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Ausgabe:

1927 Nr. 18

Spalte:

429

Autor/Hrsg.:

Arseniew, N. v.

Titel/Untertitel:

Die Kirche des Morgenlandes 1927

Rezensent:

Mulert, Hermann

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429

Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 18.

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seiner Arbeit wird ausführlich (III, 76—84) gehandelt;
die Jesuiten-Reductionen in Paraguay (I, 89—93) werden
auf ein paar Seiten, die ein ziemlich schiefes Bild geben,
abgetan. Bei dem Kollektanen-Charakter des Werkes
ist das begreiflich, für den wissenschaftlichen Wert
ist es verhängnisvoll. Sicher wird das Werk für erbauliche
Missionsvorträge reiches Material bieten, vielleicht
wird sich auch junges Volk an dieser „Missionsstudien
-Bücherei" begeistern. Eine wissenschaftliche Darstellung
des großen und wertvollen Beitrages der katholischen
Weltmission für die Menschheitskultur ist es
leider nicht.

Berlin. J.Richter.

Arseniew, Priv.-Doz. N. v.: Die Kirche des Morgenlandes.

Weltanschauung und Frömmigkeitsleben. Berlin: W. de Gruyter
& Co. 1926. (104 S.) kl. 8°. = Sammlung Göschen 918.

geb. Rm. 1.25.

Über den Vf., Sohn eines russischen Diplomaten,
Dozent der Literaturgeschichte in Moskau, dann Prof.
(zuletzt der Religionsgeschichte) in Saratow, seit 1920
Rektor des Russischen an der Universität Königsberg
und Dozent an der russischen Hochschule in Berlin,
unterrichtet Heiler in der Vorrede zu A.'s 1925 erschienenen
Schrift „Ostkirche und Mystik" (Aus der Welt
christlicher Frömmigkeit Nr. 8). Je weniger wir Rußland
kennen und russische religiöse und theologische Literatur
zu lesen vermögen, um so dankenswerter sind
Schriften über das religiöse Leben, über Kult und Frömmigkeit
der russischen Kirche, und daß der Vf. für
seine Kirche ehrlich begeistert ist, auch für manches,
was wir uns nicht aneignen können, das macht sein
Büchlein uns sympathisch. Er behandelt namentlich den
charakteristisch starken Oster- und Ewigkeitsglauben der
russischen Christen, die Sakramente, die Hauptmotive
sittlicher Lebensführung, die Askese und die Freude an
der Welt, religiöse Gemeinschaft und Kirche; den Schluß
bilden statistische und Literaturangaben. Diese Schrift
und die vorhin genannte ergänzen einander vielfach;
freilich decken sich auch beider Ausführungen an manchen
Stellen nicht nur inhaltlich sondern in ganz ungewöhnlicher
Weise wörtlich, so in diesem Göschenband
S. 14—17 und 55—56 mit 12—17 und 22—23 in dem
Buch über Ostkirche und Mystik.

Kiel. H. Mulert.

Cullagh, Captain Francis Mc: Die Verfolgung des Christentums
durch die Bolschewiki. Deutsche Bearbeitung v. FI.
Kaßpohl. Raderborn: F. Schöningh 1926. (XVI, 367 S.) 8».

Rm. 5—; geb. 6.50.

Zusammen mit dem (von P. Struve bevorworteten)
Werk Die Erstürmung des Himmels (Berlin W 35,
Lützowstr. 107, Verlag der Kulturliga, 158 S.) eine
in vielen Einzelheiten erschütternde Schilderung der oft
grausamen, oft kleinlichen Art, in der die jetzigen russischen
Machthaber gegen Religion und Kirche vorgingen
und wohl z. T. noch vorgehen. Sehr glaubhaft ist,
daß allmählich die „positive" Gegenwirkung, die Pflege
irreligiösen Geistes namentlich auch unter der Jugend,
stärker hervortritt als die direkte Verfolgung der Religionsdiener
. Sollte vieles, was hier erzählt wird, übertrieben
sein und wäre nur die Hälfte des Berichteten
wahr, so wäre schon das schlimm genug. Nachprüfen
kann der außerhalb Rußlands Lebende die Dinge großenteils
überhaupt nicht. Das Buch Mc. Cullaghs bezieht
sich besonders auf die Maßnahmen gegen die römischkatholische
Kirche und den Prozeß, den man gegen
Erzbischof Cieplak und Msgr. Budkiewicz führte; letzterer
ist 1923 erschossen worden. War die orthodoxe
Kirche früher die mächtigere, so ist die römisch-katholische
als die polnische und als dem Staat gegenüber
von jeher selbständiger den Bolschewisten begreiflicherweise
mindestens nicht weniger verhaßt. Eine beschränkte
Denkweise zeigt der Vf. S. 331: „Unglücklicherweise
ist . . . in Rußland der Protestantismus der
Auflösung durch den Bolschewismus ausgesetzt, mit

dem (sie) er eine Art Explosivstoff bildet, der sich als
i eine noch größere Gefahr erweisen kann, als es der
wirtschaftliche und atheistische Bolschewismus ist, ein
unfruchtbarer, unbefriedigender Glaube, welcher Rußland
in gewissem Sinne ausdörren und es zu einer
leichten Beute für Mohammedaner oder andere Eindringlinge
machen würde, deren Religion die seinige angreift
." Wollens abwarten.

