigkeit der Er-
| scheinungsweisen der Mystik einerseits und der stets neu
notwendig werdenden Erfassung des Glaubens andererseits
.

Webers Schrift, ein erweiterter und durch wertvolle
Anmerkungen bereicherter Vortrag, den der Verfasser
auf der Tagung des apologetischen Seminars in Köln
1926 gehalten hat, greift in die Verhandlung über
den Gegenstand mit der Absicht ein, zu zeigen, daß der
Glaube im Sinn der Reformation eine bestimmte Art
der Mystik, nein die einzig mögliche Art der Mystik bei
sich hat, so daß er nur dann vollständig beschrieben
ist, wenn man bewußt von Glaubensmystik spricht,
wobei die Betonung des Glaubens ebenso wichtig
ist, wie die Betonung der Mystik des Glaubens. W.
versteht dabei unter Mystik etwas rein Religiöses. „Die
Mystik ist die großartigste Entrollung der religiösen
Lebensfrage" (S. 42). Religionslose Mystik ist „Verkümmerung
" (S. 22). Dieser Frage gegenüber erscheint
der Glaube als erlösende Antwort (S. 42). Was ihn mit
der Mystik eng zusammenschließt, ist die Tatsache,
daß der Glaubende „vor Gott" steht, von seiner
Gegenwart umfangen, sein Gericht bewußt erlebend,
seine Gnade bewußt erfahrend, durch den Gehorsam
gegen ihn bewußt geleitet. Das alles aber vermittelt im
Wort. Die Mystik und das Wort sind also keine
Gegensätze (gegen E. Brunner).

Freilich verbirgt sich der Verf. keineswegs, daß
die Mystik, gerade weil sie sich nicht — oder nicht
allein — an das Offenbarungswort hält, einem inneren
Widerspruch, einem unerbittlichen Schicksal verfällt.
Treffend schildert er die Aporieen der Mvstik, die nach
dem Besitz des Absoluten auszieht und' entweder die
Selbstherrlichkeit des Ich aufrichtet (magische Form der
Mystik) oder das Ich der Vernichtung preisgibt (nihilistische
Form der Mystik). Im Gedanken an die inhaltlich
betrachtet falschen Wege der Mystik empfindet
daher der Verf. die Wortbildung „Glaubensmvstik"
selbst als ein Paradoxon, das aber grade sein soll, damit
nicht ein falscher Rationalismus sich hier einmischt
(S. 62).

Ist damit das Recht, von einer Mystik des Glaubens