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Ausgabe:

1927 Nr. 20

Spalte:

478-479

Autor/Hrsg.:

Goltz, Ed. Freiherr von der

Titel/Untertitel:

Kirche und Volksgemeinschaft. Rede 1927

Rezensent:

Althaus, Paul

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Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 20.

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ein eingehendes Studium von Seiten derer, die entgegen
der theologischen Tagesmode die wissenschaftliche Fundierung
der Ethik für eine dringende Aufgabe der Theologie
wie der Philosophie halten.

Osnabrück. Ernst Rolffs.

Schill, Dr. A.: Theologische Prinzipienlehre. 5. Aufl., besorgt
v. Heinrich Straubinger. Paderborn: F. Schöningh 1923.
(XI, 349 S.) 8°. — Wissenschaftl. Handbibl., 1. Reihe, 9.

Rm. 6—; geb. 7.80.

Dieses Lehrbuch der Uathol. Fundamentaltheologie in deutscher
Sprache ist meines Wissens in der T.L.Z. noch nie besprochen !
worden. Sein Verfasser, Professor der Apologetik in Freiburg i. B.,
ist 1 Jahr nach Erscheinen der 1. Auflage (1805) gestorben. Die
zweite, durch ein verwerfendes Urteil über H. Schells Apologetik- [
methode auffallende, im übrigen aber wesentlich unveränderte Auf- i
läge (1903) wurde von dem damaligen Repetitor am Priesterseminar
St. Peter (Schwar/wald), O. Witz (f 1925 als Pfarrer in Hohen-
zollern), herausgegeben. Seit 1909 (3. Aufl.) bzw. 1914 (4. Aufl.)
übernahm Schills Nachfolger, der nun auch die vorliegende 5. Auflage
bearbeitet hat, das Werk, das jetzt zu neun Zehnteln ein
neues geworden ist. Neu nicht im Geist, denn es ist bis heute
traditionell-scholastische Apologetik geblieben, aber neu im beigebrachten
Stoff und im sprachlichen Ausdruck. Im Umfang ist es
übrigens bedeutend kleiner als früher, infolge von Kürzungen und
Weglassungen, besonders aber infolge von verwendetem Kleindruck.
Straubingers Spezialgebiet ist Religionsphilosophie; der Abschnitt über
das Wesen der Religion enthält demgemäß auch die meisten Neue- :
rungen und Verbesserungen. Im übrigen ist das Buch aber noch mit
viel Unnötigem oder nicht in die Fundamentaltheologie Gehörigem j
belastet. Die Literaturangaben sind nicht immer auf dem Laufenden.
Die anderwärts beanstandeten Druckfehler der 3. und 4. Auflage
kehren auch in der 5. Aufl. z. T. wieder. Das Buch kann zu den j
kürzesten, aber nicht zu den ersten Lehrbüchern der kath. Fundamentaltheologie
gezählt werden.

Buisdorf (Württbg.). Wilhelm Koch.

Liebe, Reinhard: Die Neugeburt des Christentums. 2., um-

gearb. Aufl. Freiberg i. Sa.: E. Maukisch 1926. (294 S.) gr. 8°.

Rm. 6—; geb. 7.20.

Das bedeutende und eigenartige Buch ist in seinen !
Grundzügen dasselbe geblieben (Theol. Litz. 1920). Die
wahre Religion steht in Gegensatz zu der Phantasiereligion
der Wünsche, als die Religion des nichtsinnlichen
Ich und der Gottinnigkeit, die zu Welt und Schicksal
Du sagt. Das Christentum ist als Phantasiereligion
tot, als Nachfolge Jesu, des Urbildes vollkommener
Ichheit, ist es ewig. Mit dem Idealismus verbunden
ergibt diese ein Kulturchristentum als praktische Haltung
zur Welt: werde fertig mit dir selbst! Denn Heil ist
Ichwerden wie Gott das geniale Ich der Welt voll harter
Liebe ist. Letzte Wahrheit liegt nie im System, nur im
Leben. — L. hat in der zweiten Auflage diese Züge
noch verschärft. „Positiv radikal" geht er den Weg,
der mit Kants praktischer Vernunft und Joh. Müller
bezeichnet ist, indem er „praktisch symbolische" Er- j
kenntnis sucht. Ein Einschub über die Möglichkeit der
Erkenntnis Gottes — L. sagt „Denken Gottes" — ein 1
Abschnitt über das Ziel der Menschwerdung des Menschen
und über die Weltreligion des Guten, endlich ein
aus einem vergriffenen Buch über die Kirche herübergenommener
Gedankengang über die Kirche als Gemeinde
und als Volkskulturanstalt im Dienste der werdenden
Welt der Menschwerdung — diese Ergänzungen
arbeiten jene Grundzüge noch stärker heraus. — Manches
vermißt man; so J. Kaftan auf jener Linie der
praktisch bedingten Erkenntnis, ferner eine Abgrenzung |
gegen Pragmatismus und Lebensphilosophie im Sinn
der theoretischen Sicherung jener praktischen Haltung.
Mit seiner Hinneigung zum Idealismus kämpft L. wider j
den Geist der Zeit, die das Spezifische der biblisch-
reformatorischen Frömmigkeit herausgearbeitet hat. Aber
trotz allem, es ist ein bedeutendes Buch, mit dem man
sich beschäftigen und auseinandersetzen muß.

Marburg. F. Niebergall.

Kutter, Hermann: Wo ist Gott? Ein Wort z. relig. u. theolog.

Krisis d. Gegenwart. Basel: Kober C. F. Spittlers Nachf. 192ö.

(92 S.) 8». Rm. 2.80.

