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Ausgabe: | 1927 Nr. 19 |
Spalte: | 445-450 |
Autor/Hrsg.: | Wobbermin, Georg |
Titel/Untertitel: | Schleiermacher und Ritschl in ihrer Bedeutung für die heutige theologische Lage und Aufgabe 1927 |
Rezensent: | Kattenbusch, Ferdinand |
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445 Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 19. 446
Meinhof, Carl: Die Religionen der Afrikaner in ihrem aus. Man merkt bald, daß W. die Gelegenheit wahr-
Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben. Leipzig: I nehmen möchte, sein eigenes Verhältnis zu beiden
o. Harrassowitz 1926. (VIII, 96 S. m. Abb.) 8<>. = lM«t"tei seine Bevorzugung Schl.'s vor R. mit deutlich zu machen!
for sammenlignende kultur-forsknmg, Serie A, 7. Rm. 3.30. Das ^ sdn gutes Recht ,m Qrunde geht e§ ihm ^
Die Erforschung der afrikanischen Religionen stößt um eine Vergleichung der beiden Meister (er will durchaus
dem Grunde auf große Schwierigkeiten, weil es sich aus auch R. ehren) in Bezug auf ihre Methode
um schriftlose Völker handelt und darum keine religi- als Systematiker, speziell als Dogmatiker. Nicht
Ösen Urkunden vorhanden sind, aus denen sich Inhalt | nur Schi., sondern auch R. ist ja viel mehr als bloß
und Werdegang der Religion herleiten läßt. Der Ver- ein solcher. Ich würde mir getrauen, an weiteren Mo-
fasser zeigt zunächst, wie es trotzdem dem Religions- 1 menten klar zu machen, daß beide zueinandergehören
forscher möglich ist, einen Weg in die verborgene Welt (in dem Sinne, daß R. von Schi, viel „gelernt" hat,
dieser Religionen zu finden, und er läßt den Leser etwas ; „ohne ihn" garnicht historisch vorzustellen ist) und
davon ahnen, welch ein mannigfaltiger Reichtum in die- doch auch charakteristisch sich voneinander abheben
ser Welt vorhanden ist. Er gibt dann eine Übersicht so zwar, daß R. dabei wesentliches Neues, das kei-
über die in Afrika heimischen Rassen und Sprachen | neSwegs auf Schl.'s „Bahn" mitlag, bot. Auf eigenen
und versucht, in das Gewirr der mannigfaltigen Religi- Wegen treffen wir R. besonders als Ethiker und in der
onsformen eine gewisse Ordnung zu bringen. Es läge | religiösen Bewertung des historischen Jesus. Mit letznahe
, nach den verschiedenen Rassen und Sprachgruppen I terem Moment hängt dann zusammen, daß R. Luther
die Einteilung der Religionen vorzunehmen, aber der ganz anders als Schi, zu seinem Rechte konnte kommen
Verf. hält das für untunlich und wählt dafür den zu- lassen. Schi, empfand sich, wenn er denn „wählen"
nächst überraschenden Weg, sie nach den verschiedenen | müsse, mehr als Reformierten, wie als Lutheraner. R.
Arten des wirtschaftlichen Lebens einzuteilen. Eine ge- gerade umgekehrt. Indeß das bemerke ich bloß, um
wisse Abhängigkeit der Religionsformen von den Wirt- ! anzudeuten, daß Wobbermin auch das ihm wich-
schaftsformen liegt ja auf der Hand. Ein geregelter tigste, im Grunde allein wichtige Moment der „Methode"
Opferdienst setzt ein Ackerbau oder Viehzucht treibendes | nicht im ganzen Umfang beleuchtet. Auch über Sehl 's
Volk voraus, erst bei vorgeschrittener Kultur ist eine und Ritschis Stellung zur Philosophie wäre gerade in
Gottesverehrung in religiösen Gebäuden möglich. Diese diesem Zusammenhang wesentlich mehr zu sagen, als
Zusammenhänge zwischen Religions- und Wirtschafts- Wobbermin bei seiner Festrede, deren Zeit ja eine beformen
geben dem Verf. den von ihm angewandten Ein- i grenzte war, tunlieh erachtet haben mag.
teilungsmaßstab, und so beschreibt er der Reihe nach, ich würde Wobbermins Rede, auch wo ich nicht
damit zugleich den Werdegang der afrikanischen Reli- zustimme, gern angehört haben — sie ist durchaus nicht
gionen und Kulturen andeutend, die Religionen der langweilig, bietet den Kollegen der andern Fakultäten
Sammler und Jäger, der Völker des Hackbaus und end- manches, was sie sicher nicht kannten und bei W. durch-
lich der Hirtenvölker. j aus als anregend empfunden haben werden —; ich hätte
Ein überaus reichhaltiges Material ist von sach- ! dabei vielleicht garnicht bemerkt, daß W. an bestimmten
kundiger Hand zusammengetragen und geordnet. Man | Stellen Bemerkungen einflechte, die auf mich zielen. Jetzt
merkt den Ausführungen nicht nur die Gelehrsamkeit im Drucke hat er da entsprechende Anmerkungen einge-
des Verfassers an, sondern auch die herzliche Vertraut- j fügt. So S.10/11, woW.es berührt, daß R. in der Kritik,
heit, die ihn mit „dem Lande seiner Liebe" verbindet
Hermannsburg. Chr. Schomerus.
