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1927 Nr. 21

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491

Titel/Untertitel:

Hebrew Union College Annual ; 3.1926 1927

Rezensent:

Dalman, Gustaf

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491

Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 21.

492

Alfred Rahlfs gebührt der Dank aller, die irgendwie
mit dem Alten, aber auch mit dem Neuen Testament
wissenschaftlich zu tun haben, für das begonnene Werk;
möge es glückhaft vorwärts schreiten!

Münster (Westf.). Johannes Herr mann.

Hebrew Union College Annual. Board of Editors David
Philipson, H. G. Enelow, Jakob Z. Lauterbach u. a.
Vol. III. Leipzig: O. Harrassovvitz in Komm. 1026. (VII, 375 S.)
gr. 80.

Das neue Jahrbuch schließt sich den früher angezeigten
(Jahrg. 1926, Sp. 78 f. 214 f. 420) würdig
an. In das Alttestamentliche Gebiet gehört M. Gutt-
mann, Der Ausdruck „Fremder" (nokhrl) historisch
betrachtet (S. 1—20), mit Ausdehnung der Untersuchung
auf das jüdische Recht, aber ohne Berücksichtigung
der Stellung der Kanaaniter und der Götzendiener.
S. B. Finesinger, Die musikalischen Instrumente im
A. T. (S. 21—76) mit ungenügender Berücksichtigung
der im Orient jetzt üblichen Instrumente, aber mit
Beachtung des bekannten geschichtlichen Materials. Das
Resultat: kinnör = Kithara oder Lyra, nebel =
Harfe, psanterin vielleicht dasselbe, s a b b e k ä ungewiß
, h a 111 = Flöte, aber mit Unklarheit über ihr Wesen
, '0 g ä b ungewiß, ebenso der genaue Charakter von
masrökitä u. sumpönjä, sophär „Widderhorn",
hasöserä = metallene Trompete,töph = Trommel
oder Tamburin, selsellm, mesiltajim = Zymbel,
s ä 11 s ungewiß, m e n a ' a n I m vielleicht Sistrum. Es
wird sich zeigen müssen, ob genaue Beachtung der Instrumente
des heutigen Orients weiter führt. „Die drei
Kalender des alten Israel" von J. Morgenstern ergänzen
Mitteilungen desselben Verfassers in Annual I,
S. 13 ff. Beachtenswert sind die Bemerkungen über
den Kalender des Henoch- und Jubiläenbuchs und über
den Versöhntag als Neujahrsfest. Eine Anzahl Stellen
des hebräischen Textes, besonders bei Hiob, wird durch
neue Lesungen verständlich gemacht bei J. Reider (S.
109—116). Kaufmann's Handbuch der Christi. Archäologie
wird durch jüdisches Material glücklich ergänzt
von L. Blau (S. 157—214) und zugleich aufgerufen zur
Schaffung einer jüdischen Archäologie. Ferner liegen
für uns V. Aptowitzer, Belohnung und Bestrafung von
Tieren und unbelebten Wesen in der rabbinischen Literatur
S. 117—155), J. Elbogen, Kalirstudien (S. 215
bis 224), J. Davidson, Gedicht von Sahlal Gaon (S.
225—255), J. Mann, Über die Geschichte der Juden
in Ägypten in arabischer Zeit (S. 257—310) nach hand-
schriftl. Material, A. Marx, Briefwechsel der südfranzös.
Rabbiner mit Maimonides über Astrologie (S. 311—358),
A. Kahana, Zwei Briefe des Karaiten A. Firkowitsch
(S. 359—370).

Greifswald. Gustav Dal man.

Zwaan, J. de: De Efezenbrief von Paulus toegelicht en
COlometrisch vertaald. Haarlem: De Erven F. Bohn 1927.
(118 S.) fl. 2.50.

Einer früheren Arbeit über De Openbaring von
Johannes (Haarlem 1925) hat J. de Zwaan (Professor
in Groningen) in gleich lesbarer Form und ebenso vortrefflicher
Ausstattung dies Buch über den Epheserbrief
folgen lassen, das wie jene eine ausführliche Einleitung
(S. 1—95) und eine ausgezeichnete, kolometrisch gegliederte
Übersetzung befaßt.

Die Einleitung besteht aus 19 kurzen Betrachtungen,
in denen neben den literarkritischen Fragen der theologische
Gehalt des Buches auseinandergesetzt ist. Die
Bedeutung der Schrift ist in doppelter Richtung zu
sehen, einmal in der kräftigen und anschaulichen Herausarbeitung
des kosmischen Hintergrundes der in Eph.
niedergelegten Theologie, sodann in der kolometrischen
Theorie, die der Verf. vorlegt.