Es ist in schlichter und eindrucksmächtiger Sprache ein leidenschaftlicher
Aufruf, die Wirklichkeit Gottes in ihrer lebendigen
Hoheit und schöpferischen Gewalt zu erkennen. Er will „der immer
leidenschaftlicher an uns herandringenden Frage: Wo ist Gott?"
Worte leihen. Eine heilige Angst schlägt erschütternd auf ihn ein.
Nur aus dieser Angst heraus werden wir ergriffen von der Wirklichkeit
Gottes. Nur so wird Gott die Entscheidung unseres Lebens,
sein Wille die Forderung und Verantwortung unseres Alltags. So wird
die „Geistesgröße" erst frei, „die nur entweder in uns selbst regierend
und bestimmend schafft, uns in ihren Dienst ziehend, uns in
sich einschließend, . . oder dann garnicht schafft". Es gilt, von den
Gerechtigkeiten der Kirche und der Theologie frei zu werden, die
nichts sind als leere Geschäftigkeiten, im Grunde Gottlosigkeiten.
Diese allein wahre theozentrische Einstellung und innere Wendung der
Gedanken und des Lebens ist schon in der Reformation sehr bald
gefährdet. Den Reichsgottesglauben verdrängt der Rechtfertigungsglaube
d. h. der Impuls der Seligkeit in wesentlicher und entscheidender
Weise. Bezirke der Religion und der Frömmigkeit grenzen sich
unheilvoll ab. Dogmatik und Ethik stehen nebeneinander. Und hierin
sind heute liberale und positive Theologie in gleicher Verdammnis.
Auch Karl Barth u.a., die über diese Not hinaus streben, stehen in der
gleichen Gefahr. „Jesus Christus selbst ist unser böses Gewissen
. Wir glauben an ihn. aber er spricht und handelt nicht aus
uns." „Wir stehen zu Gott nicht im Arbeitsverhältnis, sondern nur
im religiösen Erbauungs- und Betrachtungsverhältnis". Die Menschheit
will aber nicht diese und jene Gedanken über Gott, sie will Gott selbst,
seine lebendige Wirklichkeit, deren fragwürdiges Schattenbild alle
Theologie ist und nur sein kann. Es gilt nicht irgendeine kirchliche
und theologische Selbstgerechligkeit. Die souveräne Macht Gottes
d. h. das Reich Gottes muß sich als lebendige Wahrheit erweisen
im Leben selbst. Diesem Ziel haben Theologie und Kirche sich demütig
und ehrfürchtig zu beugen. So haben es die Blumhardt erkannt.
Hier entscheidet sich die Zukunft: ob Gottesgewißheit wahrhaft
lebendig ist, „die den Kampf mit den ungöttlichen Mächten der
Welt im öffentlichen wie im privaten Leben, in Staat, Gesellschaft und
Kirche so gut wie im verborgenen Innenleben der Seele durch unerschrockenes
Zeugnis von Gott und seinem Reiche auf sich nimmt".

Hier glüht echte Leidenschaft um Gott und für Gott. Und da
Kutter von jeder Selbstgerechtigkeit der eigenen Theologie fern ist,
so wirken die Ungerechtigkeiten über alles Leben in Theologie und
Kirche als Ausdruck höchster Forderung. Denn wir spüren überall:
es geht ihm nicht darum, die Sicherheit der eigenen Theologie gegen
„die Anderen" abzugrenzen, sondern er stellt sich und alle vor die
Fragen und Verantwortungen ad tribunal Dei. Das danken wir ihm.

Heidelberg. Willy L ü 11 g e.

Cordier, Leopold: Not und Verheißung. Reden und Aufsätze
über Volkstum, Kirche u. Jugend. Schwerin: F. Bahn 1027.
(158 S.) gr. 8°. Lw. Rm. 7—.

Mit dieser Sammlung von Vorträgen und Reden
gibt der neue Lehrer der Praktischen Theologie sein
Programm kund. Die meisten Darbietungen gehen von
einer Seite unserer religiösen und kirchlichen Not aus:
von der allgemeinen geistigen Zeitnot, in der es sich
um ein neues Verhältnis zwischen dem Subjektiven und
dem Objektiven handelt, von der Bibelnot, der Abendmahls
-, der Konfirmations- und Gottesdienstnot sowie
von der Not der Jugendarbeit. Die Abhilfe wird in dem
Geist der neuen religiösen Denkweise gefunden: Das
Objektive ragt felsblockartig in die subjektive Welt
herein und Gott selbst nimmt uns in den ewigen Lebensstrom
auf; die Bibel preist auch den Gott, der unabhängig
vom Bibelbuch mit der Welt handelt; das Abendmahl
werde Gemeinschaftsfeier, die Konfirmation füge
zur einfachen Abschlußfeier eine für Freiwillige hinzu,
die am Neuaufbau teilnehmen wollen; der Gottesdienst
drücke die Spannung der Gemeinde vor Gott aus. —
Eine besondere Note erhält die Sammlung noch durch
den reformierten Ursprung des Verfassers; er betont,
wie groß der Beitrag gerade dieses Geistes zur heutigen
Lösung der meisten Nöte sei.

Marburg. F. Niebergall.

Goltz, Prof. D.Ed. Freiherr von der: Kirche und Volksgemeinschaft.

Rede, geh. bei der Rektoratsübergabe am 16. Mai 1927. Greifswald
: Ratsbuchhandlung L. Bamberg 1927. (17 S.) gr. 8». = Greifs-
walder Univ.-Reden, 17. Rm, 1_.

„Die Kirche bedarf der Volksgemeinschaft, weil sie nicht
im Himmel, sondern auf Erden wirkt mitten in der Geschichte eines