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Ausgabe:

1927 Nr. 18

Spalte:

423-424

Autor/Hrsg.:

Bonin, Burkhard von (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Entscheidungen des Cöllnischen Konsistoriums 1541-1704 1927

Rezensent:

Karnatz, B.

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Seite 1

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423

Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 18.

424

Iis „Uslegen und Grund der Schlußreden oder Artikel"
entnimmt. Die Hauptsache war für Zwingli gewiß das
andächtige Gebet im Geist ohne viel Worte und Töne,
aber eine Schilderung des Gottesdienstes und der Kurrende
in Zürich um 1520 hätte die Stellungnahme Zwingiis
noch verständlicher gemacht. Mit Recht sagt Ch., daß
Zwingli die Konzentrationsfähigkeit der meisten Beter
über- und den Wert der Musik für die Andacht unterschätzt
habe. Ein Anzeichen dafür, daß Zwingli seine
unhaltbare Stellung zur Kirchenmusik zu ändern auf
dem Wege war, sieht der Vf. in der Einführung des
Sprechgesangs bei der Abendmahlsfeier in der Schrift
„Action oder bruch des nachtmals". Ohne der Auswirkung
der Forderungen Zwingiis in Zürich nachzugehen
, geht Ch. weiter zu Zwicks Vorrede zu seinem
Gesangbuch und zeigt, wie dieser Zwingiis Gedanken
nicht verwirft, sondern mit biblischen, geschichtlichen
und psychologischen Darlegungen weiterführt bis zur
positiven Würdigung des evang. Kirchengesangs im Gegensatz
zum päpstlichen und auch zu dem zu engherzigen
calvinischen Psalmensingen. Diethelm Fretz
klärt das bewegliche Ende des Zwinglifreundes Werner
Steiner auf, der infolge jugendlicher Verführung und
Verirrung in seinen letzten Lebensjahren noch zur Entziehung
der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt wurde
als ein Opfer jahrelanger heimtückischer Erpressung.
Der Blick in die Not der mittelalterlichen Jugend und
des Zölibatszwangs ist erschütternd. Eine Bildtafel zeigt
Steiner als päpstlichen Protonotar und Palästinareisenden
.

Horb. G. Bossert.

[Boehmer, Pfr. D. Dr.:) Aus der Schatzkammer der Lutherstadt
Eisleben. Erinnerungen zum fünfhundertjährigen Bestand
der dortigen Nikolai-Kirche, 2. Juli 1426—1926. Mit 2 Abb.
(Magdeburg-Cracau: Selbstverl. d. Verf. 1926.) (VIII, 92 S.) 8°.

Rm. 2—.

Die hier in 2. Ausgabe veröffentlichten „Erinnerungen zum
fünfhundertjährigen Bestehen der dortigen Nikolai-Kirche" haben zumeist
nur für die Nikolaikirchengemeinde in Eisleben Bedeutung.
Von allgemeinerem Interesse sind lediglich die Nachweise über
Luthers Stellung zu seiner Geburts- und Todesstadt und den Grafen
von Mansfeld, und über Johannes Agricola, Luthers Zeitgenossen und
Gegner, den Dichter des in den meisten evgl. Gesangbüchern aufgenommenen
ergreifenden Bittliedes „Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ"
und späteren (seit 1542) ersten Generalsuperintendenten der Mark
Brandenburg. Am wertvollsten ist der Vergleich der für das genannte
Lied bestehenden ältesten Texte, nach einem in der Bibliothek
zu Wien vorhandenen Einzeldruck um 1530 und nach dem Erfurter
Gesangbuch von 1531. — Nicht nur die biographischen Notizen über
die im Altaraufsatz der Nikolai-Kirche befindlichen Stationen von
Heiligen und Aposteln bedürfen der Nachprüfung. Der Stil läßt
mehrfach zu wünschen übrig. Der Druck ist nicht einwandfrei.
Berlin. Julius Jordan.