Wobbermin, Prof. Georg: Schleiermacher und Ritsehl In ihrer
Bedeutung für die heutige theologische Lage und Aufgabe.
Tübingen: J. C. B. Mohr 1927. (44 S.) gr. 8°. = Sammlung
gemeinverständl. Vortr. u. Schriften aus d. Gebiet d. Theologie Anschauungen und Interessen geleitet ge
die er an Schl.'s Religionsbegriff übt, meint behaupten
zu müssen, Schi, behandele in seinen „Reden" die Religion
geradezu als eine Abart des Kunstsinns. W. fährt
fort: „In vergröbernder Überbietung [so!] dieses Urteils
Ritschis ist neuerdings sogar gesagt worden, Schleiermacher
sei überhaupt bloß von ästhetischen
Religionsgesch., 125. Rm. 1.50; Subskr.-Pr. Rm. i.2o. j wesen, er sei im Aesthetizismus befangen
Es ist schwer, über Schleiermacher im vollgiltigen i geblieben"! (Die Unterstreichungen und das [so!]
Sinn oder allseitig ein richtiges Urteil zu gewinnen. ! sind von mir). Daß ich damit getroffen sein
Der Mann war von so großer geistiger Struktur, daß ! sollte, hätte ich nicht für möglich gehalten, wenn
er nirgends, wo er mit wissenschaftlicher Arbeit ein- j nicht eine Anmerkung ausdrücklich sagte: „So Fersetzte
, ohne Frucht für die Sache forschte. Und er dinand Kattenbusch, Die deutsche evangelische
war garnicht bloß „Denker". Er war eine merkwürdig Theologie seit Schleiermacher, 1926, S. 107ff.; S. 145".
vielseitige Persönlichkeit, ebenso stark interessiert an ich schlug die stellen natürlich auf. Von s. 107 ff. bis
praktischer, wie theoretischer Betätigung. Wir deutschen S. 143 findet der Leser nicht eine Silbe, die als Beweis
Evangelischen mögen uns freuen, solch reichen Geist i fur Wobbermins Behauptung bezüglich meiner gelten könnte! Auf
unter unseren Theologen gehabt zu haben. Er hat i S. 143 bis 45 trifft er wirklich eine Wendung, auf die w. hin-
unserer Wissenschaft - und unserem Pfarrerstande — i we,se" hdarff'MpAb.er da J401""1« Vuf1* auf d™ Zusammenha"?
Ansehen und Ehre geschaffen mehr als einer seit Luther. ! £ £idÄ^ tüJ^L ?f "Kants ™*
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Und nicht nur das, er hat der Theologie, dem Verstand- 1 zu bewerten gewußt hab£; >jdabei abe'r in der positifenrg,n:
ms des Christentums, dem Gehalte und der Bedeutung tuition im .Griechentum' ( As t he t i z i smus) befangen
des Evangeliums, in einer Zeit, WO da Versandung blieb". Es führt hier zu weit, auch nur zu skizzieren, was der
drohte, Dienste geleistet, die nie vergessen werden kön- Zusammenhang ist. Ich schränke durch das eingeklam-
nen Oder dürfen. j m€rte Wort Schleiermachers Abhängigkeit von uralter Einwirkung
Georg Wobbermin hat bei der diesjährigen Reichs- ^Xm^kurz!" ,7^' Th?U?ie ^ V u"d dtu^nT mit
r/ründiino-fwr der Universität Onttincren die Festrede ! raschem> kurz€m U- natürlich auch der Gefahr einer M.ßdeutung
grunaungsteier aer Universität Böttingen aie restreae auseeSetztem) Stichwort an, wo Schl.'s bahnbrechende Neue,
die er zu halten hatte, benutzt, um Schleiermacher und ' rang ihre Schranke habe! Von „bloß ästhetischen Anden
unbestritten bedeutendsten Göttinger Theologen, j schauungen und Interessen" Schl.'s, wie W mich versteht ist keine
Albrecht Ritschi, zu vergleichen. Das war ein glück- Rede, nur von einem Maße solcher! Die Beleuchtung der theologischen
licher Gedanke. Wer billig urteilt, wird es begreiflich Systematik von heute führt dann dahin, daß ich S. 145 eine Ausfinden
, daß er nicht gerade viel Neues sagt. Da es ihm fuhrung über Troeltschs Stellung zu Schi, mit der Bemerkung
nun mal darauf ankam, Schi, und Ritsehl nebeneinander abschließe, Troeitsch (den ich vorher, s. 144 als „vollsten geschicht-
ZU stellen, mußte er sich auch wohl darauf beschränken »chen Erben" Schl.'s bcze.chnet hatte) werde, wenn er ein System
das an beiden herauszuheben, was ihm „vergleichbar" ^^„^^ KÖ""en' dltsc" ^T6" dndrin?f"den
__„ u- ir : i „i„ ,'. ,. n'.'.j s ., sementsbeobachtungen aus uberboten haben im Verständnis
' e"S*™' ES lstd,S0 ke»n Volks Bild von ihnen, der praktischen Gewalt und der realen Bedürfnisse sozio fi
das er vorführt, nur gewisse Grundlinien hebt er her- Gebilde (! dies Ausrufungszeichen bringe ich erst jetzt an um auf-