Kiel. Hermann Mulert.

Morgan, Prof. W.. D. D.: The Nature and Right of Religion.

Edinburgh: T. & T. Clark 1926. (VII, 315 S.) gr. 8°. sh. 10/-.

Diese apologetische Religionsphilosophie des Professors
in systematischer Theologie und Apologetik in
Kingston, Cänada, ist eine leicht verständliche Einfüh-
I rung in die Theologie der Werturteile, die sich ganz in
i denselben Bahnen wie Harnacks „Das Wesen, des Christentums
" bewegt. Schon das erste Kapitel stellt fest,
daß die Religion wesentlich mit der Welt der Werte zu
tun hat, doch unterscheidet sich der Verfasser dadurch
von Kant und Ritsehl und auch von Höffding, daß er
| von Anfang an die enge Verbindung von Wert und Wirk-
j lichkeit als das charakteristische der Religion ansieht.
I Das wird näher in dem dritten Kapitel, von dem religiösen
Erlebnis, ausgearbeitet, nachdem das zweite Kapitel
j eine kurze religionsgeschichtliche Übersicht gegeben hat.
Die folgenden Kapitel, der Begriff der Offenbarung, das
Verhältnis zwischen Wissenschaft, Philosophie und Re-
1 ligion, der Begriff des Übernatürlichen, und die Struktur
! des Dogmas, enthalten dann die theologische Erkenntnis-
i theorie, wo geltend gemacht wird, daß nicht die Lehre,
sondern die Werte das Centrale sind, und daß der alte
transcendente Gottesbegriff für uns unhaltbar geworden
ist, demgemäß muß an der ganzen Theologie eine centrale
Revision vorgenommen werden. Diese Revision
wird nun in den folgenden drei Kapiteln veranschaulicht,
die die Bibel, das Wesen des Christentums und die
Absolutheit (finality) des Christentums besprechen. Das
letzte Kapitel zeigt, wie das so aufgefaßte Christentum
volle Berechtigung im modernen Leben hat, und wel-
I chen Wert es hat: Ich will dich suchen, daß meine
! Seele lebe.

Das Interessante ist der vollständige Anschluß an
Gedanken, mit welchen die deutsche Theologie in den
letzten anderthalb Jahrhundert gearbeitet hat, und deren
Revision, trotz der Anerkennung der teilweisen Berechtigung
, als nötig empfunden wird. Mir scheint die
ganze Betrachtung zu onceborne, auch wenn von
Erlösung gesprochen wird. Von der Neuorientierung
an Luther ist nichts zu spüren, und Kierkegaard ist ja
in der englischen Welt ganz unbekannt.

Kopenhagen. E. Geismar.

Brulez, Lucien: Holländische Philosophie. Breslau: F. Hirt
1926. (132 S. m. Abb.) 8». = Jedermanns Bücherei. Rm. 3.50.

„Holländische Philosophie" gibt es nicht, sondern
| nur Philosophen, die in Holland gewirkt haben oder
] Holländer gewesen sind. Das vorliegende Büchlein hätte
also besser „Die Philosophie in den Niederlanden"
heißen müssen, wie der Verf. selbst richtig bemerkt.

Nach einer kurzen kulturgeschichtlichen Einleitung
behandelt der Verf., der in Jena promoviert und 1916 bis
1918 an der flämischen Universität zu Gent doziert hat,
zunächst die mittelalterliche Philosophie in den Nieder-
' landen (Flandern eingeschlossen), d. i. die Scholastik
und die flämische Mystik. Er hebt zwei flämische Scholastiker
hervor, den platonisierenden Heinrich von Gent
(fl293) und den interessanteren, vom H. Thomas als
Averroisten bekämpften Seger von Brabant (um 1270).
, Als Hauptvertreter der flämischen Mystik behandelt er
Jan van Ruysbroeck, wobei er reiche Proben aus der
„Zierde der geistlichen Hochzeit" gibt, daneben kürzer
Dionys, Gerrit de Groot und Thomas von Kempen.
Es folgt die Neuzeit, zunächst Renaissance und Reformation
mit Erasmus und Dirk Coornhert als den Haupt-