Nach de Zwaan hat die theologische Lehre, die
Paulus in Eph. vorträgt, eine doppelte Richtung, sie ist
anti-fatalistisch und anti-individualistisch
. Er gibt eine Skizze des antiken Schicksalsglaubens
(in die auch Spengler hineingezogen wird) und des
damit zusammenhängenden antiken Individualismus, um
nun das Evangelium als kräftige Reaktion dagegen zu
begreifen, das Evangelium, das einen Gott lehrt, der
Wille und erlösende Kraft ist und das eine Gemein-
I schaft, einen Organismus schafft, in dem der Einzelne
| sich nun geborgen weiß. Mit der Ausführung dieser
Gedanken meint de Zw. vor allem die Eigenart des
Paulus gegenüber Luther (Reformation und Pietismus)
zu treffen: übertreibend erklärt er, daß die Erlösung bei
Paulus nicht die Antwort auf die Frage sei: wie krieg
I ich einen gnädigen Gott? oder wie wird mein liebes Ich
selig?, sondern Erlösung des gesamten Kosmos und
Schaffung einer heiligen Gemeinschaft. Richtiger wird zu
j sagen sein, daß die Erlösung der Individuen von ihrer
] Sünde und von ihrer Schuld bei Paulus und vor allem
in Eph. in den Rahmen eines kosmischen Dramas und
unter den Begriff der neuen Menschheit eingestellt er-
J scheint. Denn auch in Eph. ist das Heil in erster Linie
I Erlösung und Vergebung, Entsündigung und Heiligung,
i nur daß die Erlösten und Heiligen nicht als Einzelne,
sondern als eine von Christi Sonnenkraft durchstrahlte
Ganzheit gesehen werden, und die Mächte des Kosmos
sind als Mitbeteiligte (Miterlöste oder Geschlagene)
oder Zuschauer nur eben mit einbezogen; aller Nachdruck
fällt doch auch in Eph. auf das Kollektiverlebnis
des Christen, der Leser selbst. Auch möchte ich darauf
j hinweisen, daß der Gedanke, daß jene Mächte nach
antikem Glauben das Fahim bestimmen, in Eph. doch
nirgends angedeutet, geschweige betont ist. Mit diesen
Einschränkungen sei aber doch voll anerkannt, daß es
! dem Verf. wirklich gelungen ist, Milieu und Hintergrund
der in Eph. vorliegenden paulinischen Gnosis lebendig
! und anschaulich zu machen und uns zu einem tieferen
j und realistischeren Verständnis dieses Dokumentes anzuleiten
.

Das zweite Verdienst des Verf.s ist die kolome-
trische Analyse der „paulinischen Perioden", die
er vornimmt.

Er gliedert sie in vier Gruppen von Satzteilen, die er als Tatgedanken
(a) — Gott hat... —, Gedanken der Art und Weise (b)

| — „indem" . . ., „nach" ... —, Zweck- oder Folgegedanken (c) und
Mitteilungen anderer Are (d) unterscheidet. In der eigentümlichen
(m. E. ziemlich regellosen) Gruppierung dieser Satzglieder liegt die
Eigenart der „paulinischen Periode" beschlossen. Er gibt in der

! Übersetzung (S. 99— 118) die beste Illustration seiner Gedanken.
„Paulinischc Perioden" findet er in Ef. 1, 3—14; 1, 15—19;
2, 4—7; 2, 10; 2, 15—18; 3, 8—12; 3, 16—19; 4, 1—3; 4, 17—24.

; Warum nicht auch in den anderen Stücken paulinische Periodisierung
gefunden wird, ist mir noch nicht klar geworden. Vor allein ist,
wenn ich recht sehe, gar nicht auf den Unterschied zwischen liturgischem
, didaktisch-theologischem, didaktisch-paränetischem Stil und
Stil der rein brieflichen Mitteilungen geachtet; daher dann auch die auf
mühsame Zählung und Berechnung beruhende Statistik der Periodenlängen
in den paulinischen Briefen, die der Verf. vorlegt (S. 23 ff.),

I m. E. nicht so sehr viel Wert hat. Nur das Schema der paulinischen
Periode dünkt mich eine gute Grundlage für weitere Untersuchungen

i zu sein.

de Zw. faßt Eph. als ein Rundschreiben des
Paulus an Gemeinden, die im Umkreis von Ephesus

I lagen; in zweiter Linie empfiehlt er Harnack's Hypothese

; (Eph.-Brief nach Laodicea).

Die gegen die Echtheit anzuführenden Bedenken (vgl. Dibc-
lius im Handb.) hat er nur zum Teil angerührt und nicht widerlegt
. In 3, 5 kann nicht übersetzt werden: den Heiligen, seinen

i Aposteln und Profeten; das steht nicht da. Auch gegen die Annahme

j eines Rundschreibens habe ich große Bedenken: nirgends wird doch
angedeutet, daß der Verfasser diesen selben Brief an verschiedene
Gemeinden richtet; wie .ein von Paulus verfaßtes Rundschreiben aussieht
, lehrt uns Gal.l Eph. muß als ein Brief an eine Einzelgemeinde
gedacht sein. Dann finde ich noch sehr auffällig, daß
Paulus einer Neophytengemeinde einen Brief so voll von tiefer Gnosis

I schickt: Das ist in vollem Widerspruch zu I. Cor. 2, 2ff. 3,1 ff.!

Das Büchlein von de Zwaan ist kein Abschluß, aber
es befruchtet nach mehreren Seiten hin die Diskussion.

Leiden. Hans Windisch.