Bol te, Johannes: Zwei satirische Gedichte von Sebastian Franck.

Sonderabdr. a. Sitz.-Ber. d. Preuß. Akad. d. Wissensch., phih-
hist. Kl. Berlin: W.de Gruyter & Co. in Komm. 1925. (26 S. [ =
S. 89—114]) 40. Rm. 1—.

Bolte veröffentlicht 1. aus dem 1537 in Ulm von Sebastian
Franck selbst hergestellten Urdruck den „Lobgesang Sankt Pfennings,
des großen Nothelfers und Weltheiligen", einen Stoßseufzer über die
Allmacht des schnöden Geldes, das jahrelange Not dem Umhergetriebenen
entlockte, 2. aus einer 1557 von einem eifrigen Protestanten
vielleicht in Nürnberg angelegten Sammelhandschrift das
wohl 1531 in Straßburg im Druck erschienene Gedicht Francks
„Das alte Sprichwort: die gelerten, das man sie heißet die
verkerten", die eine Vorlage zu dem 1584 erschienenen Gedichte
Fischarts „Bewärung und Erklärung des Sprichworts die Gelehrten
die Verkehrten" (die andere Vorlage, ein Gedicht Francks vom
Glaubenszwang, das wohl nur handschriftlich existierte, hat B.
noch nicht wieder aufgefunden).

Zwickau i. S. O. Cleraen.

Entscheidungen des Cöllnischen Konsistoriums 1541 —1704.

Nach d. Sammig. d. Konsist.-Rats u. Propstes D. Franz Lütkens
m. Genehmigung d. Ev. Konsist. d. Mark Brandenburg hrsg. v.
Burkhard von Bon in. Weimar: H. Böhlaus Nachf. 1926. (III,
676 S.) gr. 8°. Rm. 20—.

Von Bonin hat aus den Aktenbeständen des Brandenburgischen
Konsistoriums mit behördlicher Unterstützung
eine Sammlung von Entscheidungen des Konsistoriums
zu Cölln aus der Zeit von Invocavit 1541 bis
zum 21. Mai 1704 veröffentlicht. Die Sammlung, welche
eine kaum übersehbare Fülle von Entscheidungen ortschaftsweise
und innerhalb der Ortschaften zeitlich geordnet
aufführt, ist nach den Feststellungen des Herausgebers
die Arbeit des Konsistorialrats und Propstes zu Cölln
D. Franz Lütkens (1650—1712). Der Herausgeber hat
einem Wunsche des Konsistoriums entsprechend von
jedem Kommentar abgesehen und sich auf die zur Richtigstellung
des Textes und aus sonstigen Gründen unentbehrlichen
Anmerkungen beschränkt. Der Wert des
Werkes ist durch Verbesserung der Anordnung und
vor allem auch durch Anfügung von 4 ausführlichen
Registern wesentlich erhöht. Der Praxis der kirchlichen
Verwaltung in den älteren Teilen der Mark Brandenburg
ist mit der Herausgabe des Werkes, dessen Benutzung
sich zwei Jahrhunderte lang im wesentlichen auf das Berliner
Konsistorium beschränkt hat, ein wertvoller Dienst
geleistet; darüber hinaus wird der kirchenrechtlichen
Geschichts- und Familienforschung vielseitiges Material
erschlossen.

Charlottenburg. B. Kam atz.

Schmitt, Geh. Finanzrat Präsident Dr. jur. Josef: Kirchliche
Selbstverwaltung im Rahmen der Reichsverfassung. Unter
Mitwirkung v. Univ.-Proff. Paderborn: F. Schöningh 1926. (X,
176 S.) gr. 8°. = Görres-Gesellschaft z. Pflege d. Wissensch, im
kathol. Deutschland, H. 44. Rm. 7—.

