Recherche – Detailansicht
Ausgabe: | 1927 Nr. 18 |
Spalte: | 419-420 |
Autor/Hrsg.: | Bünger, Fritz |
Titel/Untertitel: | Zur Mystik und Geschichte der märkischen Dominikaner 1927 |
Rezensent: | Lempp, Eduard |
Ansicht Scan: | |
Download Scan: |
419
Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 18.
420
verstehen zu wollen. E. wird hier als „gotischer Mensch" (S. 11) zum
Verkünder der vita „aktiva" (S. 14) gemacht, zum Prediger der germanischen
Mystik der Tat im Gegensatz zur orientalischen der
passiven Versenkung (S. 10). Der Hintergrund, von dem E. sich
abhebt, ist düster gehalten; der Meister muß gegen eine schwächliche
Kontemplation, gegen „asketische Abstumpfung des Willens" ankämpfen
. Seim Publikum, die Gottesfreunde, sind Laien, die von
der scholastischen Wissenschaft hochmütig zur Ruhe gewiesen wurden
(S. 54); er selbst arbeitet hauptsächlich „an der sittlich religiösen
Erhöhung der sozial tiefer gestellten" (während doch die „ungelerten"
E.s vornehme Namen sind!).
Daß die höchste Stufe menschlichen Seins ein „Ergreifen der
Welt im Handeln" sei (S. 54), trifft doch nicht einmal für Fichte
zu, geschweige für E. Hätte E. wirklich die „für seine Zeit unerhörte
Forderung des Wirkens ohne ,warumbe'" (S. 35) gestellt,
so dürfte man ihn in der Tat neben Luther und Kant stellen. In
Wahrheit Hat er das (übrigens von der Kirche seiner Zeit doch nicht
in der geschilderten Kraßheit angewendete) Lohnschema nicht durchbrochen
, sondern nur gelehrt, auf sublimerem Wege (Abgeschiedenheit
als dispositio), mit Ausschaltung aller Nebenmotive, das eine
Hauptziel zu erreichen. Ebenso findet sich der sehr moderne Gedanke
vom „Gottschaffen" des Menschen bei E. nicht. — Ein stärkeres
Heranziehen der E.-Literatur hätte vielleicht mißverständliche
Wendungen E.s richtig deuten gelehrt; ratsam wäre auch eine größere
Unabhängigkeit von Büttner gewesen, dessen E.-Übertragung oft
irreführt.
Tübingen. Hermann Dörries.
Little, A. G.: Some Recently Discovered Franciscan
Documents and their Relations to the Second Life by Celano and
the Speculum Perfectionis. London: The British Academy 1Q26.
(19 S.) sh. 3/—.
Der bekannte Verfasser vergleicht die von Lemmens
in Documenta antiqua, Quaracchi 1901/02, von ihm
selbst in Description of a Franciscan Manuscript, Aber-
deen 1914, und von Deforme in La legenda antiqua 1922
und 1926 herausgegebenen Handschriften mit der vita II
des Thomas von Celano und dem Speculum perfectionis.
Er nimmt dabei Cel. II als sicheren Ausgangspunkt
und erhebt die Frage, ob wir das ursprüngliche Material
wieder entdecken können, das die Genossen des Heiligen
beigebracht haben und das Celano in seine vita II hineinverarbeitet
hat. Er zeigt an verschiedenen Beispielen,
daß Thomas von Celano sich im Interesse des Friedens,
aber nicht der Wahrheit an dem ihm zugebrachten Material
teils Veränderungen teils Auslassungen erlaubt
hat, und kommt zu dem Ergebnis, daß die Ausgabe Lemmens
eine Sammlung von Auszügen sei, die aus dem
ursprünglichen Material vor seiner Überarbeitung hergestellt
wurde, aber nicht von Bruder Leo, daß das
Speculum perfectionis von Sabatier eine große Menge
von ursprünglichem Material enthalte, das mit Geschicklichkeit
, wahrscheinlich nach dem Vorbild von Cel. II,
in einer Weise wiedergegeben sei, daß an der ursprünglichen
Vorlage nach Form und Inhalt kaum etwas geändert
sei; das Buch Leos sei zwischen 1311 u. 1386
aus der Bibliothek von Assisi verschwunden, vielleicht
sei das MS Delorme der letzte Auszug aus dem Buch,
der gestattet worden sei! Eine Reihe lehrreicher Tabellen
gibt die Stellen, die in den verschiedenen Ausgaben
mit einander zu vergleichen sind. — Ich glaube,
Sabatier kann mit diesem Ergebnis zufrieden sein; es
stellt sich eben doch mehr und mehr heraus, daß in dem
von Sabatier, man kann wohl sagen entdeckten Speculum
perf. eine unvergleichlich ursprüngliche Quelle für
das Leben, den Charakter und die Ideale des h. Franz
vorliegt, und auch das andere ist kaum mehr zu bestreiten,
daß Thomas v. Celano nicht der unbeeinflußte Wahrheitszeuge
ist, als den er sich gibt.
Stuttgart. Ed. Lempp.
Bünger, Fritz: Zur Mystik und Geschichte der märkischen
Dominikaner. Berlin: Selbstverlag d. Vereins (Geschäftsstelle
Berlin-Dahlem, Archivstr. 14) 1926. (XIII, 184 S.) gr. 8°. = Veröffentlichungen
d. Vereins f. Geschichte d. Mark Brandenburg.
Wie der Titel besagt, hat das Buch zwei nur lose
zusammenhängende Teile: der erste beschäftigt sich mit
der Mystik der märkischen Dominikaner oder eigentlich
nur mit dem Mystiker Wichmann von Arnstein
und seinen hier erstmals herausgegebenen Traktaten.
Wichmann soll neben Heinrich von Halle der Beweis
dafür sein, daß das Dominikanerkloster Neu-Ruppin
Mittelpunkt einer edlen, mystisch gerichteten Frömmigkeit
gewesen sei, und daß es im 13. Jahrhundert eine religiöse
und literarische Blüte erlebt habe. Dazu muß
man freilich nehmen, was der Verfasser im Vorwort
selbst sagt: „Zu den Größen des Mittelalters gehört
Wichmann nicht"; in der Tat zeigen die veröffentlichten
Traktate, weder was die darin enthaltene Mystik, noch
was den sonstigen Gehalt oder die Form des Gebotenen
betrifft, etwas besonderes, was etwa über die gleichzeitigen
Traktate der Franziskaner des David von Augsburg
oder gar des Berthold von Regensburg, hinausginge
oder auch nur sie erreichte. — Der weit umfangreichere
zweite Teil des Buchs gibt die Geschichte der märkischen
Dominikanerklöster. Dabei ist sich der Verfasser bewußt
, daß seine Arbeit „an Geschlossenheit, Anschaulichkeit
und Lesbarkeit erheblich gewonnen hätte", wenn
; er nicht notgedrungen die Ergebnisse der bisherigen
Forschung hätte voraussetzen und darum übergehen
müssen. In der Tat ist es schade, daß die Darstellung,
die mit großer Sorgfalt und Belesenheit allen, auch
kleinsten Nachrichten nachgeht, für die einzelnen Klöster
doch kaum ein anschauliches Bild ihrer Geschichte bietet
und so den Eindruck hinterläßt, daß ein außerordentlicher
Fleiß zu einem nicht ganz befriedigenden Resultat
geführt hat. Die zahlreichen Beilagen, die aus alten
Urkunden genommen sind, geben viele Nachrichten, die
j für Lokalgeschichte und Familiengeschichte von Wert
; sein werden.
I Stuttgart. Ed. Lempp.
j Peter, Pfr. Dr. Hermann Georg: Die Informationen Johanns XXIII.
und dessen Flucht von Konstanz bis Schaffhausen. Freiburg
i. Br.: J. Waibel in Komm. 1926. (XIX, 310 S.) gr. 8°.
Rm. 9—.
Die Arbeit, offenbar eine Freiburger Dissertation, untersucht
die sogen. Informationen, d. h. die Beschwerden, die Johann XXIII.
zur Rechtfertigung seiner Flucht an Frankreich und wohl auch die
I anderen Mächte hinausschickte, auf ihre Glaubwürdigkeit und verfolgt
I zu diesem Zweck die Vorgänge auf dem Konzil bis zum 20. März
1415 in zeitlicher Anordnung. Im Schlußkapitel werden die Be-
I richte über die Flucht des Papstes geprüft (hier z. T. ungedrucktes
I Material) und die Einzelheiten genau festgestellt. Das Ergebnis, in
I einem Rückblick zusammengefaßt, ist, daß die Informationen so wenig
I wie die Gegenschriften des Konzils eine unparteiische Darstellung
J geben, sondern nur mit kritischer Vorsicht als historische Quelle zu
j benützen sind. Also bei Licht betrachtet, ein Ergebnis, das sich von
selbst verstand. Für die Geschichte des Konzils ist nichts wesentlich
| neues herausgekommen; die bisherige Literatur ist fleißig verwertet.
Der Aufwand von 310 Druckseiten ist etwas groß, zumal die Darstellung
sich oft ohne Schaden hätte kürzer fassen können, besonders
I bei den Fluchtberichten, wo z. B. der Frage nach der Verkleidung
I des Papstes 3 Druckseiten gewidmet sind. — Für die Rechtsfrage
nach dem Präsidium des allgem. Konzils den cod. jur. can. von 1917
(can. 222) mitzuzitieren (S. 54 A. 1) wirkt anachronistisch.
Über Luthers Todesstunde (S. 260) sind sich alle guten Berichte
einig. Unter den Literaturangaben vermißt man u. a. Karl Müllers
Kirchengeschichte, Haucks Kirchengesch. V (1920 erschienen, hätte
I also vor der Drucklegung noch gut berücksichtigt werden können),
Haucks und Loserths Studien über Huß und die PRE:i, während
I das ältere Kirchenlex. Wetzer-Welte wie eine Weltgeschichte von einem
F. J. Holzwarth, Mainz 1885, u. a. dgl. aufgeführt wird. Die Sprache
I ist mitunter schwerfällig, der Titel („und dessen Flucht") schlechtes
Deutsch. Das ganze eine fleißige, sauber gearbeitete, reichlich
J breite Dissertation über ein doch recht kleines Problem.
Tübingen. H. Dannenbauer.
Neve, J. L.: Introduction to the Symbollcal Books of the
Lutheran Church. 2. rev. ed. Columbus (Ohio): The Lutheran
Book Concern 1926. (454 S.)
In zweiter Auflage bietet D. Neve (Professor an
der Hamma Divinity School, die sich auch als „Wittenberg
College" bezeichnet, in Springfield, Ohio — er ist
m. W. von der Fakultät zu Kiel zum D. theol. hon. c.
promoviert) seine Einleitung in das Konkordienbuch
und gewährt damit einen guten Einblick einesteils in