Die Bestimmunger, der Weimarer Verfassung über Religion und
Religionsgesellschaften haben das Schicksal aller solcher Formu-
I Herongen: sie werden verschieden gedeutet. Um eine authentische
Interpretation zu gewinnen, tut man gut, die Situation zu klären,
aus der heraus diese Verfassungsartikel geboren wurden. Die vorliegende
Schrift geht diesen Weg, indem sie zwei Männer, die in
I Weimar mitgearbeitet haben, ihre Meinung sagen läßt. Prof. J.
Mausbach bietet einen Aufsatz über die öffentliche Rechtsstellung
der Kirche im Deutschen Reich nach den Verhandlungen
I von Weimar (S. 131—150); Prof. K. Beyerle steuert „Weimarer
Erinnerungen zu Art. 137 der RV bei (S. 153—161). Die Hauptarbeit
leistet Schmitt selbst, indem er auf 70 S. die in Frage
! kommenden Rechtsquellen und auf 60 S. die Frage der kirchlichen
i Selbstverwaltung nach Art. 137 RV erörtert. Während Mausbach und
Beyerle mehr im Rahmen allgemeiner Darlegung bleiben, bietet Sch.
ein umfangreiches Einzelmaterial. Dabei fällt auf, daß bei Besprechung
: der Rechtsquellen zunächst und ausführlich über Konkordate gehandelt
[ wird, und zwar über alte und neue. Die Motive sind freilich deut-
J lieh. Sch. liegt daran, die Weitergeliung der alten Konkordate fest-
i zustellen und die Bahn für neue freizumachen. Er folgert: Konkor-
I date sind völkerrechtliche Verträge; Art. 4 RV erklärt die allgemein
j anerkannten Regeln des Völkerrechts als bindende Bestandteile des
; deutschen Reichsrechts; ergo sind die alten Konkordate gesichert.

Die Beweisführung hat in dieser Form nur von katholischen Voraus-
I Setzungen aus Kraft („Die kath. Kirche ist eine Weltmacht");
j der Staat hat alle Veranlassung, sie kritisch anzusehen. Höchst merkwürdig
ist, daß Schm. eine Ausnahme konstatiert. Art. 137 RV Abs.
I 3 gebietet den Ländern, bisherige konkordatsmäßige Rechte auf
Besetzung von Bischofstellen usw. nicht mehr auszuüben. Hier hat
[ Sch. also nichts gegen eine einseitige Änderung des durch
Konkordate geschaffenen Rechtszustandes einzuwenden; warum, ist
einleuchtend. Der Hauptteil von Sch.s Arbeit gilt dem Art. 137,
der nach der Enstehungsgeschichte, nach der Deutung durch die
Wissenschaft, nach der Auffassung staatlicher Regierungen, endlich
j nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts gedeutet wird. Dabei
j bringt er eine Fülle von wichtigen Äußerungen, Entscheidungen usw.
zur Sache bei, die jedem Benutzer wichtig sein müssen. Während
in diesem Teil das Interesse vor allem der Wahrung eines möglichst
großen Maßes von Freiheit für die Kirche gegenüber dem Staat
gilt, sucht der zweite Teil durch die Bestimmung des Begriffs der
„kirchlichen Selbstverwaltung" das gleiche Ziel zu erreichen. Schm.
behandelt sehr umsichtig alle in Frage kommenden Begriffe (z. B.
Körperschaft des öffentlichen Rechts, das für alle geltende Gesetz
usw.; diesem Begriff ist noch ein Nachtrag S. 164—171 gewidmet);
seine Deduktionen werden sorgfältig beachtet werden müssen. Klar
1 ist, daß sie ganz im Dienst der katholischen Auffassung stehen;
I ihm kommt alles darauf an, die Absicht Kahls über eine mit der
RV vereinbarte umfassende Staatskirchenhoheit sowie die Bestrebungen
auf Erhaltung der früheren Gesetzgebungshoheit der Länder
in Kirchensachen abzulehnen und den Umfang der durch RV gedeckten
kirchlichen Selbstverwaltung möglichst weit auszudehnen. Man versteht
, daß Beyerle über Sch.s Abhandlung urteilt, sie